pTurin Cat. 1775(Object ID 2VDGDCAJDBDLHBNG5JSKHHSHHU)


Persistent ID: 2VDGDCAJDBDLHBNG5JSKHHSHHU
Persistent URL: https://thesaurus-linguae-aegyptiae.de/object/2VDGDCAJDBDLHBNG5JSKHHSHHU


Data type: Object


Further designations / translations

  • CGT 54013
  • it
    papiro del gioco


Object type: Schriftrolle


Materials: Papyrus

Dimensions (H×W(×D)): 8.5 × 75 cm


Production technique: Binse


Condition: fragmentarisch


  • Finding place

    • (unbekannt)
      Certainty: certain
      Comment on this place: Ein genauer Herkunftsort kann für den Papyrus nicht bestimmt werden. Da aber das thebanische Westufer einen der Fokuspunkte von Drovettis Aktivitäten zur Gewinnung ägyptischer Altertümer darstellte und gut erhaltene Papyri sich bislang sicher nur auf eine Herkunft aus thebanischen Gräbern zurückverfolgen lassen (Helck 1982, 732; Quirke 1996, 390), liegt die Vermutung nahe, dass der Papyrus ursprünglich ebenfalls dort gefunden wurde. Die eng mit dem thebanischen Raum verbundenen Textparallelen im thebanischen Grab TT359 des Inherchau, auf den aus Deir el-Bahari stammenden Särgen N./Ch. 6047a (alt: CG 6108) und N./Ch. 6048a (alt: CG 6101-6102) (Niwiński 1996, 73-74) sowie auf dem „mythologischen“ Amduat-Papyrus P. Kairo 107 (Piankoff – Rambova 1957, 109-116 und Nr. 10) sprechen ebenfalls für eine Provenienz aus der Thebais. Jüngere Grabungen in Deir el-Medina konnten zudem immer wieder die Zusammengehörigkeit von Papyrus-Neufunden und Papyri des Bestandes im Museo Egizio in Turin zeigen (Haring 2018, 44). Eine Unterstützung dieser Herkunftshypothese auf paläographischer Basis fällt schwer, da der Brettspieltext in „reduzierten“ Hieroglyphen verfasst ist, die weder eine exakte Datierung noch eine sichere geographische Zuweisung erlauben; eine offensichtliche Nähe besteht indes zur Paläographie der hieroglyphischen Texte in thebanischen Privatgräbern (vgl. dazu vor allem Haring 2007 für das Grab des Sennedjem, TT 1). Die kurzen hieratischen Passagen auf beiden Seiten des Papyrus enthalten keine zur näheren Bestimmung geeigneten Zeichen.


Current location

  • Museo Egizio
    Inventory no(s).: Cat. 1775
    Is at this location: Yes
    Comment on this place:
    Der Papyrus wurde als Teil der Sammlung Drovetti im Jahr 1824 zusammen mit anderen Aegyptiaca, darunter 270 weitere Papyri, von der Regierung des Königreiches Sardinien für das im Entstehen begriffene Museo Egizio in Turin angekauft (Moiso – Montonati 2024, 3; 7-8). Wie genau der Papyrus in Drovettis Besitz gelangte, ist unbekannt. Während seiner Zeit als französischer Generalkonsul in Ägypten (1803-1815 und 1821-1829) unterhielt Drovetti Kontakt zu mehreren Grabungsagenten und Antiquitätenhändlern, vor allem in und um Luxor (Bierbrier 2012, 161; Roccati 2019, 12; Ridley 1998, 73; 75-76). Der Ankaufszeitpunkt des entsprechenden Teils der Sammlung im Jahre 1824 kann als absoluter terminus ante quem für die Auffindung des Papyrus gelten, der Beginn seiner Sammlertätigkeit im Jahre 1811 (Bierbrier 2012, 161) als terminus post quem für die Erwerbung des Papyrus durch Drovetti.


