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(oder: Mund 〈gegen〉 Mund, Zahn gegen Zahn am Tage, da das Gift des Feindes zerbrochen(?) (wird). Der Spruch des Gottes ist gegen die Wirkung deines Mundes (gerichtet).)
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Für diese Passage gibt es einige (Teil-)Parallelen:
(1) pTurin CGT 54051 (= pTurin Cat. 1993), vso 4,4-5 (20. Dynastie):
jbḥ 〈r〉 j〈b〉ḥ jw Rꜥw zꜣu̯ tꜣ mtw.t (m-ḏr dm Rꜥw rn=f)
(2) pChester Beatty VII, rto 7,5-6 (20. Dynastie):
rʾ r rʾ jbḥ r jbḥ Rꜥw ⸢zꜣu̯ mtw.t⸣ | tꜣ wḥꜥ.t jri̯(.t).n=j m sjn (...)
(3) Stele BM EA 190 + Ny Carlsberg AEIN 974, Zeile 33 (Spätzeit oder Ptolemäerzeit):
rʾ r rʾ jbḥ r jbḥ hrw pfj smꜣ mtw.t n ḫft.j rʾ n nṯr r s.t-rʾ=k
(NB: Die Parallelen (2) und (3) werden explizit genannt von Sauneron, Ophiologie, 58, Anm. 4; die Parallele (1) vielleicht implizit angedeutet durch seine Formulierung in Anm. 5, wo er von neureichszeitlichen Parallelen – im Plural – spricht.)
Das Verständnis der Passage ist nicht einfach: Die Parallele (1) setzt ein jw vor den Namen des Re und fasst Rꜥw zꜣu̯ tꜣ mtw.t daher klar als Umstandssatz mit sicherlich pseudopartizipialem zꜣu̯ auf. Die Parallele (3) könnte den Gottesnamen vielleicht aufgrund einer ambivalenten Kurzschreibung – vgl. auch die Graphie des Brooklyner Papyrus! – zu hrw umgedeutet haben. Auch hier müsste hrw eine neue syntaktische Einheit beginnen, die entweder ein eigenständiger Satz (wohl ein eingliedriger Nominalsatz) wäre oder absolut gebraucht als adverbiale Verbindung an den vorherigen Satz anzuschließen wäre.
Folgende Übersetzungen sind angeboten worden:
Für die Passage im Brooklyner Papyrus:
– Sauneron, Ophiologie, 57: „une bouche (vaut contre une autre) bouche, une dent contre (d’autres) dents! C’est Rê qui veille contre le venin puisque la bouche du dieu est à la place de ta bouche“.
– Bardinet, Papyrus médicaux, 528: „Bouche (contre) bouche, dent (au sing. = gousse d’ail) contre dents (= celles du serpent). C’est Rê qui garde le venin lorsque la bouche du dieu est à l’endroit de ta bouche.“
– Stegbauer, in: Janowski/Schwemer, Texte zur Heilkunde (TUAT N.F. 5), 285: „Ein Spruch gegen ein Maul, ein Zahn gegen Zähne. Re ist es, der sein Gift bewacht, dem Gottesspruch gegen deine Maulstellung entsprechend!“
– Stegbauer/Feder, TLA: „Mund 〈gegen〉 Mund, Zahn gegen Zahn! Re ist es, der das Gift zerbricht, während der Spruch des Gottes gegen dein Maul (gerichtet) ist!“
Für Parallele (1):
– Gardiner, DZA 20.560.420 = 20.560.430: „Zahn! Zahn! Re schützt sich gegen das Gift (wenn Re spricht seinen Namen (den Namen des Giftes))“.
– Roccati, Magica Taurinensia, 169, §§ 341-342: „Dente, dente! Ra custodisce il veleno (dopo che Ra ha pronunciato il suo nome ...)“.
– Popko, https://thesaurus-linguae-aegyptiae.de/sentence/IBkCSDL1ugo79k5WtZiGZ0l1Z5A, in: Thesaurus Linguae Aegyptiae (Zugriff am: 3.4.2023): „Zahn ⟨gegen⟩ Zahn, während Re das Gift bewachte, als Re seinen (d.h. des Giftes) Namen {schärfte} ⟨nannte⟩ (...)“.
