ẖꜣ(Lemma-ID 122400)
Hieroglyphische Schreibung: 𓆞𓄿𓅱𓀜
Persistente ID:
122400
Persistente URL:
https://thesaurus-linguae-aegyptiae.de/lemma/122400
Lemma-Liste: Hieroglyphisch/Hieratisch
Wortklasse: Verb (2-rad.)
Übersetzung
Bezeugung im TLA-Textkorpus
43
Belegzeitraum im TLA-Textkorpus:
von
1980 v.Chr.
bis
1077 v.Chr.
Schreibungen im TLA-Textkorpus:
Bibliographie
-
Wb 3, 361.8
-
MedWb 680 f.
- Peust, Das Napatanische, 153 f.
Kommentare
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(Vollzitation)"ẖꜣ" (Lemma-ID 122400) <https://thesaurus-linguae-aegyptiae.de/lemma/122400>, ediert von Altägyptisches Wörterbuch, unter Mitarbeit von Annik Wüthrich, in: Thesaurus Linguae Aegyptiae, Korpus-Ausgabe 19, Web-App-Version 2.2.0, 5.11.2024, hrsg. von Tonio Sebastian Richter & Daniel A. Werning im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften und Hans-Werner Fischer-Elfert & Peter Dils im Auftrag der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig (Zugriff am: xx.xx.20xx)(Kurzzitation)
https://thesaurus-linguae-aegyptiae.de/lemma/122400, in: Thesaurus Linguae Aegyptiae (Zugriff am: xx.xx.20xx)
Das Verb ẖꜣ kommt hauptsächlich in medizinischen und magisch-medizinischen Texten vor; zu Belegen außerhalb dieser Textgruppen s. weiter unten. Klassifiziert wird in den medizinischen Texten mit dem schlagenden Mann oder dem schlagenden Arm. Dies und die Kontexte zeigen, dass das Verb einen Zerkleinerungsprozess bezeichnet: Es bezeichnet das Zerkleinern einer meist – wenn auch nicht immer – festen bis harten Droge, in der Regel in einer Flüssigkeit.
(1) Vorschläge zur Etymologie und Grundbedeutung des ẖꜣ der medizinischen Texte:
– Stern, in: Ebers, Papyros Ebers, Bd. 2, 59b verbindet es mit einem Wort ḫꜣ in LD, II, 103a, hinter dem er die Weinernte vermutet, und schlägt für ẖꜣ die Bedeutung „colligere, miscere“, d.h. „zusammensammeln, vermischen“, vor. Aber sein Vergleich mit ḫꜣ ist nicht korrekt, denn bei der darstellten Szene handelt es sich um das Abmessen von Getreide, und das dort stehende Verb ist ḫꜣi̯: „messen, wägen“, Wb 3, 223.4-16.
– Brugsch, Wb VI, 954, der χra, d.h. ẖrꜣ, liest (vgl. dazu Brugsch, in: ZÄS 19, 1881, 25-41), vergleicht es mit hebräisch חָלָא: „reiben, aufreiben, aufgerieben sein“, חוּל: „reiben, gerieben, abgerieben sein“ und חָלַל: „reiben, abreiben, auflösen“ sowie mit arabisch حَلّ: „auflösen“. Obwohl er für das ägyptische Wort keine konkrete Bedeutung festlegt, scheint er zu Letzterem zu tendieren. Denn als nächstes Lemma führt er χra.t (d.h. ẖꜣ.yt: „Leichenhaufen“ u.ä., Wb 3, 360.1-3) an, für das er als ursprüngliche Bedeutung „das was in Auflösung begriffen ist, was in Verwesung übergeht“ angibt und daher hierin offenbar ein Derivat von ẖꜣ vermutet. Das Substantiv verbindet er mit koptisch ⲉⲣϩⲁⲗⲓ: „putrescere“ („verfaulen“, vgl. Westendorf, Koptisches Handwörterbuch, 364, s.v. ϩⲟⲟⲗⲉ). Allerdings ist die Lesung des fraglichen Verbs zu ẖꜣ zu korrigieren, also ohne mediales r, was Brugschs etymologische Verbindungen in Frage stellt, auch wenn ägyptisches ꜣ ursprünglich ein /l/ oder /r/ war. Außerdem sprechen die Kontexte gegen die semantisch eher passive Bedeutung „auflösen“, und viele der mit ẖꜣ verarbeiteten Drogen lassen sich schließlich gar nicht auflösen.
