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qtj.y(t)/rs.w(t): Die Standardbezeichnung für „Traum“ im Ägyptischen ist rs.wt (Wb 2, 452.1–4; 96130), was wörtlich etwa als „Wachen (im Schlaf)“ aufzufassen ist. Früheste Belege lassen sich in Briefen an Tote aus der Ersten Zwischenzeit fassen, danach ist der Gebrauch des Ausdrucks kontinuierlich zu verfolgen bis zum Demotischen rsw(.t) (CDD R (01.1), 68) und setzt sich fort im Koptischen ⲣⲁⲥⲟⲩ (Crum, Dict., 302b; Černý, CED, 139; Vycichl, Dict. étym., 177b), s. Szpakowska, Behind Closed Eyes, 16.
Der Begriff qdd bzw. neuägyptisch qd.t (Wb 5, 78–79.8; 162470) hingegen bezeichnet „semantisch das vom Leben entrückte, tiefe Schlafen“, s. Gerhards, Müdigkeit und Schlaf, 183–195, bes. 191. Ab dem Neuen Reich finden sich aber auch gelegentlich Kontexte, in denen qd.t in der Bedeutung „Traum“ belegt ist, s. Szpakowska, Behind Closed Eyes, 16–17; Gerhards, Müdigkeit und Schlaf, 191. Gerhards (Müdigkeit und Schlaf, 192) verweist darauf, dass qdd mit einem Auge klassifiziert werden kann und somit der Begriff denjenigen Schlafzustand beschreibt, in dem Träume gesehen werden können. Szpakowska (Dreams and Nightmares, 29) stellt fest, dass die Bezeichnung qdd für „Traum“ ab dem Neuen Reich vornehmlich in dokumentarischen Texten aus nicht-königlichem Umfeld benutzt wird, also in Texten, die in der Regel neuägyptisch verfasst wurden. Da ein Großteil der Belege Texten aus der thebanischen Region zuzuordnen ist, erwägt sie ebenfalls eine regionale Schreibertradition.
In den Oracular Amuletic Decrees wird der Begriff qd.t insgesamt 19 Mal in 13 Texten (pLondon BM EA 10251 (L2), Rto. 44–47; pLondon BM EA 10587 (L6), Rto. 11–15; pTurin Cat. 1983 (T1), Rto. 17–47; pTurin Cat. 1984 (T2), Rto. 11; pTurin Cat. 1985 (T3), Rto. 19–21; pParis Louvre E8083 (P2), Rto. 4–7; pParis Louvre E 25354 (P3), Rto. 13–16; pParis BN 182 (P4), 5–6; pKairo CG 58035 (C1), 70–73; pPhiladelphia PENN E 16724 (Ph), A, 4–7 u. B, Rto. 6–8; pBerlin 3059 (B 3059), 7–10; pCleveland CMA 14.723 (CMA), 6–10; pBoulaq 4, Vso. 6–7?) unmissverständlich in der Bedeutung „Traum“ benutzt, da in der Überzahl der Belege qd.t in Verbindung mit dem Verb ptr „sehen“ (Wb 1, 564.1–19; 62900) belegt ist und somit als visuell wahrnehmbar beschrieben wird. Dies ist nur schlüssig, wenn man für qd.t die Bedeutung „Traum“ ansetzt. Zusätzliche Bestätigung dieser Auffassung von qd.t erhält man durch zwei Texte (pNew York MMA 10.53 (NY), Rto. 60–62; pChicago OIM E25622A-D (Ch), 69–76), die in den entsprechenden Schutzversprechungen anstelle von qd.t tatsächlich den Standardbegriff für Traum rsw.t aufweisen. Diese beiden Texte zeigen eine Schreibung, die durch rs-tp (Wb 2, 451.7–8; 9600) bzw. rs (Wb 2, 449.8–451.12; 95940) beeinflusst ist: zusätzlich zu dem Auge (D6) ist die Gruppe Kopf – Semogrammstrich (D1-Z1) als Klassifikator gesetzt, vgl. Wb 2, 450.
