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stꜣ: Höchstwahrscheinlich ist ein echter Kerzendocht o.ä. gemeint, der als Ingredienz eines Räuchermittels nicht überraschend ist, wenn auch als Materia medica bislang einmalig. Alternativ könnte man noch überlegen, ob ein Tarnname bzw. Synonym für eine andere Droge gemeint ist, bspw. die mꜣt.t-n.t-sw.t-Pflanze, die im magischen Papyrus Budapest 51.1961 + Turin CGT 54058, Zeile 2,9 = https://thesaurus-linguae-aegyptiae.de/sentence/IBUBd6ojIEl230W3l149IKi5HFs dazu dient, die Fackel (tkꜣ) des Re anzuzünden (stꜣ.y), oder die – je nach syntaktischer Analyse – selbst die Fackel (stꜣ.y) ist, die für Re leuchtet (tkꜣ). Bezüglich der Option, dass damit schlicht mꜣ.t n.t swt, der „Halm der sw.t-Binse“ gemeint ist, könnte eine real gefundene tkꜣ-Fackel aus dem spätzeitlichen Grab des Anchmahor (Fundnummer K07/238) von Bedeutung sein, die aus Stoffstreifen besteht, die um einen länglichen Kern, vielleicht ein „Binsenrohr“ mit ähnlichem Querschnitt wie ein Rohrkolben, s. von Lieven, in: Fs Seidlmayer, 336-337 mit Abb. 1 (Literaturhinweis H.-W. Fischer-Elfert).
nḥp: Nḥp genannte Objekte werden in den drei Räuchermitteln Bln 46, 60 und 75 des medizinischen pBerlin P 3038 genannt sowie im Räuchermittel Brk § 99c des Schlangenpapyrus. Vor allem die Verwendung von dezidiert sieben dieser Objekte in Bln 46 und Bln 60 erinnert stark an die „7 Steine (jnr)“, die im Räucherrezept Eb 325 zur Anwendung kommen, s. bereits Wreszinski, Medizinischer Papyrus Berlin, 58-59. Wenn er das Wort mit „Platte“ übersetzt, scheint er aber auch schon an die nḥp.t: „Töpferscheibe“ gedacht haben. Zwar trennt Wb 2 noch zwischen den Lemmata nḥp.t: „Töpferscheibe“ (Wb 2, 294.9-12, https://thesaurus-linguae-aegyptiae.de/lemma/86360) und nḥp: „Steine o.ä., die man erhitzt, um Räucherwerk darauf in Rauch zu verwandeln“ (Wb 2, 965.9, https://thesaurus-linguae-aegyptiae.de/lemma/86400). Doch auch MedWb 1, 474 hält beide Wörter für identisch, und dementsprechend wird das Wort meist übersetzt.
Weitere Bestätigung, dass die nḥp-Objekte dieser Rezepte zunächst eine Art Räuchersteine sind, findet sich im Athener magischen Papyrus, der in Zeile x+10,2-3 auf eine mḏꜣ.t n(.t) pꜣ 7 jnr kꜣp: „Schrift zu den 7 Räuchersteinen“ verweist und daraus in x+10,6-11,11 zitiert: Dort werden die rn n nꜣ jnr: „Namen der Steine“ hymnisch angerufen, erst jeder einzeln und am Ende in der Summe als pꜣ 7 nḥp{.t}. Abschließend erfolgt die Anleitung, dass dieser Hymnus über 7 nḥp{.t} kꜣp: „7 Räucher-nḥp“ rezitiert werden solle. (NB: nḥp beide Male verschrieben zu nḥbtḥpt, weil dem Schreiber zunächst das häufigere Wort für „Nacken“ aus der Binse geflossen ist.). Zu dieser Passage s. Fischer-Elfert/Hoffmann, Mag. Papyrus Nr. 1826, 163+171, Anm. 768 und 182-193, die das Wort mit „Töpferscheibe“ übersetzen.