– Dieser letzte Aspekt dürfte wohl auch die Uneinheitlichkeit in der Übersetzung von Ebers, Kapitel über die Augenkrankheiten, begründen, der bspw. auf Seite 226 [94] die Anweisung ẖꜣ ḥr mw in Eb 345 mit „aufgelöst in Wasser“ übersetzt und daher wohl Brugsch folgt, wohingegen seine Übersetzung der Anweisung ẖꜣ ḥr bj.t in Eb 358 auf Seite 237 [105] (in seiner Transkription: χe ḥr ꜥaft) als „vermischt mit Honig“ eher auf Sterns Ansatz basiert. Denn die ẖꜣ-gemachte Droge in Eb 345 identifiziert Ebers mit einer Art Natron oder Salpeter (mit Fragezeichen), diejenige von Eb 358 mit der Zwiebel, und während die erste sich auflösen lässt, ist das bei der zweiten nicht möglich. Joachim, Papyros Ebers, passim tendiert zu Sterns Bedeutung: „mischen“.
– Wreszinski bringt dann die Bedeutung „zerstoßen“ (bspw. für Bln 88: Wreszinski, Medizinischer Papyrus Berlin, 69) und „zerkleinern“ (bspw. für L 20: Wreszinski, Londoner Med. Papyrus und Pap. Hearst, 184) ins Spiel; und so ist es dann in Wb 3, 361.7-8 mit den Bedeutungen „zerstoßen und in eine Flüssigkeit mischen“ eingetragen. Die Bedeutung „zerstoßen“ setzt auch Osing, Nominalbildung, 265 an und sieht in dem Substantiv ẖꜣ.t: „Steinbruch“ (Wb 3, 360.11-15) eine Ableitung davon.
– Im Grunde wohl immer noch Brugschs Idee „reiben“ folgend, übersetzt Ebbell, Papyrus Ebers, passim das passive ẖꜣ(.w) mit „pounded“; ebenso Gardiner, HPBM III, Text, 123 bei dem einmaligen Beleg in pChester Beatty XIII, Zeile 5. Ob dieses mehrdeutige englische Verb mitverantwortlich war für die Verschiebung der Bedeutung zu „zerschlagen“ in MedWb 2, 680-681? Hauptverantwortlich nach MedWb selbst ist jedoch die Identifizierung der Droge ẖꜣ.w n.w ḥmt mit „Kupferschlag“, die für das Verb eine Bedeutung „zerschlagen“ u.ä. plausibler sein lässt als die bisherigen Vorschläge.
– Von dieser Bedeutung „zerschlagen“ geht dann Peust, Das Napatanische, 153-154 aus. Er diskutiert das Wort ḫꜣ.yt/ẖꜣ.yt: „Leichenhaufen u.ä.“, Wb 3, 360.1-3, und überlegt, ob man es vielleicht in zwei Wörter, nämlich ḫꜣ.yt: „Gemetzel“ und ẖꜣ.yt: „Leichenhaufen“, aufteilen sollte und Ersteres mit ḫꜣ.(y)t: „Krankheit, Leiden“ zusammenbringen kann. Als mögliches Etymon für ḫꜣ.yt – aber warum nicht für das von ihm postulierte separate Wort ẖꜣ.yt? – bringt er dann das Verb ẖꜣ der medizinischen Texte ins Spiel, das er, MedWb folgend, eben mit „zerschlagen“ übersetzt. In napatanischen Texten, genauer: der Stele des Harsijotef und der des Nastasen, kommt ferner ein Verb ḫꜣy vor, das Peust ebenfalls damit in Zusammenhang bringt und als „niedermetzeln, vernichten“ übersetzt. „Ob es sich um eine sekundäre Derivation von dem Substantiv ḫꜣy.t oder tatsächlich noch um das (...) erwähnte alte Verb ẖꜣ handelt, bleibe dahingestellt“ (a.a.O., 154).
