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- nḏri̯: Drei grammatische Interpretationen wurden für die Verbalform vorgeschlagen. (1) Breasted, Surgical Papyrus, 226 geht von einem Kopierfehler aus und emendiert zu nḏri̯〈.ḫr=k〉 wegen der ganz ähnlichen Formulierung in Fall 26 (Kol. 9.8): nḏri̯.ḫr=k wbnw pf 〈m〉 jdr, zumal in beiden Fällen ein sḏm.ḫr=f vorangeht. (2) Für Grundriss IV/2, 144, Anm. 1 ist dies nicht erforderlich und die vorangehende sḏm.ḫr=f-Form wird mit einem passiven sḏm=f mit optativischer Bedeutung fortgesetzt (ebenso Westendorf, Grammatik, 181, § 251). (3) Brawanksi, in: SAK 35, 2006, 47, Anm. 2 und Sanchez/Meltzer, Edwin Smith Papyrus, 105 übersetzen nḏri̯ mit einem Imperativ. Inhaltlich ändert sich nicht viel bei den unterschiedlichen Konstruktionen. Interessant ist jedoch, daß diese therapeutische Maßnahme der Wundversorgung noch vor der Feststellung der Diagnose geschieht, also eigentlich nicht zur eigentlichen Therapie für diesen Fall gehört (siehe Brawanski, in: SAK 35, 2006, 48).
Das Verb nḏri̯ bedeutet "fassen, packen u.ä." (Wb. II, 382-383). In medizinischen Texten wird eine Wunde mit abstehenden Wundrändern (eine klaffende Wunde) mit einem Verband oder einem jdr "gepackt". Für Breasted, Surgical Papyrus, 226 und MedWb I, 499-500 (zuvor schon Wb. II, 383.2: "eine Wunde mit (m) einem Verband zusammenfassen") wird deshalb die konkrete Bedeutung "to draw together" bzw. "zusammenfassen" vorliegen. Breasted, Surgical Papyrus, 226 führt die Bedeutung "to close (a door)" an als Unterstützung für die von ihm angesetzte Bedeutung "to close up", "to draw together", aber es ist sehr fraglich, ob nḏri̯ ꜥrr.wt in Spruch 255 der Sargtexte (CT III, 364 = DZA 25.678.770) tatsächlich als "zuziehen" zu verstehen ist. Leicht abweichende Übersetzungen sind "to fasten" (Allen) und "to hold fast" (Sanchez/Meltzer), d.h. "festmachen" bzw. "festhalten".
- n=f: Bezieht sich laut Brawanski, in: SAK 35, 2006, 47, Anm. 3 auf die Wunde (ebenso in der Übersetzung bei Grundriß IV/1, 180), aber in anderen Übersetzungen bezieht es sich auf den Patienten (Lefebvre, Essai sur la médecine égyptienne, 185; Westendorf, Papyrus Edwin Smith, 49; Westendorf, Handbuch Medizin, 721; Allen; Sanchez/Meltzer).
- jdr/jd〈r〉: Kommt fast nur in pEdwin Smith vor und wird teils mit einem Rinderohr (Lesung jd; phonetisches Determinativ), teils mit einem Verband(?), einer Bandage(?) (Hieroglyphe Gardiner Sign-list V37; Identifikation des Zeichens unsicher) geschrieben. Die Wurzel findet sich sowohl in einem Verb jd(r) als auch in einem Substantiv (jdr/jd). Der Kontext betrifft Wunden (wbn.w) mit offenen Wundrändern (kf.t), die mittels jdr "gepackt" (nḏri̯), d.h. "zusammengefaßt" oder "festgemacht" werden, aber der jdr kann sich wieder lösen oder lockern (wnḫ). Substantiv und Verb wurden zuerst von Wb. I, 154.17-18 mit "Verband einer Wunde" (Subst.) bzw. "eine Wunde verbinden" (Verb) übersetzt (gefolgt von Gardiner, EG, 527, Sign-List V37; vgl. ebenso Gardiner, AEO II, 260*, wo er jedoch auch die abweichende Meinung von Breasted auflistet), was von Breasted, Surgical Papyrus, 227-231 und 232-233 in einer langen Diskussion abgelehnt wird. Die Übersetzung "eine Wunde verbinden" geht vor allem auf die Textstelle Kol. 5.7 jr m-ḫt jd(r)=k sw ḥr jwf wꜣḏ: "danach wirst du ihn mit frischem Fleisch 'verbinden'" zurück, die ein Fehler für jr m-ḫt jd(r)=k sw 〈wt.ḫr=k sw〉 ḥr jwf wꜣḏ: "Nachdem du ihn ... hast, mußt du ihn mit frischem Fleisch bandagieren" ist (vgl. den gleichen Satz in Fall 26, Kol. 9.10 mit wd.