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dp hdn: Im medizinischen Rezept Eb 337 (pEbers 56,10) wird die Droge dp.t hdn gegen die tḫn-Verletzung verschrieben. Goyon, in: Fs Westendorf, Bd. 1, 245 geht davon aus, dass in pTurin CGT 54003 dieselbe Wortverbindung vorliegt; er übersetzt aber den Satz nicht und klärt daher nicht auf, wie er dp hdn syntaktisch in den Satz einbinden würde. Anders sind die Lösungen von Roccati, Papiro Ieratico N. 54003, 34 (vgl. auch S. 62), Olette-Pelletier, in: NeHeT 4, 2016, 61 und Gräßler, Konzepte des Auges, 89: Roccati versteht dp als Nisbe-Adjektiv dp(.j): „che è sopra; che sta sulla“; Olette-Pelletier und Gräßler als Präposition „auf“. Während Olette-Pelletier die Verbindung eher direktiv deutet („Tu expulseras ... sur ...“), sieht Gräßler hierin eher eine Lokalbestimmung („Spuck aus ... auf der hdn-Pflanze ...“). Diese lokale Deutung ergibt sich aus ihrer Interpretation der anschließenden weiteren Adverbialbestimmung ḥr.j-jb nꜣy.t: Gräßler, a.a.O., 90 zufolge wird die tḫn-Verletzung durch die Kollokation mit nꜣy.t mit einer Schlange oder einem anderen stechenden/beißenden Tier gleichgesetzt, weil nꜣy.t als Wohnort von Schlangen bekannt ist. Sie versteht also ḥr.j-jb nꜣy.t als Präpositionalattribut zu tḫn, und daher liegt es näher, auch dp hdn als Präpositionalattribut und nicht als präpositionale Ergänzung des Verbs aufzufassen. Anders sind die Lösungen von Roccati und Olette-Pelletier, die beide ḥr.j-jb nꜣy.t als Präpositionalattribut der hdn-Pflanze verstehen: nicht die Verletzung, sondern diese Pflanze ist inmitten (Olette-Pelletier: „mélangé à“) der hdn-Pflanze. Gräßlers Interpretation hat einiges für sich, zumal „spucken auf (eine Sache)“ bei den verschiedenen Verben des Spuckens eher mit den Präpositionen ḥr oder r als mit dp gebildet wird; sie hängt aber auch an der Konnotation des Verbs tp=k und der Identität der hdn-Pflanze (s. den separaten Kommentar dazu im Anschluss). Da die Aussage von tp=k wohl darauf abzielt, die Krankheit/Verletzung als aus dem Auge hinausbefördert zu kennzeichnen (s. den Kommentar dort), scheint eine direktive Übersetzung semantisch sinnvoller.
Die Entscheidung zwischen lokal und direktiv beeinflusst auch die Interpretation von Eb 337: Wird dort die hdn-Pflanze verwendet, weil die tḫn-Verletzung zu irgendeiner Zeit auf ihr lokalisiert oder anderweitig mit ihr assoziiert werden kann? Dann wäre die hdn-Pflanze in Eb 337 ein Sympathiemittel. Oder wird die hdn-Pflanze in beiden Fällen wegen einer anderen Wirkung verwendet?