(2) Die Kontexte des ẖꜣ der medizinischen Texte:
(2.1) Die einzige Passage, die nähere Details zur Bedeutung von ẖꜣ liefern könnte, ist das Rezept Eb 469: Darin soll eine schwarze Eidechse ẖꜣ gemacht werden mj ḥmt kꜣ.t-mtrḫ.t: „wie das Erz eines kꜣ.t-mtrḫ.t“. Bedauerlicherweise ist der fragliche Gegenstand nicht mit letzter Sicherheit zu identifizieren: Janssen, Prices, 145-146 sieht in diesem Kompositum die metallene Variante des einfachen m(t)rḫ.t-Gefäßes ramessidischer administrativer Texte. Dieser einfache m(t)rḫ.t-Gegenstand wiederum wird meist zusammen mit Flechtwerk, wie Körben oder Matten, aufgelistet, so dass Janssen in m(t)rḫ.t ebenfalls einen geflochtenen Gegenstand vermutet. Er versteht darin den sprachlichen Vorläufer von demotisch mrḫ.t (Erichsen, Glossar, 169, CDD, M, 159-160) und koptisch ⲙⲣⲱϩⲉ (Crum, CD, 184a; auch Crum verweist schon auf mrḫ.t als Vorläufer). Aufgrund des zu vermutenden geflochtenen Aussehens denkt Janssen an die Bedeutung „‚strainer‘ or ‚sieve‘“, wie bspw. in Carnarvon/Carter, Five Years’ Explorations at Thebes,Taf. 22, 2, k und l. Für ein entsprechendes Metallsieb – so Janssens Vorschlag zu dem erweiterten kꜣ.t-mtrḫ.t – s. dann bspw. Vassilika, Tomb of Kha, 86. Für diese Bedeutung verweist Janssen zudem auf Erichsens und Crums Übersetzung „Sieb“ bzw. „strainer“. Die Aussagekraft dieser Übersetzungen ist aber insofern zu prüfen, als zumindest Crum nicht ⲙⲣⲱϩⲉ allein als „strainer“ übersetzt, sondern das Kompositum ⲧⲙⲣⲱϩⲉ ⲛⲥⲱⲧϥ, wörtl. eher ein „Ausgussgefäß“. Für das zweite von Crum genannte, bloße ⲧⲉⲙⲣⲱϩⲉ, in dem er ebenfalls einen „strainer“ erwägt, verweist er zur Illustration auf Schäfer, in: ZÄS 39, 1901, 152. Das dort abgebildete Objekt ist jedoch ein Trichter und kein Sieb.
Auch Vycichl, Dict. étym., 121a hält für ⲙⲣⲱϩⲉ sowie ⲙⲣⲱϣⲉ einen Zusammenhang mit m(t)rḫ.t für denkbar und verweist zusätzlich auf das einmal, nämlich in Edfu, genannte mrḫ-Gefäß. Dieses hat Wb 2, 112.12 mit „Sieb“ übersetzt, sicher, weil der Beleg als Synonym für ẖnm.t-wr.t, ein Sieb oder einen Seiher (vgl. Wilson, Ptol. Lexikon, 771-772), genannt wird. Lüchtrath, in: Edfu: Bericht über drei Surveys, 107-108 steht der Bedeutung „Sieb“ jedoch skeptisch gegenüber, weil in dem gegebenen Zusammenhang nichts auf den Vorgang des Siebens hindeute; außerdem würde das fragliche Gefäß an anderer Stelle als wḥꜣ.t: „Kessel“ bezeichnet. Sie vermutet in dem ẖnm.t-wr.t des Wb-Belegs daher schlicht ein „große[s] Gefäß“, dessen Gestalt also keine Auskunft über die Natur des damit verglichenen mrḫ erlaubt. Zusammengefasst spricht einiges für eine Identifizierung von m(t)rḫ.t mit einem Sieb: der Umstand, dass es zusammen mit Flechtwerk genannt wird und daher wohl ein ebenfalls geflochtenes oder so wirkendes Aussehen hatte; und dass der mögliche ptolemäische Beleg mrḫ als Synonym für ein Wort verwendet wird, das üblicherweise einen Seiher oder ein Sieb bezeichnet. Dennoch bleiben einige Restzweifel.
