pBerlin ÄMP 3059, OAD B2(Objekt-ID S2YYSGJE4RAXZHXIPLBX7IJNK4)


Persistente ID: S2YYSGJE4RAXZHXIPLBX7IJNK4
Persistente URL: https://thesaurus-linguae-aegyptiae.de/object/S2YYSGJE4RAXZHXIPLBX7IJNK4


Datentyp: Objekt


Objekttyp: Schreibblatt


Material: Papyrus

Maße (H×B(×T)): 69 × 7,6 cm


Zustand: vollständig

Kommentar zur Materialität

  • Der Papyrus ist fast vollständig erhalten, lediglich Teile der ersten vier Zeilen zu Beginn des Textes fehlen. An den Rändern der rechten Seite in den Zeilen 5 bis 15 sind auch noch wenige Zeichen verloren gegangen. Das erhaltene Hauptstück ist 7,6 cm breit und 69 cm lang. Zusätzlich hat sich noch ein kleines, ca. 2 x 1,7 cm großes Fragment aus der Mitte der ersten Zeile erhalten, dass allerdings nicht direkt an das Hauptstück anpasst.
  • Der Papyrus ist nur auf einer Seite, dem Recto, beschrieben. Auf dem Verso soll sich lediglich eine Zeile, befinden, die vermutlich den Namen des Orakelbesitzers angibt, ähnlich wie bei den Papyri pMMA 10.53 (N.Y.) und pLouvre E. 3234 (P1). Der Papyrus ist auf einen Karton aufgezogen (Kaplony-Heckel, Ägyptische Handschriften, Teil 3, 32), so dass die Rückseite nicht überprüft werden konnte.
  • Es mag zunächst etwas irritieren, dass die Seite des Textes als „Recto“ bezeichnet wird, bei der die vertikalen Fasern oben liegen. Die Oracular Amuletic Decrees sind generell auf sehr schmalen und zum Teil enorm langen Papyrusstreifen notiert worden. Wie haben die Schreiber diese Streifen hergestellt? Die einfachste Methode ist die, einen schmalen Streifen von einer bereits vorbereiteten Rolle abzuschneiden. Edwards hat bei einer Untersuchung der Klebungen Hinweise auf genau dieses Vorgehen festgestellt (Edwards, HPBM 4, Bd. 1, xii). So konnte er bei einer Reihe von Texten, Klebungen in regelmäßigen Abständen feststellen, die auf eine vorgefertigte Rolle hindeuten. Allerdings erwähnt er auch, dass es Texte gibt, die unregelmäßige Abstände bei den Klebungen aufweisen bzw. aufzuweisen scheinen (ebd.). Daraus zieht er den Schluss, dass es für die Herstellung der OAD keine festgelegte Methode gab, sondern die Schreiber vielmehr das Material verwendeten, das sie gerade zur Hand hatten; seien es Abschnitte einer Rolle, oder anderweitige Streifen, bzw. eine Kombination aus beidem. Als Beispiel eines zusammengestückelten Papyrus führt er insbesondere den Papyrus Paris BN 182 an, eben weil dieser mit einem Stück, bei dem aber die horizontalen Fasern oben liegen (Edwards, HPBM 4, Bd. 1, 27), beginnt. Ich möchte allerdings diesen Papyrus sowie auch den hier vorliegenden als wichtigen Hinweis darauf werten, dass die Schreiber in der Regel einen schmalen Streifen von einer vorbereiteten Rolle abgeschnitten haben. Das kurze Stück mit dem anderen Faserverlauf ist doch zweifelsfrei ein sog. Schutzblatt bzw. protocollon zu Beginn einer Papyrusrolle (vgl. Turner, The Terms Recto and Verso, 28–29), das in diesem Fall entgegen der allgemeinen Praxis ebenfalls beschriftet wurde. Die Klebung zeigt zudem deutlich an, dass es sich um das Recto der betreffenden Rolle handeln muss (An dieser Stelle möchte ich Nadine Quenouille für ihre papyrologische Expertise und Einschätzung sehr herzlich danken). Der Schreiber hat also den Streifen von einer neuen Rolle abgeschnitten und dann zur Beschriftung um 90 Grad gedreht. Es handelt sich also papyrologisch um eine „transversa carta“ (Turner, The Terms Recto and Verso, 29; Bülow-Jacobson, in: Oxford Handbook of Papyrology, 21–22), ähnlich wie es bei spätramessidischen Briefen zu beobachten ist (Edwards, HPBM 4, Bd. 1, xii [7] mit Verweis auf Černý, LRL, xvii-xx).