hdn: Eine seltene Pflanzenbezeichnung; in den medizinischen Texten nur einmal im pEbers, Rezept Eb 337 belegt, wo dessen dp.t-Teil genannt wird. Das Rezept lässt keine Rückschlüsse auf eine Identifizierung zu: Es ist gegen eine tḫn-Verletzung des Auges gerichtet, und der Rezeptteil, in dem die hdn-Pflanze vorkommt, ist konkret für den Fall gedacht, dass Flüssigkeit aus dem Auge tritt: In diesem Fall soll der dp.t-Teil der hdn-Pflanze zusammen mit Weihrauch, Malachit und einer unbekannten, vielleicht mineralischen, Droge zu einem Mittel verkocht werden, das den Namen ꜥꜥf-s(j)(?): „Es-werde-ausgewrungen“(?) trägt. Der dp.t-Teil ist unbekannt; er wird aber auch in dieser femininen und in maskuliner Form von anderen Pflanzen genannt und wird i.d.R. mit dem Wort „Kopf“ in Verbindung gebracht (pars pro toto DrogWb, 554), also als oberes Ende oder vielleicht kugelförmiges Ende einer Pflanze gedacht (auf dieser Assoziation wird etwa Ebbells „panicle“ basieren [Papyrus Ebers, 68]). Derchain-Urtel, Thot, 114 denkt dagegen an eine „partie ‚excellente‘“ und hier konkret an das Rhizom (s.u.). Sie denkt also eher an einen Zusammenhang mit dem Nisbe-Adjektiv dp.j: „erster, bester“; und in dem Fall würde das Wort zum nächsten Lemma von DrogWb, 554 gehören.
Bezüglich der Seltenheit der Nennung der hdn-Pflanze in den medizinischen Texten ist jedoch darauf hinzuweisen, dass in Eb 337 alle Drogen mit dem Einerstrich versehen sind. Da laut Pommerening, in: Fs Fischer-Elfert, 831-848 dieser Einerstrich die dem ägyptischen Arzt bekannte Menge bezeichnet, wird man wohl annehmen können, dass auch die hdn-Pflanze häufig genug in der ägyptischen Medizin vorkam, um mit ihr eine „Standardmenge“ verbinden zu können. Es könnte also reiner Zufall sein, dass sie bislang in keinem anderen „medizinischen“ Text belegt ist.
In magiko-medizinischen Kontexten ist die Pflanze noch genannt im pTurin CGT 54003, Vso. x+11-12: zum einen in der Konstruktion dp hdn, die entweder eine Präpositionalverbindung „auf der/die hdn-Pflanze“ ist (so Gräßler, Konzepte des Auges, 89, Olette-Pelletier, in: NeHeT 4, 2016, 61) oder dieselbe Verbindung dp(.t)-hdn darstellt wie im pEbers (so Goyon, in: Fs Westendorf, Bd. 1, 245); zum anderen als hdn wꜣḏ: „grüne hdn-Pflanze“, die den Hirten „sticht“ (tbs). Einen weiteren magiko-medizinischen Beleg bildet ein magischer Spruch gegen Skorpione in pChester Beatty VII, Rto. 7,5. Aber dort ist der Kontext zerstört und hilft bei der Identifizierung nicht weiter; vor dem Hintergrund des Turiner Textes könnte man sich fragen, ob ihr Vorkommen in einem Spruch gegen Skorpione durch die Tatsache motiviert sein könnte, dass die Pflanze stechen kann.
Auch außerhalb magisch-medizinischer Kontexte ist diese Pflanze selten genannt. In den Pyramidentexten (PT 400, Pyr. § 696e-g) wird die Gottheit Hdnw.t angerufen, den Geruch sṯj der hdn-Pflanze nicht gegen den König zu wenden; d.h., dass sie mehr oder weniger geruchsintensiv ist und apotropäisch wirken kann (und eben daher nicht gegen den König eingesetzt werden soll), s. Altenmüller, in: JEA 57, 1971, 150 und 152. In dieselbe Richtung könnte es weisen, dass die hdn-Pflanze in späterer Zeit beim „Verwischen der Fußspur“ (jn.t-rd) am Ende des Opferrituals verwendet wird: Darstellungen der hdn-Pflanze, möglicherweise des Wedels, finden sich in Abydos, s. hier: DZA 26.411.030, und auch im Grab des Amenemhet, TT 82, Davies, Tomb of Amenemhēt, Taf. 18, oberes Register, in der Hand der ersten erhaltenen Person von links. Weitere Darstellungen und Literatur bei El-Shohoumi, Tod im Leben, 226-231, s. ferner Tacke, Opferritual, Bd. 2, 156-158. Dieser Ritualteil soll verhindern, dass „Widersacher“ in den Tempel eindringen; daher vermutet Sethe, Pyr. Übers., III, 273-274, dass der Geruch der hdn-Pflanze sozusagen den Geruch des Weihrauchs aufheben soll; ebenso Tacke, a.a.O., 157, Anm. 243.