Nicht nur die Erklärung als „Steine (zum) Erhitzen“ (jnr kꜣp), sondern auch die Frage der praktischen Umsetzbarkeit lässt die Frage aufkommen, ob in diesem Fall tatsächlich (scil.: echte) Töpferscheiben gemeint sind. Was genau ist mit nḥp.t überhaupt gemeint? Das ganze Gerät? Oder nur ein Teil? (Einer) der älteste(n) Beleg(e), aus den Admonitions, vergleicht das sich Umwenden (msnḥ) des Landes mit der Aktion der nḥp. Das fokussiert zunächst auf die Drehscheibe, muss aber den Rest des Geräts, nach dem Prinzip pars pro toto, nicht ausschließen. Die Klassifizierungen v.a. der Ptolemäerzeit scheinen auch das gesamte Gerät anzudeuten. Nur wie muss man sich den Einsatz und die Anordnung von sieben (Bln 46, 60 und Athener mag. Papyrus) oder gar zwölf (Bln 75) bis „viele“ (ꜥšꜣ: Brk § 99c) Töpferscheiben vorstellen? Die von Powell, in: Amarna Reports VI, 309-316 zusammengestellten Objekte wiegen trotz ihrer relativ geringen Größe schon mehrere Kilogramm: Die Töpferscheibe BM EA 55316, bei der sogar noch die eigentliche Drehscheibe erhalten ist, wiegt insgesamt 18,9 kg. Ist der Einsatz von sieben oder sogar zwölf Objekten dieser Dimensionen für ein Räuchermittel praktikabel? Und wenn ja, wie sind sie angeordnet? Liegen sie nebeneinander wie eine Art Deckel auf dem Feuer? Sind sie tlw. übereinandergeschichtet und würden echte Töpferscheiben dann überhaupt genügend Hitze aufnehmen können, um diese wiederum an die eigentlich zu räuchernden Ingredienzien übertragen zu können?
Aus diesem Grund ist es denkbar, dass Wb mit der nur ungefähren Umschreibung der Objekte als „Steine (...)“ vielleicht schon die bessere Übersetzung gegeben hatte. Könnte es sich bei dem nḥp der medizinischen und magischen Texte schlicht um kleinere Steine gehandelt haben, von denen man eine magisch wirksame Anzahl erhitzte, um mit ihnen wiederum dann die Räuchermittel zu produzieren? Falls man hier an abgeflachte, annähernd scheibenförmige Steine denken darf – auf denen sich sicherlich gut auch zusätzlich benötigte Gefäße balancieren ließen –, könnte man ihren Namen vielleicht dennoch als „Töpferscheiben“ deuten, nämlich in dem Sinne, dass die Ägypter ihnen die Natur eben einer „Töpferscheibe“ zusprachen, um über Wortmagie zusätzlich die Schöpfungskraft dieses Utensils zu aktivieren.
Die Schreibung des magisch-medizinischen Utensils trägt zu dieser Entscheidung nur wenig bei: In Bln 46, Brk. § 99c und dem Athener magischen Papyrus ist das Wort mit dem Stein klassifiziert; in Bln 46 zusätzlich mit einem Zeichen, das gewöhnlich als Gardiner Sign-list S20, 𓋩, identifiziert wird, und in Bln 60 und 75 mit dem vermutlichen S20 allein. Hieratische Schreibungen für die Töpferscheibe sind rar; ein höchstwahrscheinlicher Beleg findet sich in der Lehre des Amemenope, BM EA 10474 rto. 12,16 = https://thesaurus-linguae-aegyptiae.de/sentence/IBUBd39dQyoZ90iTuFQFexMK3ec und scheint das Zeichen U99C der Extended Library wiederzugeben. (Ein weiterer Beleg könnte in pFlorenz PSI inv. I 72, Zeile x+7,5 = https://thesaurus-linguae-aegyptiae.de/sentence/IBUBd1OEhIB3XkRhqO3mqP6R25I vorgelegen haben, aber die Stelle ist zu kaputt, um das mit Sicherheit zu sagen.) Dessen Form ist ähnlich zu dem Hieratogramm des Berliner Papyrus, aber doch gleichzeitig davon verschieden genug, um von zwei Zeichen auszugehen; die Identifizierung des Hieratogramms des Berliner Papyrus als S20 wiederum dürfte aufgrund genügend vergleichbarer Formen in anderen Texten als sicher gelten.