Für Parallele (2):
– Gardiner, DZA 20.560.510: „Mund gegen Mund[.] Zahn gegen Zahn[.] Re, hüte dich vor dem Gift des Skorpions, den ich aus Ton gemacht habe (...)“.
– Gardiner, HPBM III, Text, 60: „A mouth against a mouth. A tooth against a tooth. Rēꜥ, beware of the poison of the scorpion I have made of clay (...)“.
– Borghouts, Mag. Texts, 79: „A mouth against a mouth, a tooth against a tooth! Rēꜥ guards 〈the〉 poison of the scorpion (wḥꜥ.t), which I have made of clay (...)“.
– Stegbauer, TLA: „Ein Spruch steht gegen ein Maul, ein Zahn gegen einen Zahn, Re ist der Wächter des Giftes! Der Skorpion, den ich aus Ton geformt habe, (…)“.
Für Parallele (3):
– DZA 20.560.330 + 20.560.340: „Mund gegen Mund, Zahn gegen Zahn, an jenem Tage, wo das Gift des Feindes ‚geschlachtet wird‘ (?)[.] [D]er Mund des Gottes an die Stelle deines Mundes (...)“.
– Osing, in: Fs Kákosy, 478: „Mund gegen Mund, Zahn gegen Zahn, an jenem Tag, an dem das Gift des Feindes getötet wird! Der Mund des Gottes sei gegen die Tätigkeit deines Zahns (...)“.
– Dils, TLA: „Mund gegen Mund, Zahn gegen (Gift)-Zahn (an) jenem Tag des Tötens des Giftes des Feindes. Der Mund/Spruch des Gottes ist gegen die Aktivität/Wirkung/Äußerung deines Mundes; (...)“.
Die Parallele (1) erweist sich übersetzungstechnisch als unproblematischste; im TLA wurde lediglich der Anfang nach Parallele (2) emendiert, was angesichts des Aufeinandertreffens der r-Laute unproblematisch erscheint. Auch Parallele (3) erweist sich syntaktisch als einfach.
Bei Parallele (2) liegen die Unterschiede in den Bearbeitungen in der syntaktischen Deutung des zꜣu̯ und in der des Anschlusses von tꜣ wḥꜥ.t: Gardiner fasst zꜣu̯ imperativisch auf; Borghouts (und ihm folgend Stegbauer) dagegen, wohl inspiriert von (1), indikativisch. Den mit tꜣ wḥꜥ.t beginnenden Satz schließen wiederum Gardiner und Borghouts genitivisch an mtw.t an, wohingegen Stegbauer damit einen neuen Satz beginnt und darin ein vorangestelltes Objekt des weiter hinten folgenden rḏi̯.n=j vermutet: „Der Skorpion (...), ich lege (ihn) (...)“. Als Argument für Stegbauers Analyse könnte man den Verspunkt hinter mtw.t geltend machen; vgl. aber immerhin Tacke, Verspunkte, 164 für Verspunkte innerhalb von indirekten Genitiven – das n müsste man dann ergänzen. Für Gardiners und Borghouts’ Lösung würde wiederum der fehlende Artikel von mtw.t sprechen, den man trotz der partiellen Zerstörung der Stelle wegen Platzmangels wohl nicht ergänzen können wird. Schließt man tꜣ wḥꜥ.t genitivisch an mtw.t an, würde dieser Genitiv die durch den Wegfall des Artikels vor mtw.t fehlende Determinierung auffangen.