Die hdn-Pflanze kommt auch ein paar Mal in den Sargtexten vor, allerdings mit wenig aussagekräftigen Informationen zur Identifizierung. Die einzige Zusatzinformation bietet Sargtextspruch 678, in dem es heißt: n šwi̯ jdb.w hdn (CT VI, 305d). Die Übersetzung ist unsicher, Barguet, Textes des sarcophages, 430 schlägt vor: „les rives non pas été exemptes de la plante-hdn“, FECT II, 245 übersetzt: „the riparian lands do not lack the hdn-plant“ (gefolgt von Verhoeven, Grillen, 139: „Den Uferländern fehlt es nicht an der hdn-Pflanze“). Barguet folgend, zieht Derchain-Urtel, a.a.O. 115 aus dieser Stelle den Schluss, dass die hdn-Pflanze am Ufer wächst. Dieser Schluss läge noch näher, wenn man der Übersetzung Verhoevens folgt.
In der Sonnenlitanei wird die hdn-Pflanze von Sia, der vergöttlichten „Erkenntnis“, zum Wachsen gebracht, um Unkenntnis zu vertreiben.
Nach einer größeren Beleglücke im 1. Jt. erscheint die Pflanze wieder in einer spätzeitlichen Opferliste: DZA 26.411.010 = 26.411.070 und DZA 26.411.080 (= Daressy, in: ASAE 16, 1916, 223, Nr. III.6 und 226, Nr. VIII.10). Dort wird „1 Handvoll“ geliefert. Die Pflanze Nr. VIII.10 stammt n s.t tn: „von diesem Ort/Platz“, und in einer weiteren Spalte steht noch m Wꜣwꜣ.t: „in Unternubien“. Das ist von Daressy und ihm folgend vom Wb so interpretiert worden, dass diese Pflanze (auch) aus Unternubien kommen kann. Darauf bezieht sich auch die Angabe bei DrogWb, 331, dass sie als Import aus Nubien genannt sei. Nach einer genauen Untersuchung des Formulars schließt aber Goyon, a.a.O., 242, Anm. 11 jeglichen Bezug der hdn-Pflanze zu Unternubien aus. Vielmehr gehöre der Ortsname zu einem anderen Textteil, und die Hinzufügung von n s.t tn zur hdn-Pflanze würde sich auf den aktuellen Gau, d.h. den 3. unterägyptischen Gau, beziehen.
Schließlich wird die Pflanze v.a. in ptolemäischen Texten mehrfach inner- und außerhalb des Götterepithetons nb-hdn für Thot erwähnt, s. dazu im Folgenden.
Brugsch, Wb VI, 768-771 erwägt eine Verbindung des Pflanzennamens mit koptisch (ϩ)ⲁϭⲓⲛ, der Gartenminze. (Diese Verbindung zu einer aromatischen Pflanze zieht er bemerkenswerterweise ohne Verweis auf die Pyramidentexte als einzige Belege, wo die Geruchswirkung der Pflanze angesprochen wird; diese Textgattung wurde erst im selben Jahr wie dieser Band von Brugschs Wörterbuch publiziert.) Brugschs Etymologie kann allerdings als überholt gelten, denn Černý, CED, 307 und Vycichl, Dict. étym., 321 verbinden das koptische Wort mit ḥkn.w, einem der sieben heiligen Öle – Černý verbindet sie direkt miteinander, Vycichl führt beide Wörter vorsichtiger auf dieselbe Wurzel zurück.
Zur Identifizierung der Pflanze sind verschiedene Vorschläge gemacht worden:
1) Unbekannt/Offen
2) Papyrus
3) Schilfrohr (Phragmites communis)
4) Ceruana pratensis
5) Eine Pflanze aus der Gattung Bupleurum (Hasenohren).