Dating: 20. Dynastie

Comment on dating:

  • In Ermangelung eines archäologischen Kontextes können lediglich Indizien, die sich aus dem Papyrus selbst ableiten, zur Datierung herangezogen werden. Ein signifikantes Kriterium stellt diesbezüglich das Format, konkret: die Blatthöhe, dar, die hier nach Pusch 1979, 388 ursprünglich 10-15 cm (bei heute noch erhaltenen 8,2-8,5 cm) betrug und damit auf eine geviertelt verwendete Buchrolle von ursprünglich 42-47 cm hindeutet, wie sie in der 20. Dynastie in Gebrauch war (Helck 1974, 3; Eyre 2013, 24). Der Textinhalt verweist hinsichtlich seines Genres und spezifisch hinsichtlich der überlieferten Textversion, die eine Parallele zu den Brettspieltexten des P. Kairo JE 58037 und aus dem Grab TT 359 (beide sehr wahrscheinlich in die erste Hälfte der 20. Dynastie datierend) bildet, ebenfalls in die 20. Dynastie. Der Text macht überwiegend von einer klassisch-mittelägyptischen Grammatik Gebrauch, lediglich einzelne Aspekte der Lexik, etwa die Benutzung des Verbs jsq „zurückhalten“ (s. DZA 21.305.070) und der Graphie (z. B. die Schreibung tj für tꜣ in tꜣ-n.t) sowie die – abweichend – nach neuägyptischer Grammatik verfasste Passage in vso. III,2-3 weisen auf einen Kompositionszeitraum von der 18. Dynastie bis zum Ende der 20. Dynastie hin. Wiederum ist es schwierig, auf der Basis der Paläographie des hieroglyphischen Textes Aussagen über die Datierung zu treffen; die bereits erwähnte Nähe zu den Zeichenformen des Grabes des Sennedjem (TT 1), das in die 19. Dynastie datiert (Bruyère 1959, 73-75; Haring 2006, 3), sowie wohl generell zu den Hieroglyphen der thebanischen Privatgräber spricht lediglich für eine grobe Einordnung in die Ramessidenzeit. Die hieratischen Passagen sind zu kurz für eine exakte paläographische Bestimmung. Zumindest scheint die Form der pꜣ-Ligatur in der Phrase pꜣy=st ḥr.wj „ihre Oberseite“ recht ungewöhnlich zu sein, sie findet sich so ähnlich jedoch unter Sethos II., Siptah/Tausret und Ramses III. (s. Wimmer 1995, 145). Insgesamt sprechen die verfügbaren Indizien damit für eine wahrscheinliche Niederschrift des Textes in der ersten Hälfte der 20. Dynastie.


