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In den Oracular Amuletic Decrees gibt es ein Versprechen zum Schutz vor zwei Affen, und zwar einer Meerkatze (gjf Wb 5, 158.12–16; 166670) und einem Pavian (jꜥnꜥ Wb 1, 41, 5–6; 850186). Das Versprechen ist in sechs Texten (pLondon BM EA 10587 (L6), Rto. 57–59; pTurin Cat. 1983 (T1), Rto. 100–103; pTurin Cat. 1984 (T2), Rto. 40–42; pParis Louvre E 25354 (P3), Rto. 28–30; pKairo CG 58035 (C1), 35–38; pChicago OIM E25622A-D (Ch), 80–82) bezeugt. Drei weitere Texte (pParis Louvre E 8083 (P2), Rto. 16–18; pBerlin ÄMP 3059 (B 3059), 41–43; pPhiladelphia Penn E 16724 (Ph), D 2–4) überliefern nur den Teil, der die Meerkatze betrifft. Die Texte zeigen so unterschiedliche Varianten des Versprechens, dass ein Versuch, die Genese der verschiedenen Versionen nachzuzeichnen, für das Verständnis von Nutzen sein dürfte.
Die beiden Affen werden jeweils durch einen Relativsatz bzw. ein Genitivattribut näher bestimmt. In diesem Teil unterscheiden sich die Versionen und ich möchte im Folgenden darlegen, wie sich diese unterschiedlichen Versionen durch eine Folge von Neuinterpretationen bzw. Fehler verschiedener Schreiber entwickelt haben könnten.
In der mutmaßlichen Ursprungsvariante wird die Meerkatze als n.tj (ḥr) sjp jwy.t diejenige, „die das Sanktuar kontrolliert“ (T1), bzw. als n.tj (ḥr) sjp.t jꜣd.t diejenige, „die den Hügel kontrolliert“ (T2), beschrieben. Parallel hierzu wird der Pavian als n.tj (ḥr) sip Wḏꜣ.t derjenige, „der das Udjat-(Auge) kontrolliert/prüft“ (T1), bzw. als n.tj (ḥr) sjp.t pꜣ Wḏꜣ.t(j) derjenige, der das Udjat-Augen-Paar (?) (Genuswechsel im Dual nach Borghouts, in: JEA 59, 1973, 145 [9]) kontrolliert/prüft (T2) bezeichnet.
Beginnen wir mit dem ersten Element, das für beide Teilsprüche gleich formuliert ist: n.tj (ḥr) sjp bzw. sjp.t: Für das Verbum sjp „überweisen, revidieren, prüfen, suchen“ (Wb 4, 35.2–16; Wilson, Ptol. Lexikon, 798; 128139) ist in diesem Kontext vermutlich der Aspekt der Kontrolle (s. Borghouts, in JEA 59, 1973, 145 [8]) dem einer Überweisung (s. Edwards, HPBM 4, Bd. 1, 54–55 [49]: „assign“) vorzuziehen. Der Infinitiv wird in T1 entgegen des allgemeinen Befunds in dieser Zeit, in dem II-radikalige Kausativ-Verben niemals mit Endung belegt sind (JWSpG, 101, §163) mit der t-Endung geschrieben. Die für diese Zeit ungewöhnliche Schreibung eines Infinitivs könnte daher zu einer Neuinterpretation der Stelle geführt haben, die uns in den Texten C1 und P2 überliefert ist: Die beiden Texte zeigen nämlich die Genitivkonstruktion n(.j) tꜣ sjp.t anstelle des Relativsatzes im Präsens I (n.tj (ḥr) sjp(.t)). Als Grund einer solchen Neuinterpretation würde man wohl zunächst in erster Linie das fast identische Klangbild der beiden Versionen vermuten, doch könnte die t-Endung wohl auch bei einer Abschrift einen Schreiber zu einer solchen „Korrektur“ des Textes angeregt haben.