Unter der Prämisse, dass m(t)rḫ(.t) ein Sieb, und kꜣ.t-mrḫ.t ein metallenes, konkreter: ein Bronzesieb ist, wäre es denkbar, dass die Anweisung in Eb 469 meint: „werde durchlöchert wie ein Metallsieb“ o.ä. Das spricht für einen spitzen Gegenstand, vielleicht eine Art Pickel, als Verarbeitungswerkzeug. Dies wiederum schließt „zerreiben“ oder „zerschlagen“ als Grundbedeutung von ẖꜣ aus. Plausibler wäre eher „zerstoßen“, wie schon Wreszinski vermutete, und in Eb 469 dann etwas eingeschränkter: „durchstoßen“. (Es bliebe zu untersuchen, worin sich dieses Verb von Verben vergleichbarer Bedeutung, wie bspw. hbq, https://thesaurus-linguae-aegyptiae.de/lemma/98220, in: Thesaurus Linguae Aegyptiae (Zugriff am: 16.7.2024), unterscheidet.)
Auch das von Peust erwähnte, napatanisch belegte ḫꜣy ließe sich mit einer solchen Bedeutung vereinbaren: Dessen eigentliche Bedeutung wäre dann weniger „niedermetzeln“, was einem (scil. mit Schneidwerkzeugen vollzogenem) Zerstückeln gleichkommt, sondern eher „durchbohren“, etwa von Pfeilen, Speeren, Lanzen u.a. Stichwaffen. Das Resultat wäre für die Betroffenen letztendlich nahezu identisch.
(2.2) Die Kollokation ẖꜣ ḥr [Droge NN] scheint im Allgemeinen die Bedeutung „zerstoßen mit [Droge NN]“ zu haben, und zwar egal, ob die Droge (halb)flüssig oder fest ist. Das zeigt sich in Eb 574, wo ein Mittel „mit (ḥr) Pflanzenbrei und (ḥnꜥ) einer Topfscherbe“ zerstoßen werden soll. Sowohl der halbflüssige Pflanzenbrei als auch die feste Tonscherbe nehmen dort semantisch und syntaktisch dieselbe Position ein. Dieses Rezept bestätigt zudem, dass der Handlungsschwerpunkt von ẖꜣ auf dem Zerkleinern liegt, weil nur so die genannte Topfscherbe weiterverwendet werden kann. Da aber der Pflanzenbrei von der gleichen Handlung betroffen ist und sich aufgrund seiner eher halbflüssigen Konsistenz kaum „zerkleinern“ lässt, wird das Verb wohl gleichzeitig das Moment des Verrührens, vielleicht konkreter: des Miteinander-Verschlagens, innehaben.
Insgesamt lässt es sich daher rechtfertigen, ẖꜣ ḥr als „zerstoßen in“ zu übersetzen, wenn nur eine flüssige Droge genannt ist. Denn etwas in einer Flüssigkeit zu zerstoßen impliziert, dass das Zerstoßene mit der Flüssigkeit verquirlt wird. Dabei kann zwar keine Aussage über den Grad der Vermengung getroffen werden, aber die Kontexte legen nahe, dass eine mehr oder weniger einheitliche Masse hergestellt werden soll.