1) Stern, in: Ebers, Papyros Ebers, Bd. 2, 14a hat keinen Vorschlag, sondern belässt es bei einem allgemeinen „n[omen] herbae“. Auch Ebbell, Papyrus Ebers, 68 unterlässt eine Identifizierung und schreibt nur „hdn“.
Hornung, Anbetung, Teil II, scheint ebenfalls skeptisch zu sein, ob sich die Pflanze identifizieren lässt. Die schon von Brugsch angeführte Passage aus der Sonnenlitanei übersetzt er (S. 83, Vers 178-179) mit: „Sia ist es, der in meinem Schutz ist, der das hedjen-Kraut wachsen läßt, so daß ich nicht unwissend bin.“ In der zugehörigen Anm. 405 auf S. 137 verweist er auch auf Thot als Herrn der hdn-Pflanze und die mögliche Herkunft aus Nubien (s. dazu oben) und sieht daher hierin ein „Märchenkraut (...), das Wissen und Einsicht verleiht“.
Germer, Arzneimittelpflanzen, 371 erwähnt es nur in der Liste äußerlich verwendeter Heilmittel, ohne eine Deutung anzubieten.
2) Auch wenn Brugsch den Pflanzennamen provisorisch mit (ϩ)ⲁϭⲓⲛ verbindet, bedeutet er doch ihm zufolge im Ritualteil jn.t-rd „sicherlich etwas anderes“: Da beim jn.t-rd auch vom Verschließen der Tür die Rede ist, vermutet er, dass hdn einen Teil der Verriegelung bildet. Ferner führt er eine Darstellung auf dem Pylon des Chons-Tempels von Karnak an (d.h. eigentlich dem Euergetestor, vgl. Derchain-Urtel, a.a.O., 120), wo dem Chons eine Schreibtafel überreicht wird. In der Beischrift ist u.a. davon die Rede, dass die Faust des Chons eine hdn-Pflanze fasst, was nach Brugsch darauf hindeute, dass sie ein Teil der Schreibutensilien sei. Schließlich würde in der Sonnenlitanei die hdn-Pflanze in Zusammenhang mit den Vergöttlichungen Hu („Ausspruch“) und Sia („Erkenntnis“) gebracht (s. DZA 26.411.040 und 26.411.050 und oben Nr. 1); und diese stehen wiederum auf dem Pylon des Chons-Tempels „im Zusammenhang mit der Schrift“. Aus diesen drei Faktoren zieht Brugsch den Schluss, dass hdn „eine besondere Benennung des Papyrus“ sei, und konkret einen Papyrusstreifen zum Schließen der Tür beim jn.t-rd meine und Papyrusblätter als Beschreibmaterial bei Chons; die Erzeugung von Papyrus bilde schließlich die Grundlage für die „Erkenntnis“. Auf ihn bezieht sich Moret, Rituel du culte divin journalier, 103, Anm. 2, wenn er die Pflanze mit „papyrus“ übersetzt; und vermutlich gehen auch – vielleicht direkt, vielleicht auch indirekt über Moret – Daressy, a.a.O., 223, 226 und 239 („papyrus“ bezüglich der Opferliste) und Joachim, Papyros Ebers, 83 („Papyruspflanze“ bezüglich des pEbers) zurück.
3) Ähnlich zu Brugschs Ausführungen, wenn auch viel kürzer, ist die Erklärung von Boylan, Thoth, the Hermes of Egypt, 213. Er verweist auf eine Opferszene aus Edfu, in der Thot eine jr-sḏm-Palette (zu ihr s. die kurzen Bemerkungen von Derchain-Urtel, a.a.O., 147a, Anm. 3, die alternativ die Lesung mꜣꜣ-sḏm für möglich hält, und Brunner-Traut, in: Gs Otto, 137 sowie Cauville, in: RdÉ 38, 1987, 186, laut denen hiermit das Epitheton des Thot als Jr-Sḏm: „Seh- und Hörgott“ vorliegt, das antonomastisch auf die Schreibpalette übertragen wurde) und eine hdn-Pflanze ergreift. Diese Kombination von jr-sḏm und hdn und der Umstand, dass Thot in einer vergleichbaren Szene die ꜥr-Binse erhält, nimmt Boylan zum Anlass, in hdn den Kalamos zu sehen (warum es nicht auch die Binse sein könnte, schreibt er nicht). Das Epitheton nb-hdn, das Thot in ptolemäischer Zeit trägt, wäre laut Boylan demzufolge als „Lord of the calamus“ zu verstehen. Als „reed brush for writing“ ist hdn dann auch bei Wilson, Ptol. Lexikon, 609 eingetragen.
