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sḫr.w meint eigentlich abstrakte „Pläne“, die Menschen wie Götter machen können, und „Absichten“, die sie haben können. Spezifisch „sḫr.w für Ägypten“ zu machen, also Sorge für das Land zu tragen, ist eine Handlung von Göttern wie v.a. des Chons Pꜣ-jri̯-sḫr.w, vgl. Wb. 4, 258.10-260.16. Daneben gibt es in Gestalt eines femininen sḫr.t, Wb 4, 261.1-4 auch eine materialisierte Form solcher Pläne oder Absichten. Dieses Wort wird einmal, auf dem MR-Sarg CG 28036, mit einem Brot X4A (? wohl für ein verschnürtes Papyruspaket stehend) klassifiziert und als Legende einem Paket Schreibpaletten beigeschrieben (DZA 29.550.170 = Lacau, CG 28001-28126, Sarcophages antérieurs au Nouvel Empire, Bd. 1, 106, Nr. 74). Auch die wenigen Belege der Ramessidenzeit deuten darauf hin, dass sḫr.t mehr als ein einzelnes Schriftstück umfasst.
Ein solches sḫr.t kann einen offiziellen und rechtswirksamen Charakter haben: So wird im Dekret des Königs Haremhab ein Schreiber herbeigerufen, der daraufhin Schreibpalette und sḫr.t ergreift, um die Regelungen des Königs niederzuschreiben (Urk. IV, 2143.8-10). Im ptolemäerzeitlichen Kanopos-Dekret, Zeile 12 der Tanis-Version, bezeichnet es offizielle Urkunden, in denen die geänderten Titel der Priester fortan notiert werden sollen (vgl. Pfeiffer, Dekret von Kanopos, 101-103). Im demotischen Teil steht an dieser Stelle des Textes pꜣ gy{.w} n ḏrꜥ md(.t), ein Begriff, der in der Administration „spezifisch die rechtsverbindliche Registrierung und damit Anerkennung des Geschäfts durch die staatliche Autorität“ markiert (s. Quack, in: Die Zeit Ptolemaios’ VI. bis VIII., 271, Anm. l), und im griechischen Teil des Dekrets steht χρηματισμός, womit ebenfalls hochoffizielle Dokumente bezeichnet werden können (s. LSJ, s.v. χρηματισμός, http://www.perseus.tufts.edu/hopper/text.jsp?doc=Perseus%3Atext%3A1999.04.0057%3Aalphabetic+letter%3D*x%3Aentry+group%3D35%3Aentry%3Dxrhmatismo%2Fs [13.08.2020]).
Bezüglich der „Truhe (hn) der sḫr.w“ verweist Meyrat, Papyrus magiques du Ramesseum, 34 auf die einmalige Bezeichnung des Beamten Tjanuni als hn n nsw ẖr sḫr.w tꜣ.wj: „Truhe des Königs mit den Plänen für die Beiden Länder“ (Urk. IV, 1015.17), die aber wohl bei aller syntaktischen Ähnlichkeit inhaltlich doch eher den abstrakteren Begriff sḫr.w: „Pläne“ u.ä. beinhaltet. In pRamesseum C wird die „Truhe mit den sḫr.w“ explizit im Inneren der wꜥb.t des Osiris verortet, weswegen Meyrat davon ausgeht, dass hier konkret religiöse Schriften mit geheimen Inhalten gemeint sind, deren Entnahme ein Sakrileg darstellt. An inhaltlichen Parallelen verweist Meyrat auf das ramessidenzeitliche Papyrusamulett pDeM 44, Zeile 16-17, wo dem „Feind“ vorgeworfen wird, „gegen“ eine ꜥfḏ.t-Kiste aus Akazienholz „gesprochen“ zu haben, die Horus, dem Herrn von Letopolis, gehört (s. Koenig, in: BIFAO 99, 1999, 261, 274-275, Anm. ll und 281; eine Liste mit einer Inhaltsangabe einer solchen ꜥfḏ.t-Kiste publizierte Fischer-Elfert, in: Fs Vittmann, 149-169). Außerdem wird in den späten „Kultfreveln des Seth“ dem Gott Seth vorgeworfen, die ꜥfḏ.t-Kiste von Heliopolis geöffnet zu haben, die