(2.3) Im Augenrezept Eb 385 = pLouvre E 32847, Vso. 22,5-7 soll Malachit in „Honig des Entstandenen“ zerstoßen (ẖꜣ) werden; gefolgt von dem Arbeitsgang ẖꜣ(.w) gj.w n=sn: „gw-Gras werde ...“. Während die meisten Bearbeiter den hinteren Teil dieser Ebers-Passage so deuten, dass das gw-Gras zusammen mit den beiden anderen Drogen verarbeitet werden soll, bezieht Bardinet n=sn auf die Augen: „Il sera aussi pilé pour eux (= les yeux) du souchet comestible“ (Bardinet, Papyrus médicaux, 309 und Bardinet, Papyrus médical Louvre E 32847, 239). Das wäre allerdings ein ungewöhnlicher Zusatz. Denn wofür, wenn nicht für die in diesem Rezept zu behandelnden Augen, sollte das Gras verarbeitet werden? Und sollten nicht auch die zuvor genannten Drogen Malachit und Honig ebenfalls für die Augen verwendet werden? Warum ist dann im Falle des gw-Grases noch einmal eine explizite Anmerkung notwendig? Daher wird hier vorgeschlagen, stattdessen in n=sn eine Angabe der Zielrichtung bzw. des Ziels anzunehmen, in das das Gu-Gras (mithilfe des implizierten spitzen Gegenstandes?) „hineingestoßen“ werden soll. Auch das wäre ein ungewöhnlicher Zusatz, weil er in den medizinischen Rezepten eben nur in diesem Rezept vorkommt. Aber er ließe sich mit der hier veranschlagten Bedeutung von ẖꜣ vereinbaren.
(3) Das ẖꜣ der Sarg- und Totenbuchtexte sowie der Chronik des Osorkon:
Zusätzlich zu dem ẖꜣ der medizinischen Texte (+ der napatanischen Stelen?) gibt es noch ein mit dem schlagenden Arm klassifiziertes Verb ẖꜣ in den Sargtexten. Van der Molen, Dictionary of Coffin Texts, 417 führt zwei homographe Lemmata an, die man vielleicht zusammenführen sollte:
(3.1a) Das erste dieser Verben ist identisch mit dem Verb ẖꜣꜥ, Wb 3, 361.12, das man als Ghostword streichen kann: Wb kannte dafür nur einen Beleg und konnte daher nicht entscheiden, ob der Arm der letzte Radikal eines klassifikatorlosen Wortes (ergo ein Wort ẖꜣꜥ) oder ein Klassifikator (ergo eines Wortes ẖꜣ) war. Die nach dem Druck des Wb bekanntgewordenen Parallelen zeigen, dass Letzteres der Fall ist. Dieses Verb tritt in CT II, 49b in dem Satz ẖꜣ n=j ꜥntj.w kꜣp n=j snṯr auf: „Mir wird Myrrhe ge..., mir wird Weihrauch verbrannt.“ Der Parallelismus spricht dafür, dass eine rituelle Verwendung von Myrrhe genannt ist. Derselbe Doppelsatz kommt auch in Tb 149 vor, nur dass dort šdi̯ statt ẖꜣ steht: „Myrrhe darbringen“, s. Wb 4, 562.11 und Caminos, Osorkon, 86-87, Anm. jj. Caminos sieht in dem ẖꜣ von CT II, 49b dasselbe Verb wie das der medizinischen Texte. Dessen Bedeutung fasst er mit „‚to grind’, or ‚to grate‘, or somehow ‚to manipulate‘ a substance and mix it into a compound“ zusammen; diese Übersetzung entspricht also im Wesentlichen derjenigen von Brugsch. Basierend auf der Parallele von CT II 49b und Tb 149, vermutet er für den Sargtextbeleg die Bedeutung „to present or offer (myrrh)“. (NB: Noch allgemeiner dann FECT I, 88: „I have used(?) myrrh“ und