Derchain-Urtel, a.a.O., 110-126 diskutiert die Bedeutung des Epithetons nb-hdn: „Herr der hdn-Pflanze“, das Thot in ptolemäischen Texten trägt, und in diesem Zusammenhang auch die Bedeutung von hdn. Sie ist, wie Boylan (vielleicht auf ihn zurückgehend?), der Ansicht, das hdn das Schilfrohr, Phragmites Communis, und damit den Kalamos bezeichne. In der Benennung des Thot als „Herr der hdn-Pflanze“ spiegele sich der Wechsel der ägyptischen Schreiber von der Schreibbinse hin zum Kalamos. Das Fehlen des Wortes hdn in Opferszenen, in denen dem Thot Schreibutensilien dargebracht würden, erklärt sie damit, dass für Opfergaben „instruments traditionels“ reserviert seien und daher dort das Wort ꜥr: „Binse“ vorherrscht (S. 117). Eine wesentliche Bestätigung der Identifizierung mit dem Schilfrohr sieht sie in einem Besen aus Schilf, den Flinders Petrie, Objects of Daily Use, 49 und Taf. 42, Nr. 178 publiziert, und in dem sie einen Besen von derselben Machart vermutet, wie er im jn.t-rd-Ritual verwendet würde. (NB: Die Skepsis von Nelson, in: JEA 35, 1949, 84, dass der hdn-Gegenstand bei diesem Ritual nur bei einer einzigen Darstellung den Boden berühre und es daher unklar sei, ob überhaupt ein Kehren damit ausgedrückt würde, ist vielleicht etwas zu pessimistisch: vgl. die oben genannten Darstellungen bei El-Shohoumi.) Unter den verschiedenen Klassifikatoren, mit denen hdn inner- und außerhalb dieses Epithetons geschrieben werden kann, findet sich schließlich nach Derchain-Urtel (S. 116) auch einer, der ein „dessin exact“ von Arundo Donax L. sei, dem Pfahlrohr „de l’espèce phragmites communis“ (S. 122). Allerdings ist es zweifelhaft, ob Arundo Donax überhaupt vor dem Neuen Reich bekannt war, s. Germer, Flora, 203-204 mit Literatur. Tatsächlich auf eine Rohrpflanze könnte immerhin die von Derchain-Urtel nicht weiter diskutierte Klassifizierung mit dem knöchernen Harpunenkopf T19 hinweisen, die laut Germer, Arzneimittelpflanzen, 188 generell auf Rohrpflanzen hindeuten kann; gleiches gilt vielleicht für den Baumklassifikator, der zumindest auch für das nbj.t-Rohr belegt ist, s. Germer, a.a.O., 192. Ob auch der Holzklassifikator hierzu passt, bliebe zu überprüfen. Ferner bliebe zu diskutieren, wieso Thot schon in der Chronik des Prinzen Osorkon einmal als nb-hdn bezeichnet wird – die Vermutung, dass die Verwendung dieses Epithetons in ptolemäischer Zeit durch den Wechsel der ägyptischen Schreiber von der Binse zu Kalamos bedingt sei, kann für diesen frühen Text jedenfalls nicht geltend gemacht werden. Caminos, Osorkon, 44, Anm. m steht der Übersetzung von hdn als Kalamos skeptisch gegenüber.
