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oder: (O) mein Ba, der (zu) töricht ist, um den Kummer über (?) das Leben zu lindern (?), halte mich von dem Tod ab (?), bevor ich dazu gekommen sein werde!
Die Zeilen 18-20 sind sehr problematisch, jedoch essentiell für das Verständnis des Textes.
- wḫꜣ: "töricht sein" wird (1) als Pseudopartizip in der Pseudoverbalen Konstruktion (Wilson, Goedicke, Assmann, Mathieu, Tobin), (2) als Prädikat im Adjektivalsatz mit verschwiegenem Subjekt (Erman, Literatur; Scharff, Lohmann), (3) als unpersönliches sḏm=f (Barta, 31, Anm. 20; Lalouette), (4) als Partizip in einer Apposition (Faulkner, Lichtheim, Bresciani, Parkinson, Quirke) oder (5) als attributives Adjektiv/Partizip (Foster) aufgefaßt. In den Fällen (1) und (5) muß bꜣ=j Subjekt sein, in den anderen Fällen wird es Vokativ sein (z.B. Gardiner, Egyptian Grammar, § 87, Beleg 1 auf S. 67).
- r: wird (1) als r + Infinitiv, (2) als r + Infinitiv in der futurischen pseudoverbalen Konstruktion (Foster), (3) als r=〈s〉 nach einem unpersönlichen sḏm=f (Barta, 31, Anm. 20: enklitische Partikel in Haplographie) und (4) als r + sḏm=f mit ꜣhw als Subjekt (Goedicke) verstanden. Die Konstruktion wḫꜣ r + Infinitiv im Sinne von "töricht (genug?) sein, etwas zu tun" (vgl. jb r: "wünschen, etwas zu tun", snḏ r: "fürchten, etwas zu tun": siehe Gardiner, Egyptian Grammar, § 163.10) ist sonst nicht belegt. Beim Adjektivverb "töricht sein" wird deshalb das r des Komparativs vorliegen: "zu dumm sein, um etwas zu tun" (vgl. ꜥšꜣ r smn.t: "too many to record": siehe Gardiner, Egyptian Grammar, § 163.7 und oben in Zl. 6: wr r ꜥbꜥ).
- sdḥ: anscheinend ein nur hier belegtes Verb, für das Wb. IV, 371.8 keine Übersetzung anbietet. Faulkner vermutet die Bedeutung "lindern" (gefolgt von Lichtheim, Bresciani, Mathieu, Quirke; Tobin, in: BiOr 48, 1991, 346; Williams, in: JEA 48, 1962, 53 mit Anm. 5: "subdue"); dann wäre es eine abgeleitete Bedeutung des Kausativverbs sdḥ: "senken, niedersinken lassen, niedrig sein lassen". Es ist aber auch eine andere abgeleitete Bedeutung denkbar: "verunglimpfen" (Barta, mit 31, Anm. 21; gefolgt von Parkinson: "to belittle", Assmann: "to sully", Lohmann: "geringschätzen", Tobin, in: Simpson, Literature: "disparage"). Andere vorgeschlagene Bedeutungen sind "überreden" (Scharff, gefolgt von Wilson), "dépriver" (Weill), "to despair about (ḥr)" (Goedicke), "retenir" (Lalouette).
- ꜣh.w: entweder das Substantiv oder Partizip "der Leidende, Bekümmerte" (Erman, Scharff, Wilson, Goedicke, Lalouette) oder das Substantiv "das Leiden, der Kummer" (Faulkner, Barta, Lichtheim, Bresciani, Parkinson, Assmann, Lohmann, Tobin, in: Simpson, Quirke). Tobin (in: BiOr) und Mathieu übersetzen "my suffering". Ein Personendeterminativ für "der Leidende" oder für das Suffixpronomen "mein" steht nicht im Text. Es ist unklar, ob ḥr mit ꜣh.w oder mit sdḥ zu verbinden ist. Weder das Verb noch das Substantiv ꜣh.w werden sonst im Sinne von "leiden an/wegen/durch" verwendet. Alle Bearbeiter mit Ausnahme von Goedicke verbinden ḥr jedoch mit ꜣh.