  • Fundort

    • Theben
      Gewissheit: probable
      Ist der ursprüngliche Nutzungsort: Ja
      Kommentar zu diesem Ort: Der Papyrus stammt aus der Sammlung Passalacqua (J. Passalacqua, Catalogue raisonné et historique des antiquités découvertes en Égypte, Paris 1826, 88–89 [1437]) und im Berliner Erwerbungsbuch (Nachweiszeitraum 1828–1889: https://storage.smb.museum/erwerbungsbuecher/IV_AEM-B_PAP_NC_01452-03300_LZ_1828-1889.pdf, 30.11.2023) ist als Herkunft „Theben“ angeben. Passalacqua hat 1821 bis 1825 im Asasif, Theben-West Ausgrabungen durchgeführt und dort als bemerkenswerteste Entdeckung das Grab des Gutsvorstehers Mentuhotep aus dem Mittleren Reich freigelegt (G. Steindorff, Grabfunde des Mittleren Reichs, Berlin 1896, 1). Ob seine gesamte Sammlung aus Fundstücken seiner Ausgrabungen besteht, oder ob er zusätzlich Stücke angekauft hat, wird nicht ganz klar. Es gibt also eine gute Chance, dass der Berliner Papyrus tatsächlich bei seinen Arbeiten im Asasif gefunden worden sein könnte. Doch auch wenn dies nicht der Fall gewesen ist, passt ein Ankauf des Stücks in Theben oder Luxor zu einer Provenienz des Papyrus aus dem thebanischen Raum.
      Edwards (HPBM 4, Bd. 1, xiii) geht bei den Oracular Amuletic Decrees generell von einer Herkunft aus Theben aus, die er vor allem an den in den Texten genannten Göttern festmacht. Dies gilt auch für diesen Text, da es sich bei den orakelgebenden Göttern um Mut, die Herrin von Ascheru, sowie um Chons von Theben-Neferhotep und Chons, das Kind handelt.