In der Droge dp.t hdn des Rezeptes Eb 337 vermutet sie schließlich (S. 114) eher die „partie ‚excellente‘“ als einen oberen Teil (s. oben); und weil in der ägyptischen Medizin das Rhizom des Schilfrohrs verwendet würde (vgl. Derchain-Urtel. a.a.O. 111 mit Verweis auf Täckholm/Täckholm, Flora of Egypt, Vol. I, 206ff. und 213 [non vidi]), vermutet sie im dp.t hdn, dem *„besten Teil der hdn-Pflanze“, eben das Rhizom des Schilfrohrs.
4) Täckholm, in: LÄ II, 1977, 273 sieht hierin etwas apodiktisch Ceruana pratensis, dieselbe Pflanze, aus der die zur Bestattung verwendeten geflochtenen Särge seien (s. Keimer, in: ASAE 32, 1932, 32 und Taf. 3-4). Das wird abgelehnt von Goyon, in: Fs Westendorf, Bd. 1, 241-242, weil diese Pflanze weder in der Antike noch in der Moderne medizinisch verwendet würde und auch keinen bemerkenswerten Geruch habe.
5) Goyon, in: Fs Westendorf, Bd. 1, 243-244 steht Derchain-Urtels Argumenten skeptisch gegenüber. Die Parallelisierung der Wörter hdn und ꜥr in ptolemäischen Inschriften besage ihm zufolge nicht, dass ersteres ebenfalls ein Schreibgerät sei. Das Tertium comparationis zu Thot sei nicht die Schreibkunst, sondern „l’idée de connaissance“, da in der Sonnenlitanei hdn mit der „Erkenntnis“ (sjꜣ) verbunden werde. Es sei also eine „plante du savoir“. Nach den Sargtexten wachse die Pflanze am Ufer, also zumindest in Feuchtgebieten, und sie sei nach der spätzeitlichen Opferliste in Ägypten heimisch (s. oben). Das Rezept des pEbers bzw. konkret der Teil mit der hdn-Pflanze sei ihm zufolge (S. 247-248) dazu gedacht, den Augendruck zu erhalten oder wiederherzustellen, wozu im Altertum Augenbäder verwendet wurden. Dazu würden beruhigende und/oder adstringierende Ingredienzien verwendet, und letzteres Kriterium würde auf die Ingredienzien zutreffen, die zusammen mit hdn verwendet wurden. Vergleiche man diese Ingredienzien mit denen des „arsenal de la pharmacopée copte“, würde man sehen, dass dort Doldenblütler verwendet würden, so dass man für hdn annehmen könne, dass es ebenfalls ein Doldenblütengewächs sei. Das dp.t des pEbers sei eine solche Dolde, die reich an Alkaloiden sei. Zu dieser These passe auch, dass alle Doldenblütengewächse einen aromatischen Duft abgeben würden. Für die genaue Identifizierung von hdn käme ferner hinzu, dass die Pflanze heimisch in Ägypten sein muss (vgl. die Opferliste) und dass sie in irgendeiner Weise zu Besen verarbeitet werden kann (jn.t-rd-Ritual). Diese Kriterien treffen gut auf die Pflanzengattung Bupleurum, Hasenohren, zu, von der Bupleurum Falcatum und Bupleurum Rotundifolium heute wegen der adstringierenden Wirkung verwendet werden, und aus Bupleurum Rigidum L. würden auch Besen hergestellt werden. Dazu, v.a. zu letzterem Kriterium, verweist Goyon auf [Engler]/Wolff, Pflanzenreich IV.228, Heft 43, Umbelliferae-Apioideae-Bupleurum, Trinia et reliquae Ammineae heteroclitae, 24 und 152-153; einschränkend ist zu bemerken, dass sich laut ebd., 154 der Hinweis auf die Herstellung von Besen auf Aragon, also (das neuzeitliche?) Spanien, bezieht.
