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Der Satz findet sich im Rizinusbuch, genauer: Eb 251d, wieder, und der Satzteil von n.tj wḥꜣ.w bis n.jt n ḫpr (j)ḫ.t r=f wird dort komplett wiederholt. Da beides komplett übereinstimmt, hilft die Parallele nicht zur Klärung der offenen Übersetzungsprobleme.
n.tj wḥꜣ.w: In seinem Kommentar zum Parallelrezept Eb 251d vermutet Sethe, Erläuterungen, 81 (zu Zeile 54,14) den Ausfall einer Präposition und schlägt eine Ergänzung zu n.tj 〈r〉 wḥꜣ.w vor. Zu einer possessiven Funktion des Relativpronomens vgl. dagegen Westendorf, Grammatik, § 469, S. 321-322 (allerdings nur mit diesem und wenigen Zusatzbelegen).
jṯṯ.t ḥwꜣ.w: Das erste Wort ist nur hier und im Parallelrezept 251d belegt. MedWb 1, 111 vermutet einen Zusammenhang mit dem gleichradikaligen Verb jṯṯ: „fliegen“. Das Wort ḥwꜣ.w scheint zunächst seiner Schreibung und Klassifizierung mit dem schlechten Paket zufolge zum Wortfeld „faulen“ zu gehören. MedWb vermutet dagegen a.a.O. einen Zusammenhang mit dem einmalig belegten Verb ḥwꜣw, Wb 3, 50.5, das in dem neuägyptischen Miscellany-Text pSallier I, Zeile 5,5-6 vorkommt, wo es eine negative Eigenschaft bezeichnet, die mit der Bewegung der Blätter im Wind verglichen wird. Derselbe Zusammenhang wird auch in Grundriß der Medizin IV/2, 34, Anm. 2 hergestellt.
Da die Bedeutung beider Begriffe, jṯṯ.wt und ḥwꜣ.w, unsicher ist, ist auch nicht zu klären, wie sich beide syntaktisch zueinander verhalten. Ebbell, Papyrus Ebers, 41 vermutet ein attributives Adjektiv und übersetzt zusammen mit dem anschließenden qsn: „bad putrid jṯṯt“. Grundriß der Medizin IV/1, 12 und Westendorf, Handbuch Medizin, 567 setzen beide Begriffe koordinierend nebeneinander: „jṯṯ.t- (und) ḥwꜣ.w-Erscheinungen (Zittern ? Schüttelfrost ?)“ das folgende qsn verstehen sie stativisch: „indem es schlimm ist“ (s. den folgenden Kommentar). Bardinet, Papyrus médicaux, 267 denkt an ein Genitivverhältnis zwischen jṯṯ.t und ḥwꜣ.w: „l’émergence d’une décomposition dangereuse“. Vergleichbar Lalanne/Métra, Texte médical du Papyrus Ebers, 63: „un pus en putréfaction, dangereusement“ (NB: Anders als der Grundriß der Medizin übertragen sie den Kringel hinter ḥwꜣ nicht als w-Schleife, sondern als t und haben damit eine Kongruenz zwischen jṯṯ.t und hwꜣ.t).
qsn: Sethe, Erläuterungen, 81 sieht hierin ein Adverb (das sich dann nur auf die vorangegangenen Krankheitserscheinungen beziehen kann), und dementsprechend übersetzen es auch Ebbell, Bardinet, Grundriß der Medizin, Westendorf und Lalanne/Métra. Allerdings ist es durchaus möglich, dass damit eine weitere Spezifizierung der Krankheit mithilfe eines Umstandssatzes (qsn + Infinitiv/sḏm=f, MedWb 2, 892, Westendorf, Grammatik, § 406.bb.2) vorliegt. In dem Fall wäre das anschließende ꜥḥꜥ kein Hilfsverb zur Einleitung des folgenden Satzes (so Sethe, Erläuterungen und die ihm folgenden Übersetzungen; Lalanne/Métra vermuten sogar ein ꜥḥꜥ(.n)), sondern eher ein Vollverb „zum Stillstand kommen“ (so Grundriß der Medizin und Westendorf, Handbuch Medizin, und vermutlich auch Bardinet, Papyrus médicaux; vgl. Wb 1, 218.8-10) oder umgekehrt „aufstehen“ o.ä.