von Anubis versiegelt worden war und mehrere Glieder oder den ganzen Körper des Osiris enthielt, s. Altmann, Kultfrevel des Seth, 63-67 und 105; vergleichbar auch ein Vorwurf im Papyrus des Imouthes, Altmann, a.a.O., 65. Eine ꜥfḏ.t-Kiste von Heliopolis ist schon in den Sargtexten, CT VI, 243e, und erneut in den ramessidenzeitlichen Papyri Chester Beatty VII, Rto. 4,1-2 und Turin CGT 54050, Rto. 3,12 erwähnt, s. Borghouts, pLeiden I 348, 95-96, Anm. 165 (Borghouts’ Verweis auf pTurin 1993 [= pTurin CGT 54051] ist in pTurin CGT 54050 zu korrigieren; zur Verwechslung dieser beiden Papyri s. hier: http://sae.saw-leipzig.de/detail/dokument/papyrus-turin-cgt-54051/ [13.08.2020] unter „Bearbeitungsgeschichte“). Die ꜥfḏ.t-Kiste von Heliopolis ist dem Inhalt nach der Osiris-Sarg, während die von Fischer-Elfert besprochene ꜥfḏ.t-Kiste definitiv eine Bücherkiste ist, die neben religiösen auch literarische und administrative Dokumente enthalten haben kann, also vergleichbar zu der Holzkiste, in der die Ramesseumspapyri lagen.
Zum Größenvergleich von ꜥfḏ.t- und hnw-Kisten im Alten Reich, aber auch mit Ausblick auf spätere Epochen, s. Brovarski, in: Fs Wente, 29-38. Danach haben hnw-Kisten verschiedene Größen, sind aber im Allgemeinen größer als ꜥfḏ.t-Kisten. Konkret festmachen lassen sich Maße für eine mit hnw beschriftete Kiste der Königin Hetepheres aus der 4. Dynastie, die 41,9 × 33,7 × 21,8 cm groß ist. Eine vergleichbare Kiste aus Gebelein, die Brovarski aufgrund ihrer äußeren Merkmale ebenfalls zu den hnw-Kisten zählt, misst 30,0 × 55,5 × 31,0 cm. Derartige Kisten können verschiedene Toilettenartikel, Schmuckstücke, Medikamente u.ä. beinhalten, und ebenso auch Schriftstücke (s. Brovarski, a.a.O., 36). Aufgrund der größeren Ausmaße dieser Kiste wurde für pRamesseum C als Übersetzung das Wort „Truhe“ gewählt.
Die Maße der Kiste, in der die Ramesseumspapyri lagen (von der aber unklar ist, ob sie als hnw-Kiste oder ꜥfḏ.t-Kiste galt), gibt Quibell in Quibell/Paget/Pirie, The Ramesseum, 3 mit 18 × 12 × 12 Inch, also etwa 45 × 31 × 31 cm an.
Fischer-Elfert (mdl. Mitteilung) erwähnt, dass eine der von ihm aktuell (2020) untersuchten Schminkgefäße ebenfalls als hn bezeichnet würde. Er sieht den Unterschied von hn zu ꜥfḏ.t darin, dass Erstere auf vier Füßen steht, was auch auf das so bezeichnete Schminkgefäß zutreffe.
Die Entführung von Schriftstücken als Sakrileg erinnert an eine Notiz des griechischen Historikers Diodors, wonach der Perserkönig Artaxerxes III. nach der Rückeroberung Ägyptens zahlreiche ἀναγραφαί: „Aufzeichnungen (auch magischer oder ritueller Natur)“ aus den ägyptischen Tempeln entnehmen ließ und sie später durch seinen Günstling Bagoas den ägyptischen Priestern wieder teuer zurück verkaufte (Diod. XVI 51, http://www.perseus.tufts.edu/hopper/text?doc=Diod.+16.51&fromdoc=Perseus%3Atext%3A1999.01.0083 [13.08.2020]). Obwohl diese Vorgänge auf realen Begebenheiten basieren könnten, ist es nicht undenkbar, dass diese Anekdote auch, basierend auf derartigen Kultfreveln, diesem König nur im Zusammenhang seiner Negativzeichnung zugeschrieben wurde.
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