Barguet, Textes des sarcophages, 477: „J’ai préparé la myrrhe“ – beide aktivisch, während die spätere Variante von Tb 149 eindeutig passivisch ist.) Dieselbe Bedeutung sieht Caminos schließlich auch bei dem Verb ẖꜣ in der Chronik des Prinzen Osorkon, B, Kol. 5 (a.a.O., 78 = RIK III. The Bubastite Portal, Taf. 21) vorliegen: (...) ẖ.t=f mḥ n tꜣy=f mr.wt šf.t=f ḫt ḥꜥ.w=f jw [---] wr=f r nṯr.w ẖꜣ n=f ꜣḫ.w[=f] nb.w jri̯=f ḥr mw=f (...): „(...) his [d.h. Osorkons, L.P.] body being filled with his love and his dignity pervading his limbs (...) he is greater than the (other) gods. One whom all [his] abilities were presented that he might act loyally to him (...)“. Bezüglich des ẖꜣ vermutet Caminos, a.a.O. 87: „it refers to mixing, combining and preparing certain elements to be presented to a person; only here the elements compounded and proffered are of an abstract kind, namely Osorkon’s abilities.“
Diese Deutung klingt zunächst plausibel und scheint in der Chronik zu passen; sie beruht aber auf falschen Voraussetzungen: Die Bedeutungen „to grind“ und „to grate“ basieren auf Brugschs falscher Etymologie; die Bedeutung „to mix“ erinnert an Sterns, ebenfalls falsch hergeleitete, Bedeutung und scheint, wie oben gezeigt, nur neben der eigentlichen Handlung mitzuschwingen. „To present“ passt zwar gut zu dem Ersatz von ẖꜣ der Sargtexte durch šdi̯ in Tb 149, ergibt aber in den zahlreichen medizinischen Belegen keinen Sinn. In Letzteren käme allenfalls „to prepare“ infrage, doch selbst diese Übersetzung ist unwahrscheinlich, weil zu unspezifisch: Bei ähnlich unspezifischen Anwendungsverben wird immer das Ziel genannt und dadurch die Art der Verarbeitung bzw. das Resultat des Vorgangs mithilfe der adverbialen Erweiterung näher spezifiziert. Vgl. das sehr häufige jri̯ m (j)ḫ.t wꜥ.t: „werde zu einer homogenen Masse verarbeitet“. Im Falle von ẖꜣ gibt es keine solchen Zusätze, so dass anzunehmen ist, dass das Verb allein spezifisch genug war und das Resultat des Vorgangs klar war. Daher ginge Caminos’ Vorschlag für die Chronik des Osorkon nur unter der Voraussetzung, (1) dass das Verb der medizinischen Texte doch ein anderes als das der Sargtexte und der Chronik des Osorkon ist; oder (2) dass es dasselbe Verb ist, es aber innerhalb der medizinischen Texte eine semantisch engere Bedeutung hat. Möglichkeit (3) wäre, dass insgesamt, also auch außerhalb der medizinischen Texte, die Bedeutung eingeengter war als Caminos vermutet. Hier wird Möglichkeit (3) favorisiert. Denn Caminos’ syntaktische Analyse der Stelle in der Chronik des Osorkon ist nicht zwingend. Vielmehr könnte man die Stelle auch als weiteren Beleg für die oben in 2.3 vorgeschlagene Bedeutung ẖꜣ n NP: „etw. hineinstoßen in NP“ verstehen. Dann wäre das ẖꜣ n=f ꜣḫ.w[=f] nb.w der Osorkon-Chronik eher zu verstehen als: „einer, in den all [seine] Fähigkeiten hineinstoßen“, d.h. „einer, den all [seine] Fähigkeiten durchdringen“.
