pParis BN 182, OAD P4(Objekt-ID XLKZ2L4ODVALTNVZE52DZ64NGQ)


Persistente ID: XLKZ2L4ODVALTNVZE52DZ64NGQ
Persistente URL: https://thesaurus-linguae-aegyptiae.de/object/XLKZ2L4ODVALTNVZE52DZ64NGQ


Datentyp: Objekt


Objekttyp: Schreibblatt


Material: Papyrus

Maße (H×B(×T)): 52 × 3,5 cm


Herstellungstechnik: Binse


Zustand: vollständig

Kommentar zur Materialität

  • Der 52 cm lange und 3,5 cm breite Papyrusstreifen ist zwar mehr oder weniger vollständig erhalten, doch befindet er sich in einem nicht sehr guten Zustand. Vor allem zu Beginn des Textes ist die rechte Seite stark beeinträchtigt und es sind einige Stücke ausgebrochen. Der Text war ursprünglich eng zusammengerollt und in einem hölzernen Behälter verstaut. Die Zerstörungen vor allem an den Seitenrändern sind so zu erklären. Unglücklicherweise sind die Lücken so verteilt, dass der Name des Orakelbesitzers nicht erhalten ist. Zudem ist der Text stark beeinträchtigt, da beim Ausrollen des Papyrus Fasern auf der beschriebenen Seite haften geblieben sind. Edwards (HPBM 4, Bd. 1, 89) beschreibt, dass die Lesbarkeit durch das Entfernen dieser Fasern erheblich verbessert werden konnte. Der Text wurde vermutlich um 1850 entrollt, auf Papier aufgeklebt und eingerahmt (http://archivesetmanuscrits.bnf.fr/ark:/12148/cc589009http://archivesetmanuscrits.bnf.fr/ark:/12148/cc589009, 27.09.2024). Der hölzerne Behälter, ein Zylinder, der auf der Oberseite mit plastisch ausgearbeiteten Köpfen der Göttin Mut und des Gottes Chons, also den orakelgebenden Göttern, verziert ist, ist leider nicht erhalten. Eine Zeichnung des Behälters sowie des Papyrus im zusammengerollten und verschnürten Zustand sind mit eingerahmt. Folgende Beschreibung befindet sich ebenfalls in dem Rahmen: „Cylindre de bois évidé surmonté des têtes de Mouth et Chons avec une bélière, et contenant le payrus roulé (n°. 1044)“.
  • Der Papyrus ist nur auf einer Seite beschrieben, und zwar auf der Seite, bei der die vertikalen Fasern oben liegen. Es mag zunächst etwas irritieren, dass diese Seite des Textes als „Recto“ bezeichnet wird. Die Oracular Amuletic Decrees sind generell auf sehr schmalen und zum Teil enorm langen Papyrusstreifen notiert worden. Wie haben die Schreiber diese Streifen hergestellt? Die einfachste Methode ist die, einen schmalen Streifen von einer bereits vorbereiteten Rolle abzuschneiden. Edwards hat bei einer Untersuchung der Klebungen Hinweise auf genau dieses Vorgehen festgestellt (Edwards, HPBM 4, Bd. 1, xii). So konnte er bei einer Reihe von Texten, Klebungen in regelmäßigen Abständen feststellen, die auf eine vorgefertigte Rolle hindeuten. Allerdings erwähnt er auch, dass es Texte gibt, die unregelmäßige Abstände bei den Klebungen aufweisen bzw. aufzuweisen scheinen (ebd.). Daraus zieht er den Schluss, dass es für die Herstellung der OAD keine festgelegte Methode gab, sondern die Schreiber vielmehr das Material verwendeten, das sie gerade zur Hand hatten; seien es Abschnitte einer Rolle, oder anderweitige Streifen, bzw. eine Kombination aus beidem. Als Beispiel eines zusammengestückelten Papyrus führt er insbesondere Papyrus London BM EA 10320 (L4) an (ebd.). Dieser Papyrus beginnt mit einem Stück auf dem neun Zeilen des Textes erhalten sind, bei dem aber die horizontalen Fasern oben liegen. Dieses Stück ist an den Streifen mit vertikalen Fasern angeklebt (Edwards, HPBM 4, Bd. 1, 27). Genau diesen Papyrus möchte ich allerdings als wichtigen Hinweis dafür benennen, dass die Schreiber in der Regel einen schmalen Streifen von einer vorbereiteten Rolle abgeschnitten haben. Das kurze Stück mit dem anderen Faserverlauf ist doch zweifelsfrei ein sog. Schutzblatt bzw. „protocollon“ zu Beginn einer Papyrusrolle (vgl. Turner, The Terms Recto and Verso, 28–29), das in diesem Fall entgegen der allgemeinen Praxis ebenfalls beschriftet wurde. Die Klebung zeigt zudem deutlich an, dass es sich um das Recto der betreffenden Rolle handeln muss (An dieser Stelle möchte ich Nadine Quenouille für ihre papyrologische Expertise und Einschätzung sehr herzlich danken). Der Schreiber hat also den Streifen von einer neuen Rolle abgeschnitten und dann zur Beschriftung um 90 Grad gedreht. Es handelt sich also papyrologisch um eine „transversa carta“ (Turner, The Terms Recto and Verso, 29; Bülow-Jacobson, in: Oxford Handbook of Papyrology, 21–22), ähnlich wie es bei spätramessidischen Briefen zu beobachten ist (Edwards, HPBM 4, Bd. 1, xii [7] mit Verweis auf Černý, LRL, xvii-xx).


