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sn: Die Wahl des Verbs ist ungewöhnlich, denn die Aufnahme von Materia magica wird üblicherweise mithilfe von ꜥm: „verschlucken“ ausgedrückt, selbst dann, wenn es sich um Rauch oder Abstrakta wie „Zauberkraft“ handelt, vgl. Wb 1, 184.4 und Ritner, Mechanics, 105-106. Vergleichbares findet sich in den medizinischen Texten: Auch dort ist ꜥm einer der Oberbegriffe für die Aufnahme von Materia medica (neben sꜥm, wnm u.a.), selbst dann, wenn die Inhalation von Rauch gemeint ist, s. MedWb 1, 138-139.
An der vorliegenden Stelle ist die Verwendung von sn: „einatmen, riechen“ umso ungewöhnlicher, als das affizierte Objekt Milch ist, also eine flüssige und keine gasförmige Substanz. Daher verweist Meyrat, Papyrus magiques du Ramesseum, 152 auf Wb 4, 154.1, wonach sn auch übertragen für „Speisen küssen[,] d.h. sie kosten“ steht. Die darunter abgelegten Belegstellen sind jedoch ambivalent, denn sie stammen aus dem Kontext von Gottesopfern und könnten auch das bloße Einatmen des Duftes meinen.
Für die vorliegende Stelle aussagekräftiger könnte vielmehr die Bedeutung von Wb 4, 154.2 sein: „die Hand küssen“ aus Deir el-Bahari. Dort steht sn rmn(?): „den Arm ‚riechen‘“ parallel zu nsbi̯ ḥꜥ.w: „Glieder ablecken“; und die zugehörige Abbildung zeigt die Hathorkuh beim Ablecken der Hand der Hatschepsut.
Dafür, dass sn auch mindestens den physischen Kontakt beschreibt, scheint zunächst zu sprechen, dass dieses Wort auch „küssen“ bedeuten kann. Zunächst ist einschränkend dazu zu sagen, dass die genaue Ausführung des „Küssens“ im Alten Ägypten nicht immer eindeutig ist. Schlichting, in: LÄ III, 1980, 901–902, s.v. „Kuß, küssen“ weist auf die Schwierigkeit hin, zu entscheiden, ob man im Alten Ägypten immer vom Mundkuss sprechen kann, oder ob an vielen Stellen eher an den Riech- oder Nasenkuss zu denken sei: „Den Mundkuß findet man allein dargestellt in der Amarnazeit als Zärtlichkeitsaustausch zwischen Mutter und Kind. Ob der Mundkuß auch während des Liebesspiels praktiziert wurde, läßt sich sich aus dem uns vorlegenden Material nicht entnehmen“. Die Zweifel an Letzterem können immerhin mit Blick auf das Liebeslied Nr. 20, oCairo CG 25218 + oDeM 1266, Zeile 16 relativiert werden: j〈𓀁〉 snn=j sj sp.tj=st wn: „Ach, ich will sie küssen; ihre Lippen sind geöffnet.“ (s. im TLA: https://aaew.bbaw.de/tla/servlet/GetCtxt?u=guest&f=0&l=0&db=0&tc=445&ws=500&mv=3).
Bezüglich pRamesseum XVI lässt sich aufgrund dieses mehrdeutigen Befundes nicht mit Sicherheit sagen, dass sn die Bedeutung „ablecken“ o.ä. hat. Allein der Umstand, dass es um Milch geht, spricht dafür; gleichzeitig fragt sich, ob in pRamesseum XVI nicht tatsächlich nur an das Einatmen des – tatsächlich vorhandenen oder nur imaginierten – Duftes der Milch gemeint sein könnte. Vielleicht sollten dem betroffenen Mann gewisse göttliche Qualitäten übertragen werden, wenn die Aufnahme der beschworenen Milch auf dieselbe Weise geschieht wie die Nahrungsaufnahme im Gottesopfer.
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Bitte zitieren als:
(Vollzitation)Lutz Popko, unter Mitarbeit von Svenja Damm, Altägyptisches Wörterbuch, Daniel A. Werning, Token ID ICIBR5yYDRzzlkWnrBGWe59cO0Y <https://thesaurus-linguae-aegyptiae.de/sentence/token/ICIBR5yYDRzzlkWnrBGWe59cO0Y>, in: Thesaurus Linguae Aegyptiae, Korpus-Ausgabe 19, Web-App-Version 2.2.0, 5.11.2024, hrsg. von Tonio Sebastian Richter & Daniel A. Werning im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften und Hans-Werner Fischer-Elfert & Peter Dils im Auftrag der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig (Zugriff am: xx.xx.20xx)(Kurzzitation)
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