TLA-Lemmalisten

Ein Satz digitaler Lemmalisten ist einer der beiden Kernbestandteile des Thesaurus Linguae Aegyptiae (TLA), der andere ist der Textkorpus. Derzeit gibt es zwei strukturierte Listen mit Lemmata der altägyptischen Sprache: (a) die hieroglyphisch-hieratische Lemmaliste (55.826 Einträge, 1.247 Tsd. Instanzen), die auf Texten in hieroglyphischer oder hieratischer Schrift basiert, und (b) die demotische Lemmaliste (15.359 Einträge, 330 Tsd. Instanzen), die auf Texten in demotischer Schrift basiert. In Kürze wird eine dritte Liste mit koptischen Lemmata hinzukommen (siehe unten).

Die Lemmalisten enthalten sowohl Grundwörter als auch Phrasen, die aus zusammengehörenden Wörtern bestehen, z.B. ḥw.t-nṯr ‚Tempel‛. Die Listen enthalten neben gewöhnlichen Substantiven auch spezifische nominale Einheiten wie Eigennamen (von Königen, Gottheiten, ‚Privatpersonen‛, Orten, benannten Dingen), Titel und Epitheta, z.B. jm.j-rʾ-mšꜥ ‚General‛ (Titel) oder ḥqꜣ-dwꜣ.t ‚Herrscher der Unterwelt‛ (Epitheton).

Jeder Lemma-Eintrag enthält eine ägyptologische Transkription, einen Hinweis auf die Wortkategorie (Wortart), Übersetzungsäquivalente auf Deutsch, oft auf Englisch und teils auch auf Französisch sowie bibliographische Referenzen. Die Einträge in der Liste der hieroglyphisch-hieratischen Lemmata enthalten auch eine ausgewählte hieroglyphische Schreibweise. Gegebenenfalls enthalten die Lemmaeinträge auch Informationen über die Wortbildung, d.h. die Wortwurzel oder die Nominalklasse. Alle Lemmaeinträge haben eine eindeutige und stabile ID-Nummer, die für wissenschaftliche Referenzen in digitalen und gedruckten Publikationen verwendet werden sollte, z.B. „TLA lemma 90260‟.

Die Lemmalisten werden beständig gepflegt und erweitert.

Eindeutige Identifikationsnummer (ID)

Jeder Eintrag in den Lemmalisten hat eine eindeutige und stabile ID-Nummer, z.B. „90260‟ oder „d3318‟. Diese IDs sollten verwendet werden, um einzelne Lemmata aus dem TLA zu zitieren. Sie können auch dazu dienen, TLA-Einträge mit anderen elektronischen lexikographischen Quellen über stabile URLs abzugleichen, z.B. „https://thesaurus-linguae-aegyptiae.de/lemma/90260‟. Die IDs für die Lemmata in der Liste der hieroglyphisch-hieratischen Lemmata sind rein numerisch und entsprechen denen im „alten TLA‟ (2014). Die IDs für Lemmata in der Liste der demotischen Lemmata bestehen aus einer Nummer, die derjenigen im alten TLA entspricht, plus einem neuen, zusätzlichen Präfix „d‟ (für „Demotic"). Das Minus ("-") in der Nummer im alten TLA wird durch „m‟ (für „minus") ersetzt. Folglich haben demotische Lemma-IDs Formen wie z.B. „d3318‟ oder „dm1105‟ (beachten Sie, dass „d3318‟ und „dm3318‟ tatsächlich unterschiedliche Einträge sind; das Minus gründet in einer inzwischen überholten, technisch-redationellen Notwendigkeit). Lemmata in der koptischen Lemmaliste werden ein Präfix „C‟ (für „Coptic") haben.