An der Stelle im Brooklyner Papyrus wiederum wird die Passage um den Schutz des Re von allen Bearbeitern als jn-Konstruktion übersetzt. Auf diese Weise lässt sich die Stelle gut der Parallele (1) sowie – vorausgesetzt, man folgt Borghouts’/Stegbauers Interpretation – auch der Parallele (2) zur Seite stellen. Es ist aber darauf hinzuweisen, dass dies nur möglich ist, indem jn von seiner tatsächlichen Stelle vor den Gottesnamen verschoben wird. Außerdem übergehen die Bearbeiter den Umstand, dass ḫft eigentlich nur mit folgender Verbalform als Konjunktion dienen kann. Daher sollten auch andere Emendationen in Betracht gezogen werden: Der Papyrus teilt mit der Parallele (3) den anschließenden Satz rʾ n nṯr r s.t-rʾ=k. Es ist nicht ausszuschließen, dass auch die Passage davor Ähnlichkeiten aufweist. Sollte man die Zeichen 𓇳𓏤 vielleicht gar nicht Rꜥw, sondern ebenfalls hrw lesen können? Vgl. die Schreibung von hrw in der Zeile darüber sowie die Schreibungen des Gottesnamens, die im vorliegenden Papyrus eigentlich 𓇳𓅆 lauten (wobei im Hieratischen der Unterschied zugegebenermaßen relativ gering ist)? Unter dieser Voraussetzung könnte man vielleicht – unter Vorsicht – eine Entwicklung des Spruches von pChester Beatty VII (hier Parallele (2)) über den Brooklyner Text (bzw. dessen Vorlage) hin zu der London-Kopenhagener Stele (hier (3)) postulieren: In der Zeit zwischen Parallele (2) und der Vorlage von pBrooklyn wird Rꜥw zu hrw umgedeutet und tꜣ wḥꜥ.t zum ḫft.j verallgemeinert; im Brooklyner Papyrus wird die Stelle lediglich fehlerhaft aufgeschrieben. Und in der Zeit zwischen der Vorlage von pBrooklyn zu Parallele (3) wird hrw um den Artikel pfj erweitert, und der Verfasser der Stele hat das ihm dann vielleicht ambivalent erscheinende zꜣu̯ durch smꜣ ersetzt.
Die Bedeutung von zꜣu̯ verdient noch eine Zusatzbemerkung: In fast allen Bearbeitungen sowohl von pBrooklyn als auch deren Parallelen wird es als Beleg für das Verb „bewachen, hüten“, Wb 3, 416.12-417.21, aufgefasst. Stegbauer/Feder schlagen dagegen in der zu Anfang der 2000er (von Stegbauer) für den TLA eingegebenen und 2012/14 (von Feder) überarbeiteten Fassung des Brooklyner Papyrus die Bedeutung „zerbrechen“ vor, d.h. das Verb zꜣw, Wb 3, 419.4-11. Die letztere Bedeutung würde tatsächlich im Brooklyner Papyrus gut passen und den Satz inhaltlich noch näher an die London-Kopenhagener Stele rücken; zudem könnte das auch im Turiner Papyrus zu einem sinnvollen Satz führen.
Persistente ID:
S6KOJME2Z5BC5GURJNFZODGGFM
Persistente URL:
https://thesaurus-linguae-aegyptiae.de/sentence/token/S6KOJME2Z5BC5GURJNFZODGGFM
Bitte zitieren als:
(Vollzitation)Frank Feder, unter Mitarbeit von Altägyptisches Wörterbuch, Lutz Popko, Svenja Damm, Peter Dils, Daniel A. Werning, Token ID S6KOJME2Z5BC5GURJNFZODGGFM <https://thesaurus-linguae-aegyptiae.de/sentence/token/S6KOJME2Z5BC5GURJNFZODGGFM>, in: Thesaurus Linguae Aegyptiae, Korpus-Ausgabe 19, Web-App-Version 2.2.0, 5.11.2024, hrsg. von Tonio Sebastian Richter & Daniel A. Werning im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften und Hans-Werner Fischer-Elfert & Peter Dils im Auftrag der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig (Zugriff am: xx.xx.20xx)(Kurzzitation)
https://thesaurus-linguae-aegyptiae.de/sentence/token/S6KOJME2Z5BC5GURJNFZODGGFM, in: Thesaurus Linguae Aegyptiae (Zugriff am: xx.xx.20xx)
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