fy-tjꜥm(Lemma-ID 861049)

Verifiziert

Persistente ID: 861049
Persistente URL: https://thesaurus-linguae-aegyptiae.de/lemma/861049


Lemma-Liste: Hieroglyphisch/Hieratisch

Wortklasse: Substantiv (mask.)


Übersetzung

de Sandotter

en sand viper (Vipera ammodytes)


Bezeugung im TLA-Textkorpus


Belegzeitraum im TLA-Textkorpus: von 664 v.Chr. bis 526 v.Chr.


Bibliographie

  • Sauneron, Ophiologie, 152 f.
  • Leitz, Schlangennamen, 108 ff.


Digitale Verweise

Alt-TLA 861049

Kommentare

fy-tjꜥm: Eine aus zwei Bestandteilen zusammengesetzter Schlangenname: aus dem generische fy (s. https://thesaurus-linguae-aegyptiae.de/lemma/870392, in: Thesaurus Linguae Aegyptiae (Zugriff am: 6.9.2023) und dem diskutablen Bestandteil tjꜥm. Sauneron, Ophiologie, 152-153 mit Anm. 8 interpretiert Letzteren ebenfalls als Zusammensetzung und vermutet in tj eine Schreibung von tꜣ-n.t: „die von“, koptisch ⲧⲁ- (und demotisch ta) (https://thesaurus-linguae-aegyptiae.de/lemma/550052, in: Thesaurus Linguae Aegyptiae (Zugriff am: 6.9.2023)). In ꜥm sieht er ferner das Wort ꜥꜣm: „Asiat“ (https://thesaurus-linguae-aegyptiae.de/lemma/35400, in: Thesaurus Linguae Aegyptiae (Zugriff am: 6.9.2023)) und interpretiert den zweiten Bestandteil der Schlangenbezeichnung daher als „celle-des-gens d’Asie“.
Es liegt ihm zufolge eine feminine Tierbezeichnung vor, deren maskulines Gegenstück die kꜣ-n-ꜥm-Schlange von Brk § 18 (https://thesaurus-linguae-aegyptiae.de/lemma/861044, in: Thesaurus Linguae Aegyptiae (Zugriff am: 6.9.2023)) sei. Beide Schlangen identifiziert er vorschlagsweise als Persische Trughornviper (Vipera persica fieldi bzw. Pseudocerastes persicus). Seiner Interpretation zur Wortbildung wird im Wesentlichen gefolgt. Bezüglich der Identifizierung sieht jedoch Leitz, Schlangennamen, 103-115 größere Ähnlichkeiten mit der Sandotter (Vipera ammodytes), während Mahlich, in: GM 263, 2021, 110-112 zu Saunerons Vorschlägen zurückkehrt und Pseudocerastes fieldi vorschlägt (synonym zu Saunerons Vorschlägen, s. http://reptile-database.reptarium.cz/species?genus=Pseudocerastes&species=persicus, Zugriff 07.03.2023). Dagegen trennt Brix, Faune ophidienne, Bd. 2, 516-527 und 562-572 beide Schlangenbezeichnungen. Sie versteht die fy-tjꜥm als Avicennaviper (Cerastes vipera) und nur die kꜣ-n-ꜥm als Persische Trughornviper. Bei Letzterer hält sie es sogar für denkbar, dass der Namensbestandteil ꜥm sich gar nicht auf den „Asiaten“ bezieht (den sie a.a.O. gar nicht diskutiert), sondern vielleicht auf die Ortsbezeichnung ꜥmw, https://thesaurus-linguae-aegyptiae.de/lemma/860632, in: Thesaurus Linguae Aegyptiae (Zugriff am: 6.9.2023), oder dass nꜥm ein Fremdwort sein könnte.
Tatsächlich sind an Saunerons Erklärung des Namens Zweifel angebracht. So fällt auf, dass weder fy-tjꜥm noch kꜣ-n-ꜥm mit dem für ꜥꜣm: „Asiat“ typischen Schlagstock geschrieben ist. Außerdem ist der Name der ersteren Schlange in jedem Falle maskulin, wie nicht nur der syntaktische Kopf des Kompositums, fy, anzeigt, sondern auch das auf diesen Namen rückverweisende Personalpronomen =f in Brk § 22. Diese Faktoren nimmt auch Sauneron zur Kenntnis. Er möchte das Pronomen =f auf fy beziehen – was allerdings seiner Idee widerspricht, der Schlangenname meine den weiblichen Vertreter einer Schlangenart, wie es durch das anschließende tj- = tꜣ-n.t angezeigt ist. Ebenso wenig überzeugen kann Mahlich, in: GM 263, 2021, 111, Anm. 12, die diesem =f mit Verweis auf Junge, Näg. Gr., 54 eine neutrische Qualität zuspricht oder es auf das implizit an dieser Stelle zu denkende Wort ḥfꜣ.w beziehen möchte. Denn in den anderen Paragraphen des Schlangenbuches kongruiert das Pronomen immer mit dem grammatischen Geschlecht des Schlangennamens.
Das heißt, es ist zwar nicht auszuschließen, dass – vielleicht nur rein zufällig – die Ägypter eine Schlangenart mit auffälligem Geschlechtsdimorphismus für zwei verschiedene Arten gehalten und ihnen zwei verschiedene Namen gegeben haben könnten, so dass fy-tjꜥm natürlich auch ein bestimmtes Geschlecht (wie auch ein bestimmtes Lebensstadium o.a.) einer Schlangenart bezeichnen könnte. Aber es ist doch zweifelhaft, dass sie einerseits den weiblichen Vertreter einer Art eben als konkret weibliche Variante – tꜣ-n.t-ꜥ(ꜣ)m – erkannt, ihr am Ende aber doch einen Namen im generischen, d.h. beide Geschlechter umfassenden, Maskulinum (fy-...) gegeben haben sollten.
Möchte man den Namen der fy-tjꜥm-Schlange erklären, so wäre unter Umständen auch die tjꜥm-Pflanze aus den medizinischen Texten zu berücksichtigen (https://thesaurus-linguae-aegyptiae.de/lemma/169940, in: Thesaurus Linguae Aegyptiae (Zugriff am: 6.9.2023)). Vgl. Ähnliches bei Westendorf, in: Fs Winter, 265-267, der beim Benennungsmotiv der qꜣdj-Schlange einen Zusammenhang mit der qꜣd.t-Pflanze für möglich hält. Ebenso könnte man an einen Zusammenhang zwischen der fy-tjꜥm-Schlange und der tjꜥm-Pflanze denken. Wie in ersterem Fall bliebe jedoch auch bei letzterem das Tertium comparationis noch zu eruieren.