Zusätzlich zum bereits Gesagten muss hier zudem das Wort nḥp.t in der Phrase wbꜣ nḥp.t berücksichtigt werden, das in Wb 2, 294.13 einen eigenen Eintrag bekommen hat. Es handelt sich dabei um eine mit dem Sonnenaufgang verbundene Handlung des Sonnengottes, so dass Wb bei diesem nḥp.t an ein Wort für „Mistkugel ?“ (scil. des Skarabäus) dachte. Das dieser Hypothese zugrundeliegende Bild ist das des Aufbrechens der Mistkugel und Herauskriechens des neuen Skarabäus, was mit der Geburt des Sonnengottes gleichgesetzt werden könnte. Eine Bedeutung „Mistkugel“ wäre nun auf den ersten Blick auch in den Räuchermitteln nicht ganz unpassend und würde an die auffallende Häufung von ḥs: „Kot“ als Ingredienz von Räuchermitteln erinnern (notiert etwa von Quack, in: Medizinhistorisches Journal 38 (1), 2002, 9, der darin einen Tarnnamen für Aromastoffe vermutet). Allerdings ist der Bedeutung „Mistkugel“ für nḥp.t mehrfach widersprochen worden. So weist Assmann, Sonnenpriester, 23, Anm. 2 darauf hin, dass das biologische Vorbild des aus der Mistkugel kriechenden Skarabäus eigentlich erfordern würde, dass sie Abbild der Unterwelt und nicht ein solches der Sonne sei. In diesem Zusammenhang verweist er auf Hornung, Amduat, ÄA 7, Bd. 2, 105, wonach das Oval des Sokar und formähnliche ovale Mistkugeln in Skarabäusdarstellungen sowie die Scheiben in solchen Darstellungen, in denen der Skarabäus aus ihnen hervorkommt, statt sie zu schieben, eigentlich nur die Unterwelt meinen können, so dass die Kugel des Skarabäus „nicht immer als Sonnenscheibe interpretiert werden“ könne. Aufgrund dessen erwägt Assmann, a.a.O., dass nḥp.t in der Phrase wbꜣ nḥp.t die „Mistkugel-Unterwelt“ sei, und zitiert die parallele Formulierung wbꜣ dwꜣ.t: „die Unterwelt öffnen“.
Im weiteren Verlauf der Diskussion verweist Assmann auf S. 24-25 auf eine Darstellung im Buch von der Nacht, in der ein Skarabäus über Töpferscheibe über tm-Schlitten abgebildet sei, was er als Illustration des Vorgangs wbꜣ nḥp.t liest, aber die Töpferscheibe dabei nur „in einem phonogrammatischen Sinne“ verstehen möchte, d.h. in diesem Bild würde das Wort nḥp.t der Phrase wbꜣ nḥp.t durch die Töpferscheibe illustriert, ohne aber auch „Töpferscheibe“ zu heißen. Dennoch sucht er eine lexikalische Verbindung zwischen beiden Wörtern und schlägt vor, nḥp.t als den Tonklumpen auf der Töpferscheibe zu interpretieren, mit Verweis auf Alliot, Culte d’Horus, 122, Anm. 2, der darin „la sphère modelée (nḥp) sur le tour à potier“ sieht. Trotz dieser längeren Wortbesprechung möchte er sich aber nicht auf eine konkrete Wortbedeutung festlegen, sondern lässt es unübersetzt.
Assmanns Deutungsvorschlag folgt bspw. Hornung, Zwei ramessidische Königsgräber, 92, Text E: „Tonklumpen“. Dagegen lehnt ihn Dorman, in: Fs Wente, spez. 84, ab, u.a. weil es außerhalb der Phrase wbꜣ nḥp.t keinen Beleg dafür gebe, dass nḥp.t sowohl die Töpferscheibe als auch das darauf Getöpferte bezeichne. Er folgt vielmehr einem Vorschlag von Sauneron (in Esna V, 88 und dazu 92, Anm. x – darauf verweist bereits Assmann) und denkt bei wbꜣ an eine übertragene Bedeutung „release, loose, activate“ (Sauneron: „mettre en œuvre“). Auf S. 88-89 schlägt er dann „to spin the potter’s wheel“ als idiomatische Übersetzung von wbꜣ nḥp.t vor, womit metaphorisch die Empfängnis des Sonnengottes, „or at least the enlivening of the fetus within the celestial womb“ ausgedrückt worden sei.