  • Fundort

    • Theben
      Gewissheit: probable
      Ist der ursprüngliche Nutzungsort: Ja
      Kommentar zu diesem Ort: Die genaue Herkunft des Papyrus ist nicht bekannt. Edwards (1960a, xiii) nimmt generell für diese Gruppe von Texten eine Herkunft aus Theben an. Diese Annahme wird zumeist durch die im Text genannten Götter oder gelegentlich auch durch die genannten Personennamen gestützt. In diesem Papyrus sind die orakelgebenden Götter, Mut, Herrin von Ischeru und Chons von Theben-Neferhotep, was gut zu einer Herkunft des Textes aus Theben passt. Der Name des Amulettbesitzers sowie diejenigen seiner Eltern sind nicht erhalten. Da keine Informationen über Herkunft und Fundumstände des Stückes bekannt sind, bleiben die Namen der orakelgebenden Gottheiten der einzige Anhaltspunkt zur Herkunft des Textes.


Aktueller Ort

  • Bibliothèque Nationale, Cabinet des Médailles
    Inventarnummer(n): 182
    Ist an diesem Ort: Ja
    Kommentar zu diesem Ort:
    Edwards (HPBM 4, Bd. 1, 89) ging davon aus, dass das Amulett 1857 in die Sammlung der Bibliotheque Nationale gekommen ist und, dass es eventuell aus der Sammlung Anastasi stammen könnte. Worauf er diese Angaben stützt, erwähnt er aber nicht. Tatsächlich stimmen diese Angaben nicht. Der Papyrus wurde im März 1844 für die Summe von 11,25 Francs für die Sammlung angekauft, wie dem damaligen Registerbuch zu entnehmen ist (https://gallica.bnf.fr/ark:/12148/btv1b53112343m/f33.item#, 27.09.2024). Auf der Seite 25 ist unter der Nummer 974 ein „Etui orné de deux tiles, contenant un manuscrit“ vermerkt. Über die Herkunft des Stückes ist leider nichts bekannt.


Datierung: 21. Dynastie  –  22.–23. Dynastie

Kommentar zur Datierung:

  • Edwards (HPBM 4, Bd. 1, xiii–xiv) geht von einer Datierung des gesamten Korpus der Amulettpapyri mit Orakeldekreten in die 22./23. Dynastie aus. Ein einziger Text (L7: pBM EA 10730) liefert einen Hinweis auf die Datierung, denn er ist für einen Prinzen und zukünftigen General in der Armee eines Königs Osorkon geschrieben, bei dem es sich nach Edwards (HPBM 4, Bd. 1, xiv) und Ritner (The Libyan Anarchy, 74) vermutlich um Osorkon I. handeln dürfte, während Jacquet-Gordon (in: GS Sauneron I, 175, Anm. 5; Ead., in: BiOr 20, 1963, 32) und ihr folgend Verhoeven (Buchschrift, 13) von Osorkon II. ausgehen. Diese Datierung basiert auf Textparallelen im Text auf einer Statue aus Tanis (Kairo CG 1040 + CG 881 + Philadelphia E 16159: s. Jacquet-Gordon, in: JEA 46, 1960, 23), die ursprünglich für Sethos I. angefertigt und für Osorkon II. wiederverwendet und neu beschriftet wurde (Sourouzian, in: FS Gaballa, 97–105). Der Text L7 wäre also in die 22. Dynastie, oder für den Fall, dass es sich ungeachtet der Parallelen doch um einen späteren Osorkon handeln würde, spätestens in die 23. Dynastie zu datieren. Nach Koenig (in: CRIPEL 9, 1987, 31) ist aufgrund der Paläographie sowie spezifischer Schreibungen mindestens für einen Teil der Texte, den hier bearbeiteten nicht mit eingeschlossen, eine Datierung in die 21. Dynastie anzunehmen.