Das jeweilige Objekt der Kontrolle folgt wie im Relativsatz direkt auf sjp.t und muss in dieser Konstruktion nun als indirekter Genitiv aufgefasst werden. Der Text C1 überliefert beide Teile des Versprechens, wobei den anderen Versionen entsprechend der Meerkatze die Kontrolle eines Hügels (jꜣd.t) und dem Pavian die Kontrolle des Udjat-Auges (Wḏꜣ.t) zugewiesen wird. Der Text P2 zeigt nur ein Element. Hier wird der Meerkatze die Kontrolle eines Sanktuars (jwꜣ(.t)) zugewiesen. Darüber hinaus überliefern fünf Texte (Ch, P3, L6, B3059 und Ph) eine weitere Variante, in dem das erste Element offenbar nochmals eine Neuinterpretation erfahren haben muss: Anstelle von n(.j) tꜣ sjp.t findet sich in diesen Texten der Passus n.j tꜣ s.t. Drei von diesen Texten (Ch, P3 und L6) zeigen das vollständige Versprechen mit beiden Teilen, wobei allerdings im Text L6 die beiden Affenarten miteinander vertauscht sind. In den beiden anderen Texten (B3059 und Ph) ist nur der Teil, der die Meerkatze betrifft, enthalten. Es ist schwer erklärbar, wie es zu dieser Neuinterpretation gekommen ist. Weder auf der graphischen noch auf der lautlichen Ebene ist eine solche Interpretation naheliegend. Möglicherweise wurde die Genitivkonstruktion mit dem Begriff sjp.t als unverständlich aufgefasst und deshalb geändert. In den Texten, die diese Version überliefern, zeigt die grundlegende Änderung der Aussage im ersten Element Auswirkungen auf das jeweilige zweite Element, die im Folgenden näher betrachtet werden sollen.
Der Pavian wird als derjenige beschrieben, der das Udjat-Auge kontrolliert, (T1: n.tj (ḥr) sjp Wḏꜣ.t; T2: n.tj (ḥr) sjp.t pꜣ Wḏꜣ.t) und dadurch als Thot identifiziert. Thot obliegt die Kontrolle bzw. Inspektion des Horus-Auges (vgl. CT III 343c–344g, s. Altmann, Mondsymbolik, 188) und des Udjat-Auges (vgl. Jp-Wḏꜣ.t „Der das Udjat-Auge inspiziert“: LGG I, 216c; pChester Beatty VIII (pBM EA 10688), rt. 9.1: jnk Ḏḥw.tj jni̯ {ḏꜣ.t} 〈Wḏꜣ.t〉 mḥ.tj sjp.tj „Ich bin Thot, der das Udjat-Auge gebracht hat, vollständig und geprüft“, Brose, in: Thesaurus Linguae Aegyptiae: IBcDNDXmKQEZxUtzkgh9GozxX1k. Diese Verbindung ist ein starkes Argument dafür, die n.tj-(ḥr)-sjp(.t)-Versionen als die ursprünglichen anzunehmen. Schwierigkeiten bereiten hier allerdings die Texte T2 und C1, die pꜣ Wḏꜣ.t schreiben. Edwards (HPBM 4, Bd. 1, 64 [21]) verweist auf L6, der pr-Wḏꜣ.t schreibt und emendiert entsprechend. Diese Erklärung ist sinnvoll und passt hervorragend, solange man die verschiedenen Versionen unabhängig voneinander betrachtet. Denn im Text L6 haben wir die n.j-tꜣ-s.t-Variante, die ich innerhalb der Entwicklung als letzte Version erkennen möchte. T2 zeigt die meiner Meinung nach ursprüngliche Variante (n.tj (ḥr) sjp.t) und C1 die meiner Meinung nach daraus abgeleitete Genitiv-Variante (n(.j) tꜣ sjp.t). Eine Verschreibung von pr zu pꜣ ist unter dieser Voraussetzung nicht plausibel. Ich denke, dass im Text L6 der Schreiber durch das Hinzufügen von pr versucht hat, die Angabe „Stätte des Udjat-Auges“ plausibler zu machen. Hinzu kommt, dass im Klangbild des Satzes pr das p von sjp(.t) repräsentieren könnte. Für die Schreibung pꜣ Wḏꜣ.t in den Texten T2 und C1 muss daher eine andere Erklärung gefunden werden, wenn man nicht davon ausgeht, dass in T2 und C1 unabhängig von L6 pꜣ für pr geschrieben wurde. Dies wäre durchaus möglich, da im Neuägyptischen die Schreibungen der beiden Wörter durcheinandergehen (Neveu, Langue des Ramsès, 4). Borghouts (in: JEA 59, 1973, 145 [9]) bespricht diese Stelle und verweist darauf, dass feminine Wörter im Dual teilweise grammatikalisch als Maskulinum Singular aufgefasst werden können (GEG, 416 § 511 [1a]). Er schlägt daher als Übersetzung „the pair of wḏꜣ.t-eyes“ (ebd.) vor, dem hier gefolgt wird, vgl. hierzu auch Grams, in: SAK 46, 2017, 79. Zur direkten Genitivkonstruktion mit einem determinierten Rektum sip.t pꜣ Wḏꜣ.t(j), die sich hierdurch im Text C1 ergibt, s. Junge, Näg. Gr., 64. Möglicherweise ist der Genuswechsel beeinflusst durch den Umstand, dass das Wort jr.t „Auge“ im Neuägyptischen sowohl als Femininum als auch als Maskulinum aufgefasst wurde, s. Neven, in: LingAeg 21, 2913, 143–144. Im Text P3 – ebenfalls eine n.j-tꜣ-s.t-Version – verbindet der Schreiber s.t und Wḏꜣ.t durch einen indirekten Genitiv.