Auch in CT II 49b könnte das Zerstoßen der Myrrhe (scil.: um sie dann ebenfalls zu verbrennen) gemeint sein; die Passage wäre dann syntaktisch parallel konstruiert, während die Verben semantisch einander ergänzende Bedeutungen haben, die für den gesamten Opfervorgang stehen: zerkleinern und verbrennen von Räuchermitteln. Dass das ẖꜣ von CT II 49b in Tb 149 durch šdi̯ ersetzt wurde, muss einer solchen Auffassung der CT-Passage nicht widersprechen und muss nicht zwangsläufig bedeuten, dass beide Verben, ẖꜣ und šdi̯, eine ähnliche bis identische Bedeutung hatten. Es wäre nämlich genauso gut denkbar, dass die Ägypter im Neuen Reich die Passage umdeuteten und sekundär aus dem syntaktischen Parallelismus auch einen semantischen Parallelismus machten. Oder sollte man gerade wegen der Parallele bei diesem šdi̯ an eine Bedeutung *„mörsern“ denken, vgl. https://thesaurus-linguae-aegyptiae.de/lemma/158520, in: Thesaurus Linguae Aegyptiae (Zugriff am: 16.7.2024)?
(3.1b) Die Stelle in CT VI, 299o mit einem weiteren Beleg für ẖꜣ ist inhaltlich unklar und trägt daher zur Bedeutungsfindung wenig bei; aber bei aller Unklarheit scheint eine Bedeutung wie „zerstoßen, durchstoßen“ zumindest nicht unpassend: N pn zꜣb km ḏr(.t) wsr.t jyi̯.n=f mjn ꜥḏ=f ds m ẖꜣ=f rt.w ist vielleicht zu verstehen als: „Dieser N ist ein schwarzer Schakal, ein 〈mächtiger〉 Milan {des Pfahls}. Er ist heute gekommen, damit er 〈mit〉(?) dem Messer aufhackt, als(?) er die ... durchstieß“.
(3.2) Ob schließlich auch das Substantiv oder substantivisch verwendete ẖꜣ.wt in CT VI, 290l ((...) ḏr zp ẖꜣ.wt N pn sḥn.t=f) dasselbe Wort wie das von CT II, 49a ist, wie van der Molen, a.a.O. erwägt, ist unsicher; die gesamte Passage ist unklar. Da dieses Wort mit dem sitzenden Mann mit Hand am Mund klassifiziert ist, fragt sich, ob man es nicht eher zu ẖꜣꜣ: „sich entschließen (o.ä.), zu ...“, Wb 2, 361.3, zu stellen. Ob es so etwas bedeutet wie „seit dem Mal/Augenblick der Entscheidungen dieses NN, die er verkündete“?
(4) ẖꜣ in der Biographie des Djehutinacht:
Ein letzter möglicher Beleg für ẖꜣ findet sich in der Autobiographie des Djehutinacht in el-Berscheh, wobei der stark zerstörte Kontext weder eine sichere Ergänzung noch darauf aufbauende Interpretationen zulässt. S. dazu Willems, Dayr al-Barshā 1, Taf. 18 und 47 sowie S. 43 und 51, Anm. y: Erhalten sind nur der Hecht, der hintere Teil eines Vogels und Teile eines Armes (mit nach unten geöffneter Handfläche?). Zusammen mit dem folgenden, ebenfalls tlw. zerstörten Wort ergänzt Willems zu ẖꜣm ḥꜥ.w: „who bends the bo[dy]“. Statt ẖꜣm stellt Willems zwar auch noch ẖꜣꜥ zur Diskussion, d.h. das im Wb gelistete (Ghost-)Wort der Sargtexte (s. oben unter 3.1a). Er schreibt aber dazu: „its [d.h. die von ẖꜣꜥ, L.P.] range of meaning has not been firmly determined, but such proposals as have been made [wie „Myrrhe darbringen“, L.P.] do not seem to lead to a satisfactory reading in our text.