Redaktioneller Status

Der Status der redaktionellen Überprüfung jedes Lemmaeintrags wird kategorisiert und durch eines von drei Symbolen angezeigt:

  • Das Symbol (“Verifiziert”) zeigt an, dass ein Eintrag überprüft wurde.
  • Das Symbol (“Verifizierung steht aus”) zeigt an, dass ein Eintrag noch überprüft werden muss (z.B. Einträge, die aus externen lexikographischen Quellen importiert, aber noch nicht überprüft wurden).
  • Das Symbol (“Inaktiv”) zeigt an, dass der Status eines Eintrags als Lemma vom Chefredakteur der Lemmaliste aufgrund laufender lexikografischer Untersuchungen widerrufen wurde. Außerdem sind bestimmte Lemmaeinträge, die den Benutzer lediglich auf andere Einträge verweisen, auf diese Weise gekennzeichnet.

Transkription

Das Kernstück eines jeden Lemmaeintrags ist eine ägyptologische Transkription.

Bei der Transkription von Lemmata in hieroglyphischer oder hieratischer Schrift folgt die Lemmaliste einem Transkriptionssystem mit j für 𓇋 (nicht ı͗ wie im Berliner Wörterbuch) und auch für 𓏭, y (nicht j) für 𓇌, z (nicht s) für 𓊃, und s (nicht ś) für 𓋴, q (nicht ) für 𓈎, d.h., ein System, wie es im Wesentlichen von Elmar Edel in seiner Altägyptische Grammatik (1955–1964) etabliert wurde, allerdings ergänzt, was die Transkription des doppelten Schilfblatts (𓇌) anbetrifft.

Effektiv entspricht das System dem in der Lexika-Reihe von Rainer Hannig; siehe die Übersicht auf Wikipedia. Beachten Sie, dass diese Entscheidung nicht als philologische oder linguistische Aussage gemeint ist, sondern auf pragmatischen Überlegungen zur redaktionellen Bequemlichkeit und maschinellen Lesbarkeit in Zeiten vor Unicode beruht.

Bei der Transkription von Lemmata in demotischer Schrift folgt die Lemmaliste im Wesentlichen dem Transkriptionssystem von W. Erichsens Demotischem Glossar (1954), mit ı͗ für den Nachfolger von 𓇋 und j für den Nachfolger von 𓇌𓏲. Wie in der hieroglyphisch-hieratischen Lemmaliste wird jedoch q für den Nachfolger von 𓈎 verwendet.

Überblick Sonderzeichen

Hieroglyphisches
Äquivalent
Erman &
Grapow, Wb.
Hieroglyphische
Lemmaliste
Manuel
de codage
Erichsen,
Demot. Glossar
Demotische
Lemmaliste
Manuel
de codage
Kommentar
𓄿AA
𓇋ı͗jjı͗ı͗iCodepoint für ı͗:
U+0131&U+0357
(𓇋𓏲)eee
𓏭jjjjjj
ijjjUlt.inf. j
𓇌jyyjjj
𓂝aa
uUlt.inf. w
ʾ'“Sekundäres Alif”
𓎛HH
𓐍xx
𓄡XX
(𓐍𓏭)v
𓊃szzsss
𓋴śss
𓈙ššSššS
𓈎qqqq
(𓍘𓇋)V
𓍿TT
𓂧ddd
(𓈖𓏏)ddd
𓆓DD

Grundlegende Lemma-Informationen

Lemmaeinträge enthalten obligatorisch die folgenden zusätzlichen Informationen:

  • Hieroglyphische Schreibweise: Um die Identifizierung eines Lemmas zu unterstützen, geben die Einträge in der Liste der hieroglyphisch-hieratischen Lemmata in der Regel eine ausgewählte hieroglyphische Schreibweise an (beständig in Arbeit).
  • Wortart / Lemma-Kategorie: Jedes Lemma wird anhand einer lexikalischen Kategorie klassifiziert. Diese Kategorien reichen von Substantiven, Adjektiven, Verben, Adverbien und verschiedenen Funktionswörtern bis hin zu so spezifischen Kategorien wie Personennamen, Epitheta und Titeln. Vgl. die Liste der Wortart-Kategorien und -Unterkategorien.
  • Übersetzung: Standardmäßig enthält jeder Lemmaeintrag eine deutsche Übersetzung. Für einen großen Teil der hieroglyphisch-hieratischen Lemmata sind englische Übersetzungen verfügbar (weitere werden regelmäßig hinzugefügt). Für eine geringere Anzahl von Lemmata ist auch eine französische Übersetzung verfügbar (die vom Kooperationspartner Projekt Karnak importiert wurde). Die Liste der demotischen Lemmata enthält derzeit nur deutsche Übersetzungen.
  • Bibliographische Referenzen: Lemmaeinträge enthalten eine ausgewählte, kompakte Bibliographie, die auf gedruckte Wörterbücher oder Sekundärliteratur verweist, in denen das jeweilige Lemma behandelt wird.
  • Externe Links: Lemmaeinträge enthalten teils Links zu entsprechenden oder verwandten Einträgen in anderen ägyptologischen elektronischen Lemmalisten oder Wörterbüchern.

Bestimmte Lemmaeinträge bieten auch Informationen zur Wortbildung:

  • Nominalklasse: Falls zutreffend, bieten Einträge für basale substantivische Lemmata Informationen über ihre Art des Wortbildungsmusters gemäß den Nominalklassen in (a) J. Osings Nominalbildung des Ägyptischen (1976) und/oder (b) W. Schenkels Zur Rekonstruktion der deverbalen Nominalbildung des Ägyptischen (1983) (und weiteren Artikeln von ihm).
  • Wurzel: siehe unten.

Viele Lemmaeinträge enthalten auch Informationen über Beziehungen zu anderen Lemmata. Arten solcher Beziehungen sind:

  • Verweis-Relation (“Verweist auf / Verweisziel für”): zurückgezogene, veraltete oder ‚verweisende‛ Lemmata, d.h. solche mit dem redaktionellen Status „Inaktiv‟ (siehe oben), verweisen auf ihr jeweiliges Ersatzlemmata (und umgekehrt).
  • Hierarchische Relation (“Hierarchisch übergeordnet / Hierarchisch untergeordnet”):
    • Entsprechend der weithin akzeptierten grammatischen Analyse, dass Adjektive und entsprechende verbale Lemmata produktiv miteinander verbunden sind, bieten Adjektive in der Regel Links zu dem jeweiligen (übergeordneten) verbalen Lemma (und umgekehrt).
    • Kollokationslemma-Einträge wie jri̯ (sḫr.w) ‚sich kümmern‛ verweisen auf ihr übergeordnetes Kernlemma (jri̯ ‚machen'). Ebenso verweisen Einträge, die kontextuell besonders beachtenswerte Semantiken repräsentieren, wie jri̯ (plus Nachkommenname) ‚zeugen‛ auf ihr übergeordnetes Lemma (jri̯ ‚machen').
  • Diachrone Relation (“Zeitlicher Nachfolger / Zeitlicher Vorgänger”): Historisch verwandte Einträge in der hieroglyphisch-hieratischen Lemmaliste und der demotischen Lemmaliste sind als Nachfolger bzw. Vorgänger miteinander verknüpft. (Beständig in Arbeit.)
  • Teil/Ganzes-Relation (“Bestandteile / Bestandteil von”): Mehrwort-Lemmata, d.h. Lemmata, die aus zwei oder mehr Wörtern bestehen, bieten Links zu den Lemmaeinträgen für ihre jeweiligen Teile (und umgekehrt). Zum Beispiel verweist die Verbindung ḥw.t-nṯr „Tempel‟ auf die beiden separaten Lemmata ḥw.t „Haus‟ und nṯr „Gott‟ (und umgekehrt). (Beständig in Arbeit.)
  • Wurzel-Relation (“Wurzel / Wurzel von”): Einträge von einfachen, d.h. Ein-Wort-Lemmata, geben Hinweise auf ihre konsonantische Wurzel (und umgekehrt).

