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rḏi̯ sj m ḥn.w: Die erste sichere von mehreren „Ersatzformen“ eines Stativs im Papyrus Ebers; weitere sichere Fälle in diesem Papyrus sind die Rezepte Eb 381 (n.tj.t tḫn sj ḥr sꜣ n jr.tj), Eb 463 (rḏi̯ sj m ḥn.w), Eb 482c (nḏ sj ḥr šꜥ.t n.t jt), Eb 678 (qnqn sj ḥr jrḥnn.t und qnqn sj ḥr šw.wt=s), Eb 786+787 (mḥ sj m mrḥ.t) und Eb 868a (jw=s wr sj dḥr=s m jwf=f). Unter Umständen einzuschließen sind ferner Eb 863c (srwḫ sj mj srwḫ zꜣ-ḥmm), sofern man hier, analog zu anderen Stellen dieser Rezeptgruppe, zu srwḫ〈=k〉 sj ... oder srwḫ〈.ḫr=k〉 sj ... ergänzen kann. Wohl ein unabhängiger Adjektivalsatz liegt dagegen vor in dem Parallelrezept Eb 102 = Eb 296 (ḫpr sj m ḥsb.t). Neben diesen finden sich weitere Belege inner- wie außerhalb der medizinischen Texte bei Grapow, in: ZÄS 71, 1935, 52-55 und Westendorf, Gebrauch des Passivs, 71-75; ihnen ist vielleicht noch die Stelle pd’Orbiney 8,1 (jw=f ḥr ḫpr ẖzi̯ sw) hinzuzufügen (vgl. ENG, § 458 Anm.), sofern man darin nicht mit Sethe, Verbum I, § 270 und Wolf, in: ZÄS 69, 1933, 110 eine Hyperkorrektur für bloßes jw=f ḥr ḫpr ḥzi̯ sieht – vielleicht aus demselben Grund hat Satzinger, Neuägyptische Studien, 168 die Stelle mit dem Verweis, ẖsi.∅ zu lessen, als als normales jw=f ḥr sḏm aufgefasst.
Syntaktisch liegt vermutlich ein adverbial untergeordneter Adjektivalsatz mit Partizip an Prädikatsstelle vor, s. GEG, 374 und Schenkel, Einführung 2012, 159-160; auch Grapow, a.a.O. wird darin Adjektivalsätze gesehen haben, da er die von ihm diskutierten Belege als Gebrauch von sj nach adjektivischem und partizipialen Prädik versteht (s. a.a.O., 48). Auch Westendorf, Grammatik, § 87 definiert diese Sätze bei seiner Besprechung des Gebrauchs der enklitischen Personalpronomen „formal“ als Adjektivalsätze (konkret S. 54, Anm. 1 und 2). Dennoch setzt er diesen Gebrauch doch optisch von den (eigentlichen) Adjektivalsätzen; ferner trennt er diese Fälle auf in solche in einem statischen Gebrauch (§ 171, mit den Belegen Eb 102 = 296, 381 und 868a): „sie ist groß“ u.ä., und solche in einem optativischen Gebrauch (§ 188, mit den Belegen Eb 311, 463, 482c, 678, 786+787): „sie sei gelegt/gegeben“ u.ä., die er als passives sḏm(.w) im optativischen Gebrauch auffasst. Allerdings sind die von ihm in § 260b gegebenen Belege für enklitisches Subjektspronomen nach passivem sḏm, die sich zum größten Teil in der „Ersatzform“ erschöpfen, zweifelhaft, so dass jede Deutung der Ersatzform als passives sḏm ein Zirkelschluss wäre. Alternativ könnte man postulieren, dass sj in diesen Formen nur für s steht, d.h. dass auch diese Fälle eigentlich sḏm(.w)=s zu lesen sind und damit problemlos zu Passiva erklärt werden könnten. Allerdings hat mindestens der Schreiber des pEbers klar zwischen dem Suffixpronomen =s und dem enklitischen Pronomen sj unterschieden. Aus diesem Grund ist auch die Interpretation von Loprieno/Müller/Uljas, Non-Verbal Predication in Ancient Egyptian, 718-719 zweifelhaft, die ebenfalls ein sḏm=f erwägen.
Interessant für die Deutung der Form ist Eb 381, wo der Schreiber ein ursprüngliches n.tj.t tḫn.tj in n.tj.t tḫn sj korrigierte. Denn diese Korrektur zeigt auf semantischer Ebene, (1) dass dieses Paradigma anstelle eines Stativs gebraucht werden kann (etwas, was natürlich Grapow, Westendorf u.a. aufgrund mehrerer Parallelrezepte schon festgestellt haben); (2), dass sich beide Formen in ihrer Bedeutung unterschieden haben müssen, wenn auch vielleicht nur um eine Nuance, weil der Schreiber einen Grund gehabt haben muss, die eine Form in die andere zu korrigieren. Auf syntaktischer Ebene zeigt die Korrektur ferner, (3) dass das Paradigma nach einem Relativkonverter gestanden haben kann, weil dieser nicht ebenfalls gestrichen wurde – dieselbe syntaktische Position zeigt H 78: n.tj mr sj, wo die Parallele Eb 1 n.tj mr.tj schreibt. Es *muss* aber andererseits nicht zwangsläufig nach dem Relativkonverter stehen, um attributiv verwendet zu werden, wie die übrigen Belege zeigen. Ebenfalls für die Syntax von Interesse ist Eb 868a (jw=s wr