pLouvre E 8083, OAD P2(Objekt-ID YM76KDG3RJCUPJGRMNKKC45JR4)


Persistente ID: YM76KDG3RJCUPJGRMNKKC45JR4
Persistente URL: https://thesaurus-linguae-aegyptiae.de/object/YM76KDG3RJCUPJGRMNKKC45JR4


Datentyp: Objekt


Objekttyp: Schreibblatt


Material: Papyrus

Maße (H×B(×T)): 46 × 8,2 cm


Zustand: fragmentarisch

Kommentar zur Materialität

  • Der Text ist nicht vollständig erhalten. Zu Beginn des Textes auf dem Recto fehlt ein geringer Teil, vielleicht ein bis zwei Zeilen, weitere drei Zeilen weisen Schäden auf. Auch am Ende des Recto, und damit auch zu Beginn des Verso ist etwas Text verloren. Edwards (HPBM 4, Bd. 1, 81) vermutet, dass es sich auch hier um nur wenige Zeilen handeln dürfte. Der erhaltene Teil ist 46 cm lang und 8,2 cm breit.
  • Der Text beginnt wie die meisten anderen Oracular Amuletic Decrees auf der Seite des Papyrusstreifens, auf dem die vertikalen Fasern oben liegen. Es mag zunächst etwas irritieren, dass die Seite des Textes als „Recto“ bezeichnet wird, bei der die vertikalen Fasern oben liegen (Recto, transversa carta). Anmerkung: Der Text beginnt auf der Seite des Papyrusstreifens, auf dem die vertikalen Fasern oben liegen. Es mag zunächst etwas irritieren, dass die Seite des Textes als „Recto“ bezeichnet wird, bei der die vertikalen Fasern oben liegen. Die Oracular Amuletic Decrees sind generell auf sehr schmalen und zum Teil enorm langen Papyrusstreifen notiert worden. Wie haben die Schreiber diese Streifen hergestellt? Die einfachste Methode ist die, einen schmalen Streifen von einer bereits vorbereiteten Rolle abzuschneiden. Edwards hat bei einer Untersuchung der Klebungen Hinweise auf genau dieses Vorgehen festgestellt (Edwards, HPBM 4, Bd. 1, xii). So konnte er bei einer Reihe von Texten, Klebungen in regelmäßigen Abständen feststellen, die auf eine vorgefertigte Rolle hindeuten. Allerdings erwähnt er auch, dass es Texte gibt, die unregelmäßige Abstände bei den Klebungen aufweisen bzw. aufzuweisen scheinen (ebd.). Daraus zieht er den Schluss, dass es für die Herstellung der OAD keine festgelegte Methode gab, sondern die Schreiber vielmehr das Material verwendeten, das sie gerade zur Hand hatten; seien es Abschnitte einer Rolle, oder anderweitige Streifen, bzw. eine Kombination aus beidem. Als Beispiel eines zusammengestückelten Papyrus führt er insbesondere Papyrus London BM EA 10320 (L4) an (ebd.). Dieser Papyrus beginnt mit einem Stück auf dem neun Zeilen des Textes erhalten sind, bei dem aber die horizontalen Fasern oben liegen Dieses Stück ist an den Streifen mit vertikalen Fasern angeklebt (Edwards, HPBM 4, Bd. 1, 27). Genau diesen Papyrus möchte ich allerdings als wichtigen Hinweis dafür benennen, dass die Schreiber in der Regel einen schmalen Streifen von einer vorbereiteten Rolle abgeschnitten haben. Das kurze Stück mit dem anderen Faserverlauf ist doch zweifelsfrei ein sog. Schutzblatt bzw. „protocollon“ zu Beginn einer Papyrusrolle (vgl. Turner, The Terms Recto and Verso, 28–29), das in diesem Fall entgegen der allgemeinen Praxis ebenfalls beschriftet wurde. Die Klebung zeigt zudem deutlich an, dass es sich um das Recto der betreffenden Rolle handeln muss (An dieser Stelle möchte ich Nadine Quenouille für ihre papyrologische Expertise und Einschätzung sehr herzlich danken). Der Schreiber hat also den Streifen von einer neuen Rolle abgeschnitten und dann zur Beschriftung um 90 Grad gedreht. Es handelt sich also papyrologisch um eine „transversa carta“ (Turner, The Terms Recto and Verso, 29; Bülow-Jacobson, in: Oxford Handbook of Papyrology, 21–22), ähnlich wie es bei spätramessidischen Briefen zu beobachten ist (Edwards, HPBM 4, Bd. 1, xii [7] mit Verweis auf Černý, LRL, xvii-xx).