Description

  • Der Papyrus war ursprünglich beidseitig beschrieben, wobei das papyrologische Recto drei verschiedene Spielbrettdarstellungen und das Verso einen hieroglyphischen Text trägt, und ist heute in mehrere Fragmente zerfallen. Entsprechend dem aktuellen Restaurierungsstatus sind elf größere sowie mindestens zwei kleinere Bruchstücke zu unterscheiden (Pusch 1979, 388). Die größeren Fragmente messen in ihrem heutigen Zustand ca. 8,2-8,5 cm in der Höhe; ihre aufaddierte Länge beträgt ca. 61 cm, der Abstand zwischen dem linken und dem rechten erhaltenen Ende des Papyrus wiederum mindestens 74-75 cm (eigene Messung; Piccione 1990, 324-325 geht von 75 cm aus). Zur ursprünglichen Länge sind verschiedene Vermutungen geäußert worden. Pusch 1979, 388 rekonstruiert ca. 95 cm, war sich aber über die Platzierung von „Fragment Ax-Cx/Ay-Cy“ (dem relativ schmalen Fragment, das auf dem Recto die Felder 1.3 mit einer Figur der Neith vor dem Abydos-Reliquiar, 2.3 mit der Aufschrift $kꜣry$ und 3.3 ($zꜣṯ$?) zeigt) unsicher. Piccione 1990, 324-325 gibt eine rekonstruierte Gesamtlänge von ca. 92 cm an, geht aber davon aus, dass auf dem Verso jenseits des erhaltenen rechten Endes nicht viel Text verloren sein könne. Wie aber der Vergleich mit dem erhaltenen Text von P. Kairo JE 58037 III,3 zeigt, muss hier noch die gesamte Phrase $=j sw r pꜣ mw mḥi̯.y=f ḥnꜥ jbꜣ.w=f$ „ich [will] ihn ins Wasser werfen, dass er zusammen mit seinen Spielsteinen ertrinke“ gestanden haben (der Textverlust am Beginn von Kolumne IV ist dank der Textparallele auf lediglich ca. zwei Schriftquadrate zu bestimmen; in Zeile 3 müssen diese aufgrund des Textzusammenhangs für ein Subjekt, eventuell sogar für ein weiteres Verb genügen). Der zu erwartende Textverlust am Ende von Zeile 3 geht damit d'accord, so dass hier wohl insgesamt ca. 10 Schriftquadrate verloren sein müssen. Die ursprüngliche Länge des Papyrus ist damit inklusive kurzer Schutzstreifen von jeweils ca. 1 cm auf insgesamt 104-106 cm zu taxieren.
  • Nach Piccione 1990, 323-330 weisen die z. T. äußerst geraden Bruchkanten des Papyrus auf eine mehrmalige Faltung entlang dafür vorgesehener, in regelmäßigen Abständen zur Mitte des Papyrus angebrachter Falze hin. Bei einer Faltung in zwei gleichgroße Hälften hätten die beiden 30-Felder-Bretter dergestalt übereinander gelegen, dass die einzelnen Felder einander entsprochen hätten; bei einer Drehung des Papyrus über die Querachse wäre folglich das jeweils andere 30-Felder-Brett in der gleichen Ausrichtung zu sehen gewesen. Parallelen für derart zu drehende Spielbretter sind aus dem Neuen Reich bekannt. Bei einer Faltung in drei gleichgroße Drittel wiederum wäre das zentrale Spielbrett zusammen mit jeweils einem der äußeren 30-Felder-Spielbretter sichtbar gewesen. Ein Indiz für die Positionierung der Spielbrettdarstellungen über– bzw. untereinander konnte Piccione in der hieratischen Beischrift zur linken Spielbrettdarstellung ausmachen, die eine der bei einer Faltung entstehenden Seiten als „Oberseite“ ausweist. Form und Abstand einzelner Schadstellen zueinander legen darüber hinaus den Schluss nahe, dass der Papyrus mindestens einmal aufgerollt gewesen sein muss.


Cultural context: Ritual


Comment on cultural context

  • Der Papyrus ist, soweit bekannt, hinsichtlich seiner Gesamtkonzeption mit Spielbrettdarstellungen auf der einen und einem sonst nur spärlich bezeugten poetisch-religiösen Text auf der anderen Seite ein Unikat. Dementsprechend schwer fallen seine Rekontextualisierung und die Bestimmung seines ursprünglichen Verwendungszwecks. Wegen der großen Sorgfalt bei der Anlage sowohl der Spielbrettdarstellungen als auch bei der Niederschrift des hieroglyphischen (!) Textes ist grundsätzlich davon auszugehen, dass der Papyrus bereits bei seiner Fertigstellung einen hohen Wert besaß, es sich also um ein Prestigeobjekt handelte. Im Zusammenspiel mit der religiös-jenseitigen Motivik des Textes zeigt sich so eine Nähe zu zeitgenössischen Totenbuch– (hier insb. mit Spruch Tb 17) und Amduat-Handschriften; eventuell war der Papyrus selbst sogar Teil einer Grabausstattung (s. o., „Herkunft“). Die Spielbrettdarstellungen auf dem Recto sind bezüglich ihrer Größe mit „echten“ Senet-Spielen vergleichbar und wurden vielleicht tatsächlich als solche verwendet (vgl. Piccione 1990, 312-313; 321), wie auch das hieratische Rubrum auf dem Verso nahelegt. Aus der spezifischen Zuordnung des Brettspieltextes und der Spielbrettdarstellungen zueinander rekonstruierte Piccione (Piccione 1990, 311-332 und Piccione 2007, 60-61) ein religiöses Ritual, bei dem Senet gespielt und der Text rezitiert worden sei. Die Beleglage dafür ist dünn, allerdings kann das hieratische Rubrum je nach Deutung des kritischen Begriffs dwꜣ.w bzw. sbꜣ.w möglicherweise zur Unterstützung dieser Theorie herangezogen werden. Es bliebe in jedem Fall zu fragen, zu welchem Anlass ein solches Ritual begangen worden wäre. Durch die Selbstidentifikation des Ego mit einem zẖꜣ.w jp ḏ.t=f „fähigen Schreiber“ (vso. III,3) suggeriert der Text einen Bezug zum, wenn nicht gar eine Herkunft aus dem Schreibermilieu; vielleicht ist die nachfolgend beschriebene „Prüfung“ durch den Gott Mehen dem realweltlichen Vorbild einer Initiation zum Schreiberberuf nachempfunden?