rjwm: Ein nur in den Rezeptparallelen Eb 123 = Eb 251b vorkommendes, antikes Ghostword(?). Im Wb 2, 400.14 als separates Wort „Verbum? (…) Substantiv?“ eingetragen. Auf DZA 25.813.910 wird ein Zusammenhang mit koptisch ⲗⲱⲱⲙⲉ („verfaulen“) erwogen. Auch MedWb 1, 523 favorisiert eine Lesung als ein einziges Wort, dessen Bedeutung aber nicht genauer als „krankhafte Erscheinung“ bzw. allenfalls noch (im Vergleich zu den zusammen damit genannten, ebenfalls unklaren Wörtern jṯṯ.t und ḥwꜣ.w) als „krankhafte Bewegung“ eingegrenzt werden kann. Auch Grundriß der Medizin IV/1, 12 und Westendorf, Handbuch Medizin, 567 gehen von einem einzigen Wort aus.
Sethe, Erläuterungen, 81 schlug dagegen vor, das Wort aufzuteilen und in dem Fleischstück und den Pluralstrichen eine verderbt geschriebene Krankheitserscheinung sowie in dem Wort davor ein Verb mit der Bedeutung „weichen“ o.ä. zu sehen. So scheint es auch Ebbell, Papyrus Ebers, 41 zu sehen, wenn er schreibt „then rjwmw the skin (?)“ und damit in dem Fleischstück vielleicht eine Abkürzung für jwf: „Fleisch > Haut“ (?) versteht. Sethes Aufteilung folgend, denkt Sander-Hansen, in: Fs Grapow, 287 bei rjwm an einen Hörfehler für rwj mn.t: „dann schwindet die Krankheit“. Dem folgt wohl Bardinet, Papyrus médicaux, 267: „La partie malade disparaîtra“. Lalanne/Métra, Texte médical du Papyrus Ebers, 63 teilen ebenfalls in zwei Wörter auf und lesen insgesamt: ꜥḥꜥ(~n) rjwm ꜥ.t: „Alors la partie (malade) du corps (de l’homme) se montrera“, was aber nicht funktioniert, da sie ꜥḥꜥ als Hilfsverb deuten (eben als ꜥḥꜥ~n, d.h. ꜥḥꜥ.n) und ihnen daher das Hauptverb (die Entsprechung ihres „se montrera“) fehlt. Auch fehlt eine Erklärung für die merkwürdige Schreibung von ꜥ.t.
Sander-Hansens Idee, dass an der Stelle ursprünglich ein rwj gestanden hat (so vielleicht auch schon die Überlegung von Sethe), hat einiges für sich. Zu Schreibungen von rwj mit Arm mit Handfläche nach unten und laufenden Beinchen vgl. immerhin Wb 2, 406 (allerdings erst ab der 19. Dynastie belegt, vgl. DZA 25.857.730 und DZA 25.857.740); und zumindest im Alten Reich konnte das Verb mit Metathese der beiden letzten Radikale auch rjw geschrieben werden. Allerdings ist seine Erklärung als „Hörfehler“ insofern problematisch, als man davon ausgehen sollte, dass bei einem solchen Prozess das verhörte Wort in ein sinnvolles geändert wurde (vgl. auch Schenkel, in: GM 29, 1978, spez. 122), was hier nicht der Fall zu sein scheint.