ḫr=k sw). Laut Breasted impliziert das Zusammennehmen der Wundränder, auch an Stellen, wo ein Verband dieses nicht bewirken kann, daß sie genäht werden. Für ihn bedeutet das Verb jdr deshalb "(chirurgisch) nähen" ("to stitch, to sew"). Er versteht das zugehörige Substantiv als "das Nähen", "die Stiche" oder "die Naht" ("stiching, sewing, stitches, suture"), und eher nicht als "Faden" oder "Darm" ("'thread' or 'gut' or the like"). MedWb I, 112-113 übersetzt ebenfalls mit "nähen"; die Autoren gehen allerdings für das Substantiv von einer ursprünglichen Bedeutung "Faden" als Mittel zum Nähen aus (vgl. Grundriss III, 127-128), die in "Naht", das Ergebnis des Nähens, übergeht. Dabei wundert es einen, daß kein "normaler" Faden bzw. keine "normale" Schnur als Determinativ belegt ist. Als Material, aus dem das Nähgarn hergestellt gewesen sein könnte, findet man in der Literatur "fines lanières d'un intestin d'animal" (Lefebvre, Essai sur la médecine égyptienne, 185-186) und "linen sutures" (Mininberg, in: Allen, Art of Medicine, 73, Anm. 2), d.h. Naturdarm (vgl. medizinisches Catgut aus Schafsdarm) bzw. Leinen. Bei einigen Mumien der 21. Dynastie (Breasted, Surgical Papyrus, Tf. IV, Abb. 8-10) sind der Schnitt im Abdomen sowie Schnitte (post mortem?) an Knie und Ellenbogen mit einer einfachen, überwendlichen, fortlaufenden Naht (auch genannt: Kürschnernaht) genäht, so daß der Faden teilweise oder ganz schräg zum Wundverlauf liegt. Laut Galen lösen Fäden aus Leinen oder Flachs sich auf, bevor die Wunde vollständig geheilt ist (nach Brawanski, in: SAK 35, 2006, 56).
Ebbell, Alt-ägyptische Chirurgie, 10-12 lehnt die Übersetzung "nähen, zunähen" ab, weil jdr im chirurgischen Abschnitt des pEbers nicht erwähnt wird, obwohl dort Geschwülste operativ entfernt werden (und die Wunde anschließend wohl genäht werden muß). Ausgehend von einer fraglichen Grundbedeutung für jdr als "Einzäunung" (wohl im Zusammenhang mit jdr: "Herde" und jdr: "fernhalten") wird das Substantiv seiner Meinung nach eher "Einzäunung, Umklammerung, Klammer o.ä." bedeuten. Ebbell meint, daß die Wunde geklammert bzw. mit Klammern zusammengezogen wird und er verweist auf die Verwendung von medizinischen Klammern in der Antike (gr. ἀγκτήρ; lat. fibula). Ebbell und Brawanski, in: SAK 35, 2006, 47 zitieren diesbezüglich den römischen Arzt Celsus. Celsus schreibt aber gerade bei einer Wunde an der Stirn nähen statt klammern vor. Ebbell führt als weiteres Argument für seine Übersetzung von jdr als "Klammer" das Vorkommen in Kombination mit dem Verb wnḫ an, das er (vermutlich in Anlehnung an Wb. I, 324.8) mit "verschieben" statt "lösen, lockern" übersetzt; er meint, daß eine Sutur (eine medizinische Naht) sich nicht verschieben kann, eine Klammer hingegen schon. Lefebvre und Brawanski, die die Interpretation von Ebbell kennen, folgen dieser nicht. Die von Breasted aus dem Zusammenhang abgeleitete Bedeutung "nähen" wird von anderen Forschern nicht in Frage gestellt, auch nicht die Auffassung von MedWb, daß das Substantiv zuerst "Faden" bedeuten soll; hier wäre stattdessen "die Arbeit mit der Nadel" ebenfalls sinnvoll und der Bedeutungsübergang von "Arbeit mit der Nadel" (Nomen actionis) zu "Naht" (Nomen acti) ist einfacher zu erklären als von "Faden" zu "Naht".
Für das Lösen oder Lockern wnḫ des jdr sei noch auf Texte in den ptolemäischen Tempeln hinzuweisen, bei denen es um das Lösen der Verschnürung der Naostüren bzw. einer Buchrolle geht. Das Wort jdr ist hier teils mit einer Schnur, teils mit einem Pflanzendeterminativ geschrieben, was einen Zusammenhang zwischen jdr und der jtr-Pflanze: "Papyrus" (daraus: Papyrusstreifen, Papyrusfaser 〉 Schnur) vermuten läßt. In älteren Texten (Neues Reich) ist die Verschnürung der Naostüren jꜣd/jꜣd.t geschrieben und auch hier ist es denkbar, daß das ursprüngliche jdr der medizinischen Texte und jꜣd in späteren Zeiten zusammengefallen sein könnte (siehe Graefe, in: MDAIK 27, 1971, 150 mit Anm. 24; Graefe, in: SAK 7, 1979, 53-56; Wilson, Ptolemaic Lexikon, 128).
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