gs-mꜣꜥ(Lemma-ID 168430)


Persistente ID: 168430
Persistente URL: https://thesaurus-linguae-aegyptiae.de/lemma/168430


Lemma-Liste: Hieroglyphisch/Hieratisch

Wortklasse: Substantiv (mask.)


Übersetzung

de
Migräne
en
headache
fr
migraine

Bezeugung im TLA-Textkorpus


Belegzeitraum im TLA-Textkorpus: von 1292 v.Chr. bis 30 v.Chr.

Schreibungen im TLA-Textkorpus:

 Weisen Sie uns gerne auf Irrtümer hin


Bibliographie

  • LÄ IV, 125
  • Andreu/Cauville, RdE 29, 1977, 13
  • Meeks, AL 77.4688
  • Meeks, AL 78.4478
  • Lesko, Dictionary IV, 65


Digitale Verweise

Alt-TLA 168430

Kommentare

gs-mꜣꜥ: „Schläfenhälfte“ ist eine Art von Kopfschmerzen, möglicherweise ein Symptom von Migräne. Das Lemma fehlt im Wörterbuch von Erman & Grapow, möglicherweise weil es erst nachträglich im Papyrus Chester Beatty V, Vso 4.10 (publiziert im Jahr 1935), entdeckt wurde (es findet sich in der Nachverzettelung als DZA 30.690.080). Auch im Grundriss der Medizin VII/2, 928 ist es nur unter gs subsumiert. Gardiner, Chester Beatty Gift, I, 51 erkennt in gs-mꜣꜥ „half-temple“ eine Art von Kopfschmerzen („headache“), eine andere als bei gs-tp (vgl. Grundriss VII/2, 928, Anm. 3: „halbe Schläfe“ ist in pChester Beatty V „wie eine Krankheit behandelt“). Das Wort ist auch mehrfach in den Oracular Amuletic Decrees belegt, dort von Edwards in Anlehnung an Gardiner ebenfalls als „a headache“ übersetzt (21 zu L2, Vso 37; Andreu & Cauville, in: RdE 29, 1977, 13 übersetzen mit „migraine“). Daher wurde es als Lemma aufgenommen in Lesko, Dict. IV, 65: „headache“. Meeks, AL 77.4688 und 78.4679 übersetzt mit „migraine“. Bei Hannig, Handwörterbuch. Marburger Edition, 977 {36112} findet sich „Kopfschmerz, Migräne“. Ein magisches „Buch“ trägt einmal den Titel mḏꜣ.t n.t dr gs-mꜣꜥ „Buch zum Vertreiben/Beseitigen der Schläfenhälfte“, einmal steht mḏꜣ.t n.t pꜣ gs-mꜣꜥ „Buch von der Schläfenhälfte“ (pDeM 1, Vso 7.5).
Anders als bei gs-tp kann bei gs-mꜣꜥ keine Diskussion darüber entstehen, ob es (nur) eine Ortsangabe („Hälfte der Schläfe“) oder (auch) ein Leiden ist (s. Borghouts, The magical Texts of Papyrus Leiden I 348, 9-10). Die Formulierungen dr gs-mꜣꜥ „Hälfte-der-Schläfe vertreiben“ (Chester Beatty) und jw=j (r) šdi̯=s/=f r gs-mꜣꜥ „ich werde dich vor Hälfte-der-Schläfe retten“ (Decrees) können sich nur auf eine Leidensbezeichnung beziehen (Übertragung der Bedeutung von der schmerzenden Körperstelle zum Leiden selbst), es sei denn, man möchte eine (ursprüngliche) Auslassung wie z.B. dr 〈mr m〉 gs-mꜣꜥ annehmen. Weil es gemeinsam mit gs-tp im Papyrus Chester Beatty V vorkommt und (mr m) gs-tp als Migräne (oder – besser – zumindest als mögliches Symptom von Migräne) interpretiert wird, wird auch gs-mꜣꜥ als eine Art/Form von Migräne verstanden (so Westendorf, Handbuch Medizin, 69 und 141). Ein wenig anders sieht es Černý, Papyrus hiératiques de Deir el-Médineh, 11, der in „moitié de tempe“ wohl („probablement“) nur eine andere Bezeichnung für gs-tp oder gs-ḏꜣḏꜣ erkennt und mit „migraine“ übersetzt. Laut Pommerening, Von Impotenz und Migräne, 171 weist aber gerade die Differenzierung der Körperstelle darauf hin, dass die Ägypter es als eine andere Krankheit betrachteten (bei gs-tp ist in der Bedeutung ein logischer sprachhistorischer Zusammenhang mit ἡμικράνιον und ἡμικρανία und weiter mit dem Wort „Migräne“ zu erkennen, wenn auch keiner im Krankheitsbild). In der antiken griechischen Medizin ist der „Schläfenschmerz“ unter ἡμικρανία subsumiert. gs-mꜣꜥ kann wie gs-tp aus moderner Perspektive ein mögliches Symptom von Migräne sein, die Vergesellschaftung von gs-mꜣꜥ und gs-tp im Papyrus Chester Beatty V könnte jedoch ein Hinweis sein, dass gs-mꜣꜥ für die Alten Ägypter eine andere Krankheit von derselben Gruppe war, zu der auch gs-tp gehörte.

- Tanja Pommerening, “Von Impotenz und Migräne—eine kritische Auseinandersetzung mit Übersetzungen des Papyrus Ebers,” in Writings of Early Scholars in the Ancient Near East, Egypt, and Greece: Translating Ancient Scientific Texts, Beiträge zur Altertumskunde 286, ed. Annette Imhausen and Tanja Pommerening (Berlin: De Gruyter, 2010), 153–74 (hier vor allem 164–71).

P. Dils (Artikel verfasst im Jan. 2020)

Autor:in des Kommentars: Strukturen und Transformationen


Editor:innen: Altägyptisches Wörterbuch; unter Mitarbeit von: Simon D. Schweitzer, Annik Wüthrich
Datensatz erstellt: vor Juni 2015 (1992–2015), letzte Revision: 17.09.2024

Bitte zitieren als:

(Vollzitation)
"gs-mꜣꜥ" (Lemma-ID 168430) <https://thesaurus-linguae-aegyptiae.de/lemma/168430>, ediert von Altägyptisches Wörterbuch, unter Mitarbeit von Simon D. Schweitzer, Annik Wüthrich, in: Thesaurus Linguae Aegyptiae, Korpus-Ausgabe 19, Web-App-Version 2.2.0, 5.11.2024, hrsg. von Tonio Sebastian Richter & Daniel A. Werning im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften und Hans-Werner Fischer-Elfert & Peter Dils im Auftrag der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig (Zugriff am: xx.xx.20xx)
(Kurzzitation)
https://thesaurus-linguae-aegyptiae.de/lemma/168430, in: Thesaurus Linguae Aegyptiae (Zugriff am: xx.xx.20xx)