Aktueller Ort

  • Ägyptisches Museum und Papyrussammlung
    Inventarnummer(n): ÄMP 3059
    Ist an diesem Ort: Ja
    Kommentar zu diesem Ort:
    Der Papyrus war Bestandteil der Sammlung Passalacqua, die 1827 von König Friedrich Wilhelm III. für Berlin angekauft worden war, und ist dementsprechend im Katalog dieser Sammlung erwähnt (J. Passalacqua, Catalogue raisonné et historique des antiquités découvertes en Égypte, Paris 1826, 88–89 [1437]). Der Papyrus wird beschrieben als „petit manuscrit fermé, et qui était contenu dans une enveloppe en peau“ von 0,76 cm Höhe, d.h. zu diesem Zeitraum muss er sich noch in seinem ursprünglichen Zustand als Amulett aufgerollt in einem (Leder?)behälter befunden haben. Im Erwerbungsbuch des Berliner Museums (Nachweiszeitraum 1828–1889: https://storage.smb.museum/erwerbungsbuecher/IV_AEM-B_PAP_NC_01452-03300_LZ_1828-1889.pdf, 30.11.2023) ist allerdings zu dem Papyrus vermerkt, dass er auf Karton aufgeklebt als Tafel hergerichtet sei. Diese Bearbeitung muss also entweder vor dem Transport der Objekte nach Berlin im Juli 1827 oder im ersten Jahr im Museum erfolgt sein.
    Ein anderer Papyrus, der in Passalacquas Katalog als „aufgerollt“ beschrieben ist (Nr. 1442), wurde 1826/1827 von dem Pariser Künstler Jean-Louis Boucarut auf Karton aufgezogen (G. Lenzo, in: RdE 70, 2020, 37–41), offenbar anlässlich einer Ausstellung im Jahr 1927. Dieser Papyrus ist allerdings vor dem Verkauf an Friedrich Wilhelm III. in den Besitz einer französischen Herzogin und 2018 wieder auf den Kunstmarkt gelangt (G. Lenzo, ebd.). Einige Notizen auf dem Karton könnten von Passalacqua selst stammen (G. Lenzo, in: RdE 70, 2020, 41 mit Anm. 9), so dass man annehmen kann, dass er die Arbeiten in Auftrag gegeben haben könnte. Es ist also durchaus denkbar, dass auch der Berliner Papyrus in dieser Zeit entrollt und auf Karton aufgezogen worden sein könnte.
    Des Weiteren ist im Berliner Erwerbungsbuch für den hier vorgestellten Papyrus als Herkunft „Theben“ angeben. Passalacqua hat 1821 bis 1825 im Asasif, Theben-West verschiedene Ausgrabungen durchgeführt und dort als bemerkenswerteste Entdeckung das Grab des Gutsvorstehers Mentuhotep aus dem Mittleren Reich freigelegt (G. Steindorff, Grabfunde des Mittleren Reichs, Berlin 1896). Ob seine gesamte Sammlung aus Fundstücken seiner Ausgrabungen besteht, oder ob er zusätzlich Stücke angekauft hat, wird nicht ganz klar. Es gibt also eine gute Chance, dass der Berliner Papyrus tatsächlich im Asasif gefunden worden sein könnte. Doch auch wenn dies nicht der Fall gewesen ist, passt ein Ankauf des Stücks in Theben oder Luxor zu einer Provenienz des Papyrus aus dem thebanischen Raum.


Datierung: 21. Dynastie  –  22.–23. Dynastie

Kommentar zur Datierung:

  • Edwards (HPBM 4, Bd. 1, xiii–xiv) geht von einer Datierung des gesamten Korpus der Amulettpapyri mit Orakeldekreten in die 22./23. Dynastie aus. Ein einziger Text (L7: pBM EA 10730) liefert einen Hinweis auf die Datierung, denn er ist für einen Prinzen und zukünftigen General in der Armee eines Königs Osorkon geschrieben, bei dem es sich nach Edwards (HPBM 4, Bd. 1, xiv) und Ritner (The Libyan Anarchy, 74) vermutlich um Osorkon I. handeln dürfte, während Jacquet-Gordon (in: GS Sauneron I, 175, n. 5; Ead., in: BiOr 20, 1963, 32) und ihr folgend Verhoeven (Buchschrift, 13) von Osorkon II. ausgehen. Diese Datierung basiert auf Textparallelen im Text auf einer Statue aus Tanis (Kairo CG 1040 + CG 881 + Philadelphia E 16159: s. Jacquet-Gordon, in: JEA 46, 1960, 23), die ursprünglich für Sethos I. angefertigt und für Osorkon II. wiederverwendet und neu beschriftet wurde (s. Sourouzian, in: FS Gaballa, 97–105). Der Text L7 wäre also in die 22. Dynastie, oder für den Fall, dass es sich ungeachtet der Parallelen doch um einen späteren Osorkon handeln würde, spätestens in die 23. Dynastie zu datieren. Nach Koenig (in: CRIPEL 9, 1987, 31) ist aufgrund der Paläographie sowie spezifischer Schreibungen mindestens für einen Teil der Texte, den hier bearbeiteten nicht mit eingeschlossen, eine Datierung in die 21. Dynastie anzunehmen.