Geschichte der Lemmalisten

Die Grundlage für die hieroglyphisch-hieratische Lemmaliste war die von Horst Beinlich und Friedhelm Hoffmann zusammengestellte sogenannte „Beinlich Wortliste‟, die die Lemmata aus A. Ermans & H. Grapows Wörterbuch der aegyptischen Sprache (1926–1931) und D. Meeks‛ Année lexicographique (1977–1979, 1980–1982) zu einer einzigen digitalen Lemmaliste vereinte. Diese Liste wurde in die digitale Arbeitsumgebung des früheren Projekts „Altägyptisches Wörterbuch‟ (1992–2012) der Akademie integriert. Seitdem wurde sie kontinuierlich und schrittweise zu der vorliegenden hieroglyphisch-hieratischen Lemmaliste weiterentwickelt, die von Ingelore Hafemann und Simon Schweitzer sorgfältig gepflegt wurde. Im Zuge dieser Arbeit wurde die Liste um eine digitale Liste ägyptischer Eigennamen ergänzt, die von Jochen Hallof zusammengestellt wurde. Außerdem wurden den Lemmata von Marianne Eaton-Krauss und Andrea Sinclair englische Übersetzungsäquivalente hinzugefügt.

Die Grundlage für die demotische Lemmaliste wurde von Friedhelm Hoffmann geschaffen, der eine digitale demotische Lemmaliste aus W. Erichsens Demotisches Glossar (1954) und dem Chicago Demotic Dictionary, herausgegeben von J. Johnson, zusammengestellt hat. Nach der Implementierung in das Berliner Texterfassungssystem (BTS) wurde diese Lemmaliste von Günter Vittmann im Rahmen des Projekts „Demotische Textdatenbank‟ an der Akademie der Wissenschaften und der Literatur in Mainz (2000–2012) bearbeitet und erweitert.

Die TLA-Projekte der Akademien verdanken den oben erwähnten Kooperant:innen viel, die ihre Arbeit großzügig zur Verfügung gestellt haben.

Zukunftsaussichten

Koptische Lemmaliste

Die jüngste Sprachstufe der altägyptischen Sprache, die koptische Sprache und Schrift (ca. 4. bis 14. Jahrhundert n.Chr.), ist noch nicht im TLA implementiert. Ihre Aufnahme in den TLA wird jedoch derzeit vorbereitet. Die Grundlage für die künftige koptische Lemmaliste, die sowohl einheimische ägyptische Lemmata als auch den großen Wortschatz-Teil griechischer Lehnwörter enthält, ist bereits als Comprehensive Coptic Lexicon (CCL) in Form von TEI-XML-Rohdaten außerhalb des TLA unter einer freien Lizenz veröffentlicht (auf die neueste Version wird auf der Seite aaew.bbaw.de/daten-veroeffentlichungen verwiesen). Das CCL wurde an der Berliner Akademie (BBAW) von Frank Feder und Maxim Kupreyev in Zusammenarbeit mit Kollegen des DFG-Projekts Database and Dictionary of Greek Loanwords in Coptic (DDGLC, 2012–2024) unter der Leitung von T. Sebastian Richter bearbeitet. Es ist bereits im Coptic Dictionary Online (coptic-dictionary.org) nutzbar.

Ein integriertes Lemma-Netzwerk für die ägyptisch-koptische Sprache

In den kommenden Jahren werden die drei noch getrennten Lemmalisten - Hieroglyphisch-hieratisch, Demotisch und Koptisch - mehr und mehr miteinander verknüpft werden. Sie werden sich zu einem Netzwerk diachroner Ketten ägyptisch-koptischer Lemmata entwickeln, die die gesamte bezeugte ägyptische Sprachgeschichte von mehr als 4.000 Jahren abdecken, von ca. 3.000 v.Chr. bis 1.400 n.Chr. Wir hoffen, dass dieses neue diachrone Lemma-Netzwerk, das zukünftige diachrone TLA-'Lemma-Netzwerk‛, neue Forschungsfragen und Forschungsdesigns anregen wird, die die traditionelle Trennung der altägyptischen Lexikographie gemäß ihrer Sprachphasen überwinden.