Literatur:
– N.P. Brix, Étude de la faune ophidienne de l’Égypte ancienne (Paris 2010).
– F. Junge, Einführung in die Grammatik des Neuägyptischen (Wiesbaden 1996).
– C. Leitz, Die Schlangennamen in den ägyptischen und griechischen Giftbüchern, Akademie der Wissenschaften und der Literatur: Abhandlungen der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Klasse 6 (Stuttgart 1997).
– E. Mahlich, Zu einigen Schlangenbezeichnungen in Pap. Brooklyn 47.218.48 und 85, in: Göttinger Miszellen 263, 2021, 109-118.
– S. Sauneron, Un traité égyptien d’ophiologie. Papyrus du Brooklyn Museum No. 47.218.48 et .85, Bibliothèque générale 11 (Le Caire 1989).
– W. Westendorf, Schlange und Schlangenkraut, in: M. Minas, et al. (Hrsg.), Aspekte spätägyptischer Kultur. Festschrift für Erich Winter zum 65. Geburtstag, Aegyptiaca Treverensia. Trierer Studien zum Griechisch-Römischen Ägypten 7 (Mainz 1994), 265-267.

L. Popko, 06. September 2023.

Autor:in des Kommentars: Strukturen und Transformationen; Datensatz erstellt: 06.09.2023, letzte Revision: 06.09.2023


Editor:innen: Altägyptisches Wörterbuch; unter Mitarbeit von: Simon D. Schweitzer, Andrea Sinclair
Datensatz erstellt: vor Juni 2015 (1992–2015), letzte Revision: 06.06.2023
Redaktionsstatus: Verifiziert

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"fy-tjꜥm" (Lemma-ID 861049) <https://thesaurus-linguae-aegyptiae.de/lemma/861049>, ediert von Altägyptisches Wörterbuch, unter Mitarbeit von Simon D. Schweitzer, Andrea Sinclair, in: Thesaurus Linguae Aegyptiae, Korpus-Ausgabe 18, Web-App-Version 2.1.5, 26.7.2024, hrsg. von Tonio Sebastian Richter & Daniel A. Werning im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften und Hans-Werner Fischer-Elfert & Peter Dils im Auftrag der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig (Zugriff am: xx.xx.20xx)
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