Auch Goyon bespricht nicht die Belege mit Holz- und Baumklassifikator, die gegen Bupleurum noch mehr sprechen als gegen Schilfrohr; ferner zitiert er zwar den Beleg von pTurin CGT 54003, berücksichtigt in seiner Argumentation aber nicht den Umstand, dass das hdn wꜣḏ den Hirten sticht: Es wird dort als Subjekt des Verbs tbs verwendet, das zwar bislang nur drei Belege hat, die aber in allen drei Fälle in Kollokation mit sr.t, dem „Dorn, Stachel“ stehen, so dass tbs wohl „stechen“ meint – das koptische Derivat ist ⲧⲱⲃⲥ: „stechen > aufstacheln“ (TLA Lemma Nr. C4127 (ⲧⲱⲃⲥ), in: Coptic Dictionary Online, ed. by the Koptische/Coptic Electronic Language and Literature International Alliance (KELLIA), https://coptic-dictionary.org/entry.cgi?tla=C4127 (letzter Zugriff 2020-02-05)).
Germer, Handbuch, 93 lässt zwar die Bedeutung offen, zitiert aber als einzigen Deutungsversuch den von Goyon, den sie auch nicht ablehnt.
nꜣy.t: Eine unbekannte Pflanzenbezeichnung, die bislang nur aus den Pyramidentexten (inklusive spätzeitlicher Zitate) und pTurin CGT 54003 bekannt ist. Als einziges Kriterium ist bekannt, dass sich darin Schlangen aufhalten; darauf wird der Übersetzungsvorschlag als Kollektivum („Gestrüpp“, Hannig, HWb (Marburger Edition), 413, Nr. {14833}) basieren.
jni̯.n Mnj.w ngꜣ.w=f tbs.n sw hḏn wꜣḏ: Es ist nicht eindeutig, ob Haupt- oder Nebensätze vorliegen. Roccati, Papiro Ieratico N. 54003, 34 bevorzugt einen Hauptsatz (verbal übersetzt, aber prinzipiell als emphatische Konstruktion interpretierbar: „Il Pastore ha condotto il suo bove, dopo che lo ha punto la pianta-hḏn fresca.”). Gräßler, Konzepte des Auges, 89 tendiert eher zu einem Verbalsatz mit schenkelscher Rang-V-Erweiterung („Als der Hirte sein Rind geholt hat, hat ihn die grüne hḏn-Pflanze gestochen.“). Hier wird dagegen Olette-Pelletier, in: NeHeT 4, 2016, 61 gefolgt, die die Sätze als Umstandssätze an den vorigen anschließt, wenn auch nur mit dem einzigen Hintergrund, weil dadurch die tḫn-Verletzung Subjekt der Hauptsätze bleibt.
Uneinigkeit herrscht ferner bei der Frage, worauf sich das enklitische Pronomen sw bezieht. Gräßler bezieht es auf den Hirten, Olette-Pelletier auf das Rind; Roccatis Übersetzung ist in dieser Hinsicht ambig.
Unabhängig von dieser syntaktischen Diskussion stellt sich auch die Frage nach dem Inhalt dieser Aussage. Den Hirten, der hier mit Götterklassifikator geschrieben ist, identifiziert Roccati, a.a.O., 35, Anm. b mit dem Gott Min. Olette-Pelletier, a.a.O., 61, Anm. 14 verweist auf LGG III, 296c(-297a) und dass nach den dortigen Belegen der göttliche Hirte auch mit Mechenti-irti assoziiert wurde. Diese Gottheit, deren Augen Sonne und Mond waren, konnte Augenkrankheiten heilen und wurde später mit Horus identifiziert; daher möchte Olette-Pelletier in dem göttlichen Hirten eher eine Anspielung auf Horus sehen. In jedem Fall steht wohl zu vermuten, dass mit diesen (Neben)sätzen eine Anspielung auf einen mythischen Präzedenzfall, eine Historiola, vorliegt. -
tp=k: Deutlich so und nicht tš=k, wie Olette-Pelletier, in: NeHeT 4, 2016, 61 mit Verweis auf Hannig, Wörterbuch II, Bd. 2, 2706, Nr. {37428} (= Van der Molen, Dictionary of Coffin Texts, 741) angibt. Daher liegt ein weiterer – und früher – Beleg für das Verb dp/tp, Wb 5, 445.12, vor. Möglicherweise ist tp verwandt mit tf; der Wechsel p ~ f erinnert an denjenigen bei psi̯ ~ fsi̯: „kochen“, vgl. zu Letzterem die Diskussion bei Verhoeven, Grillen, 85-89 mit weiterer Literatur sowie Vernus, in: Fs Fecht, 450-455 mit weiteren Fällen.