  • Fundort

    • Theben
      Gewissheit: probable
      Kommentar zu diesem Ort: Die genaue Herkunft des Papyrus ist nicht bekannt. Edwards (HPBM 4, Bd. 1, xiii) geht von einer Herkunft aus Theben aus, die er vor allem an den im Text genannten Göttern festmacht. Die Götter, die das Orakel geben, sind nicht komplett erhalten. Es handelt sich vermutlich um Amun-Re, Mut sowie Chons in Theben, Neferhotep, so dass eine Verortung nach Theben gesichert ist.
      Der Name der Besitzerin, Nestairetrau, ist eher ungewöhnlich. Zwei weitere Personen mit diesem Namen sind belegt (Janes, The Amasis Collection, 108), die beide in der thebanischen Region zu verorten sind (Janes, The Amasis Collection, 106–107; Niwiński, 21st Dynasty Coffins, 107 [21].


Aktueller Ort

  • Musée du Louvre
    Inventarnummer(n): E 8083
    Ist an diesem Ort: Ja
    Kommentar zu diesem Ort:
    Der Papyrus wurde am 10.03.1887 von Adolphe Cattaui (vgl. Bierbrier, Who was who, 5. überarbeitete Auflage, 93) an den Louvre verkauft. Der P56852apyrus ist aktuell in die Dauerausstellung des Louvre integriert (Sully, Saal 317: Les dieux et la magie, Vitrine 2).


Datierung: 21. Dynastie  –  22.–23. Dynastie

Kommentar zur Datierung:

  • Edwards (HPBM 4, Bd. 1, xiii–xiv) geht von einer Datierung des gesamten Korpus der Amulettpapyri mit Orakeldekreten in die 22./23. Dynastie aus. Ein einziger Text (L7: pBM EA 10730) liefert einen Hinweis auf die Datierung, denn er ist für einen Prinzen und zukünftigen General in der Armee eines Königs Osorkon geschrieben, bei dem es sich nach Edwards (HPBM 4, Bd. 1, xiv) und Ritner (The Libyan Anarchy, 74) vermutlich um Osorkon I. handeln dürfte, während Jacquet-Gordon (in: GS Sauneron I, 175, Anm. 5; Ead., in: BiOr 20, 1963, 32) und ihr folgend Verhoeven (Buchschrift, 13) von Osorkon II. ausgehen. Diese Datierung basiert auf Textparallelen im Text auf einer Statue aus Tanis (Kairo CG 1040 + CG 881 + Philadelphia E 16159: s. Jacquet-Gordon, in: JEA 46, 1960, 23), die ursprünglich für Sethos I. angefertigt und für Osorkon II. wiederverwendet und neu beschriftet wurde (Sourouzian, in: FS Gaballa, 97–105). Der Text L7 wäre also in die 22. Dynastie, oder für den Fall, dass es sich ungeachtet der Parallelen doch um einen späteren Osorkon handeln würde, spätestens in die 23. Dynastie zu datieren. Nach Koenig (in: CRIPEL 9, 1987, 31) ist aufgrund der Paläographie sowie spezifischer Schreibungen mindestens für einen Teil der Texte, den hier bearbeiteten nicht mit eingeschlossen, eine Datierung in die 21. Dynastie anzunehmen.