Beschreibung

  • Amulettpapyri wie der hier vorliegende Text wurden aufgerollt in einem kleinen Behälter, der aus Leder, Holz oder Metall gearbeitet sein konnte (vgl. Ray, in: JEA 58, 1972, 151–153; Bourriau/Ray, in: JEA 61, 1975, 257–258), um den Hals getragen und diente somit als Apotropaion (vgl. hierzu Roß, Schutz von Kindern, 40–44). Die Amulette wurden vermutlich in erster Linie für Kinder hergestellt (vgl. Roß, Schutz von Kindern, 26–36; Adderly, Personal Religion, 193; Edwards, HPBM 4, xvi), wobei es Hinweise darauf gibt, dass es sich um Säuglinge oder sehr junge Kinder gehandelt haben könnte (Roß, ebd.). Wilfong (in: JEA 99, 2013, 295–300) geht davon aus, dass die Länge des beschrifteten Papyrusstreifens mit der Größe des Kindes korreliert werden kann. Mittlerweile ist auch ein Orakeldekret für eine schwangere Frau belegt (pIFAO H40: Koenig, in: BIFAO 118, 2018, 233–239), doch ist der Text leider nur fragmentarisch erhalten, so dass keine Rückschlüsse auf die ursprüngliche Länge des Dokumentes erzielt werden können.


Besitzer: Privatperson


Bibliographie

  • – I. E. S. Edwards. Hieratic Papyri in the British Museum. Fourth Series: Oracular Amuletic Decrees of the Late New Kingdom I. Text. London 1960, 89–91. [*Ü, *K]
  • – I. E. S. Edwards. Hieratic Papyri in the British Museum. Fourth Series: Oracular Amuletic Decrees of the Late New Kingdom II. Plates. London 1960, pl. XXXV. [*T, *P]
  • – Ch. Ragazzoli. Les papyrus égyptiens de la Bibliothèque nationale de France: redécourverte d’une collection majeure. In: BSFE 182, 2012, 19. [Erwähnung]
  • – T. G. Wilfong. The Oracular Amuletic Decrees: A Question of Length. In: JEA 99, 2013, 295–300. [K]
  • – A. Grams. Der Gefahrenkatalog in den Oracular Amuletic Decrees. In: SAK 46, 2017, 55–100. [K]
  • – A. Roß. Der Schutz von Kindern im alten Ägypten. Die religiösen und soziokulturellen Aspekte der Oracular Amuletic Decrees. GM Beihefte 17, Göttingen 2019. [K]


Datensatz-Protokoll

  • Ersteingabe: Anke Blöbaum 19.09.2024


Autor:innen: Anke Blöbaum
Datensatz erstellt: 19.09.2023, letzte Revision: 27.09.2024
Redaktionsstatus: Verifiziert

Bitte zitieren als:

(Vollzitation)
Anke Blöbaum, "pParis BN 182" (Objekt-ID XLKZ2L4ODVALTNVZE52DZ64NGQ) <https://thesaurus-linguae-aegyptiae.de/object/XLKZ2L4ODVALTNVZE52DZ64NGQ>, in: Thesaurus Linguae Aegyptiae, Korpus-Ausgabe 18, Web-App-Version 2.1.5, 26.7.2024, hrsg. von Tonio Sebastian Richter & Daniel A. Werning im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften und Hans-Werner Fischer-Elfert & Peter Dils im Auftrag der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig (Zugriff am: xx.xx.20xx)
(Kurzzitation)
https://thesaurus-linguae-aegyptiae.de/object/XLKZ2L4ODVALTNVZE52DZ64NGQ, in: Thesaurus Linguae Aegyptiae (Zugriff am: xx.xx.20xx)