Der Schreibung von tp mit dem spuckenden Mund und einigen Kontexten zufolge bedeutet das Verb in etwa „ausspeien/ausspucken“, vgl. auch Ritner, Mechanics, 74, der es unter den Verben des Ausspuckens aufzählt, ohne auf die Differenzen zwischen diesen Verben einzugehen. Die aktive, progressive Bedeutung „spucken“ kommt etwa im spätzeitlichen pLouvre N 3129 zum Tragen, wo als magische Handlung „gegen“ (r) jemanden dp-gemacht wird (DZA 31.388.790; DZA 31.388.800).
In anderen Passagen dieses Papyrus und dem Apophisbuch (pBremner-Rhind II) sind dagegen etwa Apophis, Seth und andere negativ besetzte Wesen das grammatische Subjekt, daher die Wb-Übersetzung „zu Grunde gehen“.
Gardiner bot für den Beleg in pChester Beatty VII, Vso. 5,10 (zerstörter Kontext) eine Übersetzung als Imperativ des Zustandspassivs an: „sei ausgespuckt“ (DZA 31.388.810) bzw. „[b]e spewed out“ (Gardiner, HPBM III, Text, 64). Diese Nuance würde auch im vorliegenden Spruch besser passen, wobei aufgrund des Suffixpronomens eher der Konjunktiv eines Zustandspassivs angesetzt werden müsste: „du mögest ausgespuckt sein“. Denn unter den verschiedenen Funktionen des Spuckens, die das Spucken in magischen Kontexten hat (s. Ritner, a.a.O., 74-88) dürfte das Verb tp hier und in den anderen Fällen, in denen das Subjekt eine negative Entität ist, wie Apophis in pBremner-Rhind II, die Funktion haben, die Ritner als „Spittle as corruption“ bezeichnet: Die Entität oder das Gift soll durch Ausspucken ausgeschieden und damit unschädlich gemacht werden (S. 81-85). Die tḫn-Krankheit ist also nicht das, was ausspuckt (so Roccati, Papiro Ieratico N. 54003, 34 und Gräßler, Konzepte des Auges, 89 [beide imperativisch] sowie Olette-Pelletier, a.a.O.), sondern das, was ausgespuckt wird; d.h. die tḫn-Krankheit ist zwar grammatisches Subjekt, aber semantisches Objekt. Das ist nur möglich, wenn das Verb an sich eine mediopassivische Bedeutung hat. Wenn eine solche Grundbedeutung nicht vorliegt, könnte man als Alternative erwägen, hier ein prädikatives passives Futur sḏmm=f/jri̯(.w)=f anzusetzen; es wäre allerdings zu untersuchen, ob man diese Form auch noch für den späten pBremer-Rhind ansetzen kann. -
Literatur zu Spruch 10:
- http://papyri.museoegizio.it/!570 [*P]
- A. Roccati, Papiro Ieratico N. 54003. Estratti magici e rituali del Primo Medio Regno, Catalogo del Museo Egizio di Torino. Seria Prima- Monumenti e Testi 2 (Torino 1970), 34-35 und Falttafel [P,*T,*U,*Ü,*K]
- N. Gräßler, Konzepte des Auges im alten Ägypten, SAKB 20 (Hamburg 2017), 89-90 [U,Ü]
- J.-G. Olette-Pelletier, Note sur l’emploi d’une rubrique cryptographique dans un papyrus du Moyen Empire, in: NeHeT 4, 2016, 59-64, hier 59-64 [P,T,U,Ü,K]
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