Bibliography

  • – G. Seyffarth, Beiträge zur Kenntniss der Literatur, Kunst, Mythologie und Geschichte des alten Aegypten 3, Leipzig 1833, Taf. 3 [F]
  • – T. Devéria, Les jeux de dames en Égypte, in: Maspero, G. (Hrsg.), Mémoires et fragments 2, Bibliothéque Égyptologique 5, Paris 1897, 83-96 [Ü]
  • – H. Jacquet-Gordon – A. Piankoff, The Wandering of the Soul, Bollingen Series 40.VI = Egyptian Religious Texts and Representations 6, Princeton, NJ, 1974, Taf. 46 [F]
  • – E. B. Pusch, Ein zweiter Beleg für das Spielbrett Kairo JdE 68.127, in: Göttinger Miszellen 22, 1976, 54-56 [B; F]
  • – E. B. Pusch, Eine unbeachtete Brettspielart, in: Studien zur Altägyptischen Kultur 5, 1977, 200 [B; H einer der hieratischen Beischriften]
  • – E. B. Pusch, Das Senet-Brettspiel im Alten Ägypten, 2 Bde., Münchner Ägyptologische Studien 38, Berlin 1979, 328-343; 388; 392-400; Taf. 99-102 [B; F; H]
  • – A. M. Donadoni-Roveri (Hrsg.), Egyptian Civilization. Daily Life, Milan 1988, 246, fig. 349 [*P des Verso]
  • – P. A. Piccione, The Historical Development of the Game of Senet and Its Significance for Egyptian Religion, Ann Arbor 1990, 101-105; 110-154; 311-332 [*B; *H; *K; *Ü; *T]


File protocol

  • Erstaufnahme J. Jüngling, 10.02.2025


Author(s): Johannes Jüngling; with contributions by: Lutz Popko
Data file created: 09/29/2020, latest revision: 04/15/2025

Please cite as:

(Full citation)
Johannes Jüngling, with contributions by Lutz Popko, "pTurin Cat. 1775" (Object ID 2VDGDCAJDBDLHBNG5JSKHHSHHU) <https://thesaurus-linguae-aegyptiae.de/object/2VDGDCAJDBDLHBNG5JSKHHSHHU>, in: Thesaurus Linguae Aegyptiae, Corpus issue 20, Web app version 2.3.2, 10/31/2025, ed. by Tonio Sebastian Richter & Daniel A. Werning on behalf of the Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften and Hans-Werner Fischer-Elfert & Peter Dils on behalf of the Sächsische Akademie der Wissenschaften zu Leipzig (accessed: xx.xx.20xx)
(Short citation)
https://thesaurus-linguae-aegyptiae.de/object/2VDGDCAJDBDLHBNG5JSKHHSHHU, in: Thesaurus Linguae Aegyptiae (accessed: xx.xx.20xx)