Der Meerkatze ist die Kontrolle/Inspektion eines Hügels bzw. eines Sanktuars zugeordnet. Auch hier ist es naheliegend, in der Meerkatze eine Form des Gottes Thot zu vermuten. In der 6. Stunde des Stundenbuchs zumindest wird Thot als jꜥnw gjf bezeichnet, s. Faulkner, Book of Hours, 22,4; Borghouts, in: JEA 59, 1973, 146 [2]; LGG VII, 302a). Leider finden sich keine Text-Parallelen zur Kontrolle eines Sanktuars oder eines Hügels. Daher ist nicht zu entscheiden, ob „Sanktuar“ oder „Hügel“ der ursprünglichen Version zugeordnet werden können. Fünf Texte (L6, Rto. 58; T1, Rto. 101; P2, Rto. 17; P3, Rto. 29; Ch, 81) zeigen Schreibungen, die mit jwy.t „Haus, Sanktuar, Stadtviertel“ (Wb 1, 49.5–8) korrespondieren, wobei sicherlich „Sanktuar“ gemeint sein dürfte. Die anderen vier Texte (T2, Rto. 41; Ph, D3–4; C1, 36; B3059, 42–43), schreiben jꜣ.t „Stätte, Hügel“ (Wb 1, 26.9–15), wobei bis auf einen (C1) die jüngere Schreibung jꜣd.t (Lesko, Dictionary I, 18) verwendet wird. Bei den Texten, die die n.j-tꜣ-s.t-Version schreiben, zeigen drei Ergänzungen bzw. Veränderungen in diesem Element. Der Schreiber von P3 ergänzt den bestimmten Artikel (n.j tꜣ s.t pꜣ jw(y.t)), derjenige von L6 schreibt einen indirekten Genitiv und schaltet ein pr vor (n.j tꜣ s.t n.t pr [jw(y.t)]). Es ist zu überlegen, ob im Text P3 pꜣ für pr zu lesen wäre, da es sich bei jwy.t um ein Femininum handelt, wobei hier die Schreibung ohnehin stark verkürzt und ohne Endung ausgeführt ist. Womöglich war dem Schreiber die Bedeutung nicht ganz klar, oder er hat tatsächlich pr gemeint. Insgesamt hatten die Schreiber offenbar das Bedürfnis die eher allgemeinen Begriffe jꜣd.t „Hügel“ und jwy.t „Sanktuar“ näher zu bestimmen. Dies zeigt sich vor allem in der Version von Ph, in der der Schreiber Pn-jd.ty klar als Toponym auffasst und mit O49 klassifiziert. Es ist unklar, ob er hiermit einen konkreten Ort benennt, zumindest ist ein solcher Ort aus anderen Quellen nicht bekannt. Und auch hier könnten ebenso wie bereits für pr Wḏꜣ.t in der Version von L6 postuliert die Ergänzungen von pꜣ, pr sowie pn im Klangbild des Satzes den p-Laut von sjp(.t) repräsentieren.
Ich meine, dass die vorgeschlagene Entwicklungslinie sich gut aus dem zeitgenössischem Klangbild des Satzes herleiten lässt und sich die unterschiedlichen Versionen dieses Versprechens hierdurch plausibel voneinander ableiten lassen. Verschreibungen aufgrund eines ähnlichen Klangbilds sind belegt und lassen sich vermutlich in Teilen auch auf eine Verschriftlichung nach Diktat zurückführen, s. Černý, in BIFAO 41, 1942, 118–133. Ob eine solche Erklärung auch für die Oracular Amuletic Decrees greifen könnte, ist ungeklärt.
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Bitte zitieren als:
(Vollzitation)Anke Blöbaum, unter Mitarbeit von Johannes Jüngling, Token ID ICQBk6hyflid3kzfrgUwagmETAY <https://thesaurus-linguae-aegyptiae.de/sentence/token/ICQBk6hyflid3kzfrgUwagmETAY>, in: Thesaurus Linguae Aegyptiae, Korpus-Ausgabe 19, Web-App-Version 2.2.0, 5.11.2024, hrsg. von Tonio Sebastian Richter & Daniel A. Werning im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften und Hans-Werner Fischer-Elfert & Peter Dils im Auftrag der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig (Zugriff am: xx.xx.20xx)(Kurzzitation)
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