Ein weiterer Text (pLondon BM EA 10587 (L6), Rto. 11–15) bietet darüber hinaus eine zusätzliche Variante: Neben dem Begriff qd.t werden parallel die Begriffe rs.wt „Traum“, qḏm „(Sicht)omen“ (Wb 5, 148.11; s. Hoch, Sem. Words, 339–340 [503]; 165950) sowie ꜥꜥw „Schlaf“ (35760; Meeks, AL 77.0587, 78.0647; Gerhards, Müdigkeit und Schlaf, 133–139) gebraucht. Hier wäre nun zu überlegen, auf welche Weise die Begriffe qd.t, rsw.t und ꜥꜥw sich in diesem Zusammenhang genau unterscheiden, da nicht davon auszugehen ist, dass sie dort synonym gebraucht sind, s. Szpakowska, Behind Closed Eyes, 17. Für die Begriffe ꜥꜥw und qdd liegt mittlerweile eine detaillierte Bedeutungsanalyse vor (Gerhards, Müdigkeit und Schlaf, 133–139, 183–191). Hiernach bezeichnet qdd den tiefen Schlaf (ebd. 191), wohingegen ꜥꜥ.w mit seiner semantischen Grundbedeutung „die Augen schließen“ eher als Gegensatz zu einem Zustand der Wachheit und Konzentration benutzt wird (ebd. 138–139), den man vermeiden möchte. Im hier zu besprechenden Satz ist es eindeutig, dass die beiden Bezeichnungen für „Schlaf“ metonymisch in der Bedeutung „Traum“ verwendet werden. Der Begriff qdd kann aufgrund der weiteren OAD als Standardbegriff für „Traum“ innerhalb dieser Textgruppe gelten (s.o.). Eine Abgrenzung zu rsw.t ist daher nur schwer möglich. Vermutlich ist die Auswahl zwischen den beiden Begriffen mit Szpakowska (Dreams and Nightmares, 29) eher mit dem Sprachgebrauch oder eventuell regionalen Traditionen zu begründen (s.o.). Da ꜥꜥw offenbar Schlafmomente bezeichnet, die sowohl am Tag als auch in der Nacht stattfinden können, ist mit diesem Begriff wohl eher ein sog. „Sekundenschlaf“ bzw. ein kurzes Einnicken zu verbinden, das auch kurze intensive Traumerlebnisse einschließen kann. In Ermangelung eines genauen Pendants in der deutschen Sprache schlage ich für die Übersetzung den Begriff „Einschlaf(traum)“ vor.
Szpakowska (Dreams and Nightmares, 300–301) erklärt die Zusammenstellung der Begrifflichkeiten in diesem Versprechen folgendermaßen: „The scribe may have been simply enumerating every word in his vocabulary pertaining to a similar phenomenon in order to ensure, that the bearer of this amulet was protected against the widest spectrum of visual phenomena while in a somnolent state.“ Hier können wir also mit insgesamt vier Bezeichnungen aus dem Feld „Träume und Visionen“ ein quasi „inflationäres“ Vorkommen der Begrifflichkeiten fassen, wie es innerhalb der OAD auch bei bestimmten Körperteilen zu beobachten ist, so z.B. im pTurin Cat. 1984 (T2), Vso. 19–25 (Hand) sowie Vso. 11–13 (Zähne). Bardinet (Dents et mârchoires, 47–48) hat diese Häufung ähnlicher Bezeichnungen als „saturation lexicale (lexikalische Übersättigung)“ bezeichnet, und er führt dies auf das Bedürfnis zurück, in den Oracular Amuletic Decrees einen größtmöglichen Schutz zu gewährleisten, indem alle Möglichkeiten in jedwedem Detail bezeichnet und genannt werden.
Eine Zusammenfassung zur Bedrohlichkeit von Alpträumen und verschiedenen Maßnahmen zum Schutz vor bösen Träumen bietet Szpakowska, Demons in the Dark, 63–76; zu Träumen in den OAD, s. Szpakowska, Dreams and Nightmares, 297–307; Grams, in: SAK 46, 2017, 93–95.
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