Beschreibung

  • Amulettpapyri wie der hier vorliegende Text wurden aufgerollt in einem kleinen Behälter, der aus Leder, Holz oder Metall gearbeitet sein konnte (vgl. Ray, in: JEA 58, 1972, 151–153; Bourriau/Ray, in: JEA 61, 1975, 257–258), um den Hals getragen und diente somit als Apotropaion (vgl. hierzu Roß, Schutz von Kindern, 40–44). Die Amulette wurden vermutlich in erster Linie für Kinder hergestellt (vgl. Roß, Schutz von Kindern, 26–36; Adderly, Personal Religion, 193; Edwards, HPBM 4, xvi), wobei es Hinweise darauf gibt, dass es sich um Säuglinge oder sehr junge Kinder gehandelt haben könnte (Roß, ebd.). Wilfong (in: JEA 99, 2013, 295–300) geht davon aus, dass die Länge des beschrifteten Papyrusstreifens mit der Größe des Kindes korreliert werden kann. Mittlerweile ist auch ein Orakeldekret für eine schwangere Frau belegt (pIFAO H40: Koenig, in: BIFAO 118, 2018, 233–239), doch ist der Text leider nur fragmentarisch erhalten, so dass keine Rückschlüsse auf die ursprüngliche Länge des Dokumentes erzielt werden können.


Besitzer: Privatperson


Bibliographie

  • – H.-W. Fischer-Elfert. Berlin P. 3059: Ein Orakeldekret von Amun, Mut und Chons zugunsten eines Djedchonsefanch, Sohnes einer My, in: H.-W. Fischer-Elfert, Magika Hieratika in Berlin, Hannover, Heidelberg und München, ÄOP 2, Berlin 2015, 82–95. [*T, *P, *Ü, *K]
  • – M. Müller. Rez. Fischer-Elfert. Magika Hieratika, in: LingAeg 23, 2015, 333. [K]
  • – D. Meeks. Rez. Fischer-Elfert. Magika Hieratika, in: CdE 91/181, 2016, 81. [K]
  • – J. Passalacqua. Catalogue raisonné et historique des antiquiteés découvertes en Égypte. Paris 1826, 437 [1437]. [Erwähnung]
  • – U. Luft. Aus der Geschichte der Berliner Papyrus-Sammlung. Erwerbungen und Ankäufe orientalischer Papyri zwischen 1828 und 1861. In: Archiv für Papyrusforschung und verwandte Gebiete (AfP) 22/23, 1974, 10 [16]. [Erwähnung]
  • – U. Kaplony-Heckel. Ägyptische Handschriften. Teil 3. VOHD XIX.3. Wiesbaden 1986, 32 [44]. [Erwähnung]
  • – L. Coulon. Rez. Fischer-Elfert. Magika Hieratika, in: OLZ 113, 2018, 118. [Erwähnung]
  • – I. E. S. Edwards. Hieratic Papyri in the British Museum. Fourth Series: Oracular Amuletic Decrees of the Late New Kingdom I. Text. London 1960, xi–xxiii.
  • – T. G. Wilfong. The Oracular Amuletic Decrees: A Question of Length. In: JEA 99, 2013, 295–300. [K]
  • – A. Grams. Der Gefahrenkatalog in den Oracular Amuletic Decrees. In: SAK 46, 2017, 55–100. [K]
  • – A. Roß. Der Schutz von Kindern im alten Ägypten. Die religiösen und soziokulturellen Aspekte der Oracular Amuletic Decrees. GM Beihefte 17. Göttingen 2019. [K]


Datensatz-Protokoll

  • Ersteingabe: Anke Blöbaum, 16. November 2023


Autor:innen: Anke Blöbaum
Datensatz erstellt: 16.11.2023, letzte Revision: 26.09.2024

Bitte zitieren als:

(Vollzitation)
Anke Blöbaum, "pBerlin ÄMP 3059" (Objekt-ID S2YYSGJE4RAXZHXIPLBX7IJNK4) <https://thesaurus-linguae-aegyptiae.de/object/S2YYSGJE4RAXZHXIPLBX7IJNK4>, in: Thesaurus Linguae Aegyptiae, Korpus-Ausgabe 19, Web-App-Version 2.2.0, 5.11.2024, hrsg. von Tonio Sebastian Richter & Daniel A. Werning im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften und Hans-Werner Fischer-Elfert & Peter Dils im Auftrag der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig (Zugriff am: xx.xx.20xx)
(Kurzzitation)
https://thesaurus-linguae-aegyptiae.de/object/S2YYSGJE4RAXZHXIPLBX7IJNK4, in: Thesaurus Linguae Aegyptiae (Zugriff am: xx.xx.20xx)