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Die Frage, was geschnitten werden soll und worauf das Blut fließen soll, wird unterschiedlich beantwortet:
Ebbell, Papyrus Ebers, 106: „Thou shalt cut one side of it in order that its blood may come down on one side.“ In der zugehörigen Anmerkung 3 schreibt er: „This cut may be supposed to be made, before the ear had been fixed by the flax-net.“ Er interpretiert diesen Satz also als Nachtrag, und das wird der Grund sein, weswegen er ihn in der Übersetzung in Klammern setzt.
Grundriß der Medizin IV/1, 62 [und Grundriß der Medizin IV/2, 66]: „Dann mußt du seine eine Seite [Anm. 12: Die getrocknete Außenseite?] anschneiden, damit (n ib n) sein Blut herabfließt auf seine andere Seite [Anm. 13: Die am Kopf befindliche Schnittfläche?].“
Westendorf, Handbuch Medizin, 677: „Dann mußt du seine (des Ohres) eine Hälfte anschneiden, damit sein Blut herabfließt auf seine (andere) Hälfte.“
Bardinet, Papyrus médicaux, 359: „Alors tu découperas un seul côté (= un des deux côtés du pansement) dans le but que son sang descende par un seul côté (= celui découpé, c’est le principe du drain!).“
Ebbell, Grundriß der Medizin und Westendorf gehen also von einem zusätzlichen Einschnitt am Ohr selbst aus, wohingegen Bardinet davon ausgeht, dass ein Schnitt im Verband angelegt werden soll, damit das Blut gerichtet abfließen kann. Auch wenn seine Interpretation vom Vorgang her nachvollziehbarer scheint, besteht das syntaktische Problem, dass der hier verwendete Verband grammatisch feminin ist (jꜣd.t n.t ꜥꜣ.t sti̯.tj) und sich das maskuline Pronomen =f eigentlich nicht darauf beziehen kann.
Fraglich ist, wie die älteren Übersetzungen zu verstehen sind: Joachim, Papyros Ebers, 167: „schneide Du seine eine Hälfte ab, da man nicht will, dass sein Blut (auch) von der andern Hälfte abfällt“; DZA 28.640.190: „schneide Du seine eine Hälfte ab, damit (?) das Blut herabläuft auf die eine Stelle (Seite)“. Beide berücksichtigen den Umstand, dass das Verb zf eigentlich „abschneiden“ und nicht „anschneiden“ heißt, vgl. die Darstellung einer geschlachteten Ziege mit entsprechender Beischrift zf ḏi̯ jwi̯.t: „Schneid ab und veranlasse das Liefern“ im Grab des Ibi in Deir el-Gebrawi, Kanawati, Deir el-Gebrawi II, 38 und Taf. 50. Allerdings ist nicht eindeutig, ob Joachim, wie später Bardinet, davon ausgeht, dass ein Teil des Verbands zurechtgeschnitten werden soll, oder ob er davon ausgeht, dass der partiell abgerissene Teil der Ohrmuschel komplett entfernt und nur der Rest ausgeheilt werden soll – wobei Letzteres eigentlich nicht möglich ist, da im nächsten Abschnitt davon die Rede ist, dass ein Zusammenhalten beobachtbar ist.
In CT VII, 110e kommt ein Verb zf vor, das mit dem aufgerollten Seil klassifiziert ist und das daher von Faulkner vorschlagsweise mit „bind“ (FECT III, 57, mit Fragezeichen) und von Barguet mit „délier“ (Barguet, Textes des sarcophages, 52, ebenfalls mit Fragezeichen) übersetzt wird. Sollte hier dasselbe Verb gemeint sein, das fehlerhaft beim Kopieren für das etwas häufigere zf: „abschneiden“ gehalten wurde? Bei dieser Annahme könnte man folgenden Vorgang postulieren: Das eingerissene Ohr wird mit einem Netzverband, unter Zuhilfenahme von Milchsaft der Sykomore, verbunden, wobei explizit darauf hingewiesen wird, keinen Honig und kein Öl hinzuzuziehen – also anders als in 766b zu verfahren. Anschließend (d.h. nach einiger Zeit?) wird ein Teil des Ohres wieder freigelegt, damit nichts fault (falls sich ḥwꜣ) auf die Ingredienzien bezieht) oder verwest (falls es sich auf das Ohr bezieht). Und wenn der Arzt feststellt, dass das Ohr wieder angewachsen ist, soll er ein weiteres Mittel aus Öl/Fett und Wachs herstellen und das Ohr erneut damit verbinden.
Diese Interpretation ist aber als reine Hypothese zu sehen, denn sie hängt nicht nur davon ab, dass man das Verb eben emendieren muss, sondern auch davon, dass die hier angesetzte Bedeutung des Verbs korrekt ist. Dabei ist zu beachten, dass das Verb der Sargtexte ein Hapax legomenon in einem tlw. zerstörten Kontext ist und die Bedeutung allein aufgrund des Klassifikators geraten ist – zudem ist unsicher, ob diese geratene Bedeutung eher ein Festbinden (Faulkner) oder ein Losbinden (Barguet) bezeichnet.
...wꜥ ... wꜥ: Zur Bedeutung „der eine ... der andere ...“ s. MedWb 1, 168, s.v. wꜥ III.2.aa, besonders die Belege aus pEdwin Smith. Normalerweise wird ein solcher Gegensatz mit wꜥ ... ky ... ausgedrückt, s. GEG, § 98.
hꜣi̯ ḥr kommt in den medizinischen Texten nicht als Ausdruck eines Heilungs- oder sonstigen Prozesses vor. Im Gegenteil ist es eine typische Verbindung für das „Befallen“ eines Patienten oder Körperteils durch eine Krankheit oder ein anderes Übel in medico-magischen Kontexten (Wb 2, 474.1-2, MedWb 2, 562, s.v. hꜣi̯ VII. Letzteres wird in Eb 766f kaum gemeint sein. Ob man diese Stelle eher mit Bedeutungen wie „hinabsteigen ins Wasser“ (Wb 2, 472.13 oder „kommen zu“ (Wb 2, 472.25) vergleichen kann? Ist gemeint, dass das Blut aus der einen Seite in die andere zurückkehrt? Um den möglichen Anklang an die Bedeutung in medico-magischen Kontexten trotzdem beizubehalten, wird hier vorschlagsweise mit „einfallen“ übersetzt.
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(Vollzitation)Lutz Popko, unter Mitarbeit von Florence Langermann, Altägyptisches Wörterbuch, Daniel A. Werning, Token ID IBcCBj8gXECw2EFKs8nTHjWuDig <https://thesaurus-linguae-aegyptiae.de/sentence/token/IBcCBj8gXECw2EFKs8nTHjWuDig>, in: Thesaurus Linguae Aegyptiae, Korpus-Ausgabe 19, Web-App-Version 2.2.0, 5.11.2024, hrsg. von Tonio Sebastian Richter & Daniel A. Werning im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften und Hans-Werner Fischer-Elfert & Peter Dils im Auftrag der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig (Zugriff am: xx.xx.20xx)(Kurzzitation)
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