- jhm: das Verb steht nur hier und in Zl. 49-50, beide Male in der Verbindung jhm r mwt. In Zl. 19 hat es den "schlagenden Mann" als Determinativ, in Zl. 50 den Arm. Die Bedeutung des Verbs ist essentiell für das Verständnis des ganzen Textes. Es wird in Wb. I, 118.18 als "(in den Tod) jagen, drängen" übersetzt (so auch Erman, Gespräch, 26; gefolgt von Barta, Lichtheim, 163, Lalouette, Parkinson, Mathieu, Lohmann, Tobin, Quirke, Williams, in: JEA 48, 1962, 53), könnte aber auch "zurückhalten, abhalten von" bedeuten (mit r für Entfernung oder Trennung), und zu jhm: "langsam gehen, langsam sein" (Wb. I, 118.19) gehören (so Gunn, Studies in Egyptian Syntax, 183; Scharff, 16-17; gefolgt von Wilson, Faulkner, Goedicke, Bresciani, Foster, Zonhoven, in: Fs te Velde, 386 und 398, Assmann). Es ist entweder ein Imperativ (Erman, Lalouette, Foster, Assmann, Lohmann) oder ein aktives, attributives Partizip (Faulkner, Barta, Bresciani, Parkinson, Quirke); geht man von der Bedeutung "drängen in" aus, ergibt ein Imperativ keine zufriedenstellende Übersetzung. Wilson hat jhm als Infinitiv parallel zu r sdḥ aufgefaßt. Für Lichtheims Übersetzung: "My ba ... leads me" müßte zu jhm=〈f〉 emendiert werden (ähnliche Emendierungen sind für die Übersetzungen von Mathieu und Tobin (in: Simpson, Literature) notwendig; bꜣ=j ... 〈ḥr〉 jhm wj ist unwahrscheinlich). Für die Übersetzung "It is he who drives me to death before I come to it" (Tobin, in: BiOr 48, 1991) ist eine Emendierung zu 〈ntf〉 jhm wj erforderlich. In Zl. 131-132 steht das Substantiv jhm.t mit dem "schlechten Vogel" als Determinativ und dort kommt nur eine Ableitung von der Bedeutung "zurückhalten" o.ä. in Frage (Gegensatz von pri̯.t r-ḫntw), sofern tatsächlich die gleiche Wurzel vorliegt und nicht die Wurzel jhm: "trauern" o.ä. gemeint ist. Parkinson, Poetry and Culture, 218, Anm. 34 vermerkt, daß "to constrain" für beide Kontexte passen würde: jhm r wäre "to constrain towards", d.h. "zwingen zu, drängen in", wohingegen jhm ohne Präposition "einzwängen, einsperren" wäre. Allerdings ginge das auch mit "drängen": statt "drängen in" wäre "abdrängen von" (mit Präposition) und "bedrängen" (ohne Präposition) denkbar.
Da sowohl die Bedeutung von sdḥ wie die von jhm sehr unsicher sind, laufen die Übersetzungen weit auseinander:
- Scharff: "Meine Seele, es ist töricht, einen Lebensmüden überreden zu wollen (??), und mich vom Tode zurückzuhalten, bevor er (von selbst) zu mir gekommen ist. Mache mir doch den Westen angenehm!";
- Faulkner: "O my soul, too stupid to ease misery in life and yet holding me back from death ere I come to it, sweeten the West for me. Is it (too much) trouble?";
- Assmann: "My Ba is foolish to sully the care for life. / Keep me from death until I come to it! Sweeten the West for me!";
- Barta: "O-mein-Ba, es-ist-doch-töricht-zu-verunglimpfen-den-Kummer über-das-Leben / du-der-mich-treibt zu-einem-Tode / zu-dem-ich-nicht-kommen-möchte tue-mir-Angenehmes! / der-Westen ist-er-denn-ein-Unglück?";
- Lichtheim: "My ba, too ignorant to still pain in life, / Leads me toward death before I come to it! / Sweeten the West for me!";
- Parkinson: "O my soul, foolish to belittle the sorrow which is due to life, / you who constrain me towards death, when I have not yet come to it - / make the West pleasant for me!";
- Mathieu: "Mon ba est trop fou pour atténuer ma détresse de vivre, / me tirant vers la mort avant que je l'aie rejointe! / L'Occident me sera rendu agréable: est-ce pénible?"
Persistente ID:
IBUBd8mb3diDUURilu2WnG2oIpo
Persistente URL:
https://thesaurus-linguae-aegyptiae.de/sentence/token/IBUBd8mb3diDUURilu2WnG2oIpo
Bitte zitieren als:
(Vollzitation)Peter Dils, unter Mitarbeit von Altägyptisches Wörterbuch, Florence Langermann, Billy Böhm, Lutz Popko, Daniel A. Werning, Token ID IBUBd8mb3diDUURilu2WnG2oIpo <https://thesaurus-linguae-aegyptiae.de/sentence/token/IBUBd8mb3diDUURilu2WnG2oIpo>, in: Thesaurus Linguae Aegyptiae, Korpus-Ausgabe 19, Web-App-Version 2.2.0, 5.11.2024, hrsg. von Tonio Sebastian Richter & Daniel A. Werning im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften und Hans-Werner Fischer-Elfert & Peter Dils im Auftrag der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig (Zugriff am: xx.xx.20xx)(Kurzzitation)
https://thesaurus-linguae-aegyptiae.de/sentence/token/IBUBd8mb3diDUURilu2WnG2oIpo, in: Thesaurus Linguae Aegyptiae (Zugriff am: xx.xx.20xx)
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