Auch Manassa, Late Egyptian Underworld, Bd. 1, 177-178 lehnt Wbs/Assmanns Deutung von nḥp.t als Mistkugel ab und vermutet, wie Dorman, hierin das ägyptische Wort für die „Töpferscheibe“. Die Phrase wbꜣ nḥp.t hält sie für die Weiterentwicklung eines Idioms, das ursprünglich auch noch Lehm beinhaltet habe, und verweist auf Sargtext-Spruch 882, in dem das Öffnen der Sonnenscheibe (jtn wbꜣ) mit dem Zerbrechen (sḏ.t) von nḥp.w verglichen würde (wobei Syntax und Kotext weniger eindeutig sind, als ihre Übersetzung suggeriert). Auch Formulierungen wie ḫꜥi̯ ḥr nḥp.t: „auf der nḥp.t erscheinen“ würden gegen eine Übersetzung des Wortes mit „Mistkugel“ sprechen.
Dagegen betont Quack, in: ZDMG 155, 2005, 611, die Grundbedeutung von wbꜣ als „öffnen“, weswegen er Dormans idiomatische Übersetzung ablehnt; und da zudem in den von Dorman diskutierten Unterweltsbüchern eher biologische als technische Bilder vorkommen, schlägt er vor, nḥp.t als „Fruchtblase“ zu verstehen, was „umso angemessener wirkt, als ja nach Esna 320, 21 das nḥp-Objekt vom Schöpfergott in den Körper der Frauen überführt wird“. Von Lieven (Carlsberg Papyri 8, 133) übernimmt diesen Vorschlag als passend auch für das nḥp.t im Nutbuch, wohingegen Klotz, in: BiOr 68 (5-6), 2011, 485 ihn für „pure conjecture“ und unbelegt hält und zu einer metaphorischen Bedeutung von „die Töpferscheibe öffnen“ = „mit dem Schöpfungsakt beginnen“ zurückkehrt. Die von Quack, in ZDMG angekündigte ausführlichere Studie zu nḥp.t als Fruchtblase ist nicht mehr zustande gekommen (E-Mail Quack vom 20.02.2023).
Zusammenfassend lässt sich damit festhalten, dass sich das nḥp-Utensil der magischen und medizinischen Texte unter Umständen mit dem nḥp.t-Objekt der Phrase wbꜣ nḥp.t zusammenbringen ließe, falls diese tatsächlich einen Tonklumpen o.ä. bezeichnen würde – dafür könnte u.U. auch die Klassifizierung von nḥp mit dem Siegel sprechen –, nicht jedoch, wenn damit die Fruchtblase gemeint ist.
ꜥšꜣ: H.-W. Fischer-Elfert (persönl. Mitteilung) überlegt, ob das Adjektiv an dieser Stelle nicht eher „gewöhnliche“ als „viele“ bedeutet (s. Wb 1, 228.21), um auszudrücken, dass eben ganz einfache Töpferscheiben gemeint seien und keine in irgendeiner Weise besonderen, speziellen. Dies ist eine denkbare Alternative, jedoch scheint doch die Bedeutung „viele“ näherzuliegen, da man wohl eher vermuten sollte, dass umgekehrt eher eine spezifische Art Töpferscheibe durch ein Attribut gekennzeichnet werden würde statt die unspezifische Art. Die Quantifizierung durch ꜥšꜣ fände sein Gegenstück in den Rezepten Eb 38 und Eb 212, spez. im Ersteren, worin die einzelnen Drogennamen nur mit dem Einerstrich quantifiziert sind und für Malachit die Mengenangabe nhj: „eine Winzigkeit“ angegeben ist.
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Bitte zitieren als:
(Vollzitation)Frank Feder, unter Mitarbeit von Altägyptisches Wörterbuch, Lutz Popko, Svenja Damm, Peter Dils, Daniel A. Werning, Token ID KUJDYJKYYFF7JKQ3OBC27E5WFU <https://thesaurus-linguae-aegyptiae.de/sentence/token/KUJDYJKYYFF7JKQ3OBC27E5WFU>, in: Thesaurus Linguae Aegyptiae, Korpus-Ausgabe 19, Web-App-Version 2.2.0, 5.11.2024, hrsg. von Tonio Sebastian Richter & Daniel A. Werning im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften und Hans-Werner Fischer-Elfert & Peter Dils im Auftrag der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig (Zugriff am: xx.xx.20xx)(Kurzzitation)
https://thesaurus-linguae-aegyptiae.de/sentence/token/KUJDYJKYYFF7JKQ3OBC27E5WFU, in: Thesaurus Linguae Aegyptiae (Zugriff am: xx.xx.20xx)
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