Beschreibung

  • Amulettpapyri wie der hier vorliegende Text wurden aufgerollt in einem kleinen Behälter, der aus Leder, Holz oder Metall gearbeitet sein konnte (vgl. Ray, in: JEA 58, 1972, 151–153; Bourriau/Ray, in: JEA 61, 1975, 257–258), um den Hals getragen und diente somit als Apotropaion (vgl. hierzu Roß, Schutz von Kindern, 40–44). Die Amulette wurden vermutlich in erster Linie für Kinder hergestellt (vgl. Roß, Schutz von Kindern, 26–36; Adderly, Personal Religion, 193; Edwards, HPBM 4, xvi), wobei es Hinweise darauf gibt, dass es sich um Säuglinge oder sehr junge Kinder gehandelt haben könnte (Roß, ebd.). Wilfong (in: JEA 99, 2013, 295–300) geht davon aus, dass die Länge des beschrifteten Papyrusstreifens mit der Größe des Kindes korreliert werden kann. Mittlerweile ist auch ein Orakeldekret für eine schwangere Frau belegt (pIFAO H40: Koenig, in: BIFAO 118, 2018, 233–239), doch ist der Text leider nur fragmentarisch erhalten, so dass keine Rückschlüsse auf die ursprüngliche Länge des Dokumentes erzielt werden können.


Besitzer: Privatperson


Bibliographie

  • – I. E. S. Edwards. Hieratic Papyri in the British Museum. Fourth Series: Oracular Amuletic Decrees of the Late New Kingdom I. Text. London 1960, 81–83. [*Ü, *K]
  • – I. E. S. Edwards. Hieratic Papyri in the British Museum. Fourth Series: Oracular Amuletic Decrees of the Late New Kingdom II. Plates. London 1960, pl. XXX–XXXI. [*T, *P]
  • – B. André-Leicknam, Chr. Ziegler, Christiane (Hrsg.). Naissance de l’écriture: cunéiformes et hiéroglyphes. Galeries nationales du Grand Palais. Paris 1982, 301 [256]. [P]
  • – M. Étienne. Heka: Magie et envoûtement dans l’Égypte ancienne. cat. exp. Musée du Louvre. Paris 2000, 54–55 [139]. [P Recto]
  • – F. Gombert-Meurice/F. Payraudeau, (Hrsg.). Servir les dieux d'Egypte: Divines Adoratrices, Chanteuses et Prêtres d’Amon à Thèbes. Musée de Grenoble, Paris 2018, 190 [99]. [P]
  • – T. Deveria. Catalogue des manuscrits égyptiens au Musée égyptien du Louvre. Paris 1872, 178 [VIII, 9]. [Erwähnung]
  • – M. Bellion. Égypte ancienne: catalogue des manuscrits hiéroglyphiques et hiératiques et des dessins, sur papyrus, cuir ou tissu, publies ou signalés. Paris 1987, 221. [Erwähnung]
  • – T. G. Wilfong. The Oracular Amuletic Decrees: A Question of Length. In: JEA 99, 2013, 295–300. [K]
  • – A. Grams. Der Gefahrenkatalog in den Oracular Amuletic Decrees. In: SAK 46, 2017, 55–100. [K]
  • – A. Roß. Der Schutz von Kindern im alten Ägypten. Die religiösen und soziokulturellen Aspekte der Oracular Amuletic Decrees. GM Beihefte 17, Göttingen 2019. [K]


Digitale Verweise

Trismegistos 56852

Datensatz-Protokoll

  • Ersteingabe: Anke Blöbaum, 12. November 2022


Autor:innen: Anke Blöbaum
Datensatz erstellt: 12.11.2022, letzte Revision: 12.10.2023
Redaktionsstatus: Verifiziert

Bitte zitieren als:

(Vollzitation)
Anke Blöbaum, "pLouvre E 8083" (Objekt-ID YM76KDG3RJCUPJGRMNKKC45JR4) <https://thesaurus-linguae-aegyptiae.de/object/YM76KDG3RJCUPJGRMNKKC45JR4>, in: Thesaurus Linguae Aegyptiae, Korpus-Ausgabe 18, Web-App-Version 2.1.5, 26.7.2024, hrsg. von Tonio Sebastian Richter & Daniel A. Werning im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften und Hans-Werner Fischer-Elfert & Peter Dils im Auftrag der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig (Zugriff am: xx.xx.20xx)
(Kurzzitation)
https://thesaurus-linguae-aegyptiae.de/object/YM76KDG3RJCUPJGRMNKKC45JR4, in: Thesaurus Linguae Aegyptiae (Zugriff am: xx.xx.20xx)