Da keiner der bisherigen Bearbeiter eine völlig plausible Interpretation für den ursprünglichen Wortlaut der Stelle liefert, scheint es besser, sich darauf zu beschränken, wie der Schreiber der Vorlage die Stelle verstanden hat. Dieser Schreiber hat nun am Ende Fleischstück und Pluralstriche gesetzt und demzufolge das damit Gekennzeichnete als Körperteilbezeichnung aufgefasst. Vom anderen Ende her betrachtet, lässt sich hierbei eine Konstruktion #subjektloses ꜥḥꜥ + Präposition r + Substantiv# syntaktisch nur schwer erklären, so dass man davon ausgehen kann, dass der Schreiber tatsächlich das r zum Folgenden gezogen und rjwm als ein einziges Wort, genauer eben: eine Körperteilbezeichnung, aufgefasst hat – egal, ob dies in der Vorlage so gemeint war (was implizieren würde, dass hier eine ansonsten unbekannte Bezeichnung vorläge) oder nicht. Dieser Fehler wirft ein interessantes Licht auf die Textgeschichte: Da derselbe Satz zweimal vorkommt, nämlich in Rezept Eb 123 und in Eb 251b, und beide Rezepte in verschiedenen Textabschnitten stehen, ist der Fehler – sofern es einer ist – schon in der gemeinsamen Vorlage dieser beiden Rezeptgruppen (Text β) entstanden. Verschiedene Indizien, wie bspw. die Wiederholung ganzer Rezeptpassagen, zeigen, dass der Schreiber des pEbers nicht selbst die einzelnen Rezepte aus verschiedenen Quellen herauskopierte und in thematisch gebundene Rezeptgruppen ordnete, sondern dass er seinerseits schon existierende, kürzere Sammelhandschriften und thematisch gebundene Monographien kopierte. Das heißt, er übernahm größere Textabschnitte und fügte diese zu der gemeinsamen Handschrift des pEbers zusammen. Das wiederum bedeutet, dass sowohl die Vorlage, die Rezept Eb 123 enthielt, also auch die Vorlage, die Rezept Eb 251 enthielt, bereits fehlerhaft waren. Der oder die Schreiber beider Vorlagen muss/müssen also ihrerseits den Fehler bereits so vorgefunden haben. Die Textgeschichte dieses einen Rezeptes lässt sich daher stark vereinfachend so darstellen: Ein ursprünglich korrekter Text α wurde so fehlinterpretiert, dass aus ꜥḥꜥ ...(?) das heute vorliegende ꜥḥꜥ rjwm.w wurde (Text β). Auf diesen gehen die Vorlagen von Eb 123 (Text γ) und Eb 251 (Text δ) zurück, und diese wurden am Ende auf pEbers wieder vereint (wobei zwischen den Schritten β >>> γ+δ sowie γ+δ >>> pEbers natürlich noch weitere Zwischenschritte der Textüberlieferung liegen können).
qsn ... r=f: Die adverbiale Erweiterung NN mj n.tj n ḫpr=f/=s/NN: „(irgendetwas passiert mit) NN, als ob er/sie/es (nämlich NN) nicht entstanden wäre“ ist mehrfach belegt. Die hier vorliegende Stelle scheint nur eine Variante dafür zu sein; für ḫpr r: „jemandem zustoßen“ s. Wb 3, 262.17. Daher wäre zu überlegen, ob die Stelle bedeutet, dass das wḥꜣ.w, wogegen der Patient hier eingerieben wird, mit jṯṯ.t ḥwꜣ.w daherkommt und es (scil.: besonders) schlimm ist, wenn (zusätzlich) das „... aufsteht/stillsteht“, so, als wäre eigentlich gar nichts vorgefallen. Weniger wahrscheinlich ist dagegen, dass hier schon die Heilung des Patienten angezeigt wird (so impliziert von Bardinets Übersetzung „La partie malade disparaîtra“ für den vorherigen Satzteil). Denn diese kann erst nach der Applikation des Rezepts erfolgen, und diese wird erst im folgenden Satz genannt.
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Bitte zitieren als:
(Vollzitation)Lutz Popko, unter Mitarbeit von Altägyptisches Wörterbuch, Florence Langermann, Peter Dils, Daniel A. Werning, Token ID IBUBdWIfhYhgDUTvlX8UQpUoESQ <https://thesaurus-linguae-aegyptiae.de/sentence/token/IBUBdWIfhYhgDUTvlX8UQpUoESQ>, in: Thesaurus Linguae Aegyptiae, Korpus-Ausgabe 19, Web-App-Version 2.2.0, 5.11.2024, hrsg. von Tonio Sebastian Richter & Daniel A. Werning im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften und Hans-Werner Fischer-Elfert & Peter Dils im Auftrag der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig (Zugriff am: xx.xx.20xx)(Kurzzitation)
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