“ Das ändert sich, wenn man für ẖꜣ die hier vorgebrachte Übersetzung „zerstoßen; (hinein)stoßen; (durch)stoßen“ ansetzt. Unter dieser Annahme könnte könnte es auch in der Biographie des Djehutinacht vorliegen, und man könnte statt Willems’ „who bends the bo[dy]“ auch lesen: „der mit zustoßendem Leib“. So übersetzt, würde sich die Verbindung gut in die Epitheta-Reihe einpassen, in der sich Djehutinacht mit einem Falken vergleicht: jnk (...) j:sḥꜣi̯ ḏrf ḥr jnḥ nšd ꜥn.wt ẖꜣ ḥꜥ.w šwi̯ m jri̯.t ḫrw wr: „Ich bin (...) einer, dessen Linie auf der Augenbraue klar sichtbar (wörtl.: enthüllt) ist(?), einer mit reißenden Krallen, einer mit zustoßendem Leib, einer, der frei ist, großen Lärm zu machen“. Ein „zustoßender Leib“ passt zum Jagdverhalten von Falken, ebenso wie die reißenden Krallen und der stille Flug. Bei aller Vorsicht ließe sich der in diesem Abschnitt gezogene, ungewöhnliche Vergleich verstehen als „Ich bin aufmerksam, Aufgaben anpackend, schnell und verschwiegen“. Interpretationsschwierigkeiten bereitet nur der Klassifikator von ẖꜣ, der beim derzeitigen Erhaltungszustand eher wie ein Arm mit nach unten geöffneter Handfläche aussieht, wie es bei ḫꜣm/ẖꜣm möglich ist, wohingegen bei ẖꜣ der schlagende Arm zu erwarten wäre. [NB: Bei dem Titel ḫrp: „Leiter, Aufseher“ in Kol. 20 und 21 ist der schlagende Arm klar als solcher erkennbar; der Arm-Klassifikator des Verbs drp: „opfern, darbringen“ in Kol. 26 scheint dagegen nur der einfache Arm zu sein.]
Literatur:
– T. Bardinet, Les papyrus médicaux de l’Égypte pharaonique, Penser le médecine (Paris 1995).
– T. Bardinet, Médecins et magiciens à la cour du pharaon. Une étude du papyrus médical Louvre E 32847 (Paris 2018).
– P. Barguet, Les textes des sarcophages égyptiens du Moyen Empire. Introduction et traduction, Littératures anciennes du Proche-Orient 12 (Paris 1986).
– H. Brugsch, Hieroglyphisch-demotisches Wörterbuch. Enthaltend in wissenschaftlicher Anordnung und Folge den Wortschatz der heiligen- und der Volks-Sprache und -Schrift der alten Ägypter. Nebst deren Erklärung der einzelnen Stämme und der davon abgeleiteten Formen unter Hinweis auf ihre Verwandtschaft mit den entsprechenden Wörtern des Koptischen und der semitischen Idiome. Bd. VI (Leipzig 1881).
– H. Brugsch, Über den Lautwerth des Zeichens 𓆞 χr, in: Zeitschrift für ägyptische Sprache und Altertumskunde 19, 1881, 25-41.
– R.A. Caminos, The Chronicle of Prince Osorkon, Analecta Orientalia 37 (Roma 1958).
– Earl of Carnarvon, H. Carter, Five Years’ Explorations at Thebes. A Record of Work Done 1907-1911 (London 1912).
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– W. Wreszinski, Der grosse medizinische Papyrus des Berliner Museums (Pap. Berlin 3038). In Facsimile und Umschrift mit Übersetzung, Kommentar und Glossar, Die Medizin der alten Ägypter 1 (Leipzig 1909).
– W. Wreszinski, Der Londoner medizinische Papyrus (Brit. Museum Nr. 10059) und der Papyrus Hearst. In Transkription, Übersetzung und Kommentar, Die Medizin der alten Ägypter 2 (Leipzig 1912).
L. Popko, 07. Juli 2021, aktualisiert 16. Juli 2024.
Autor:in des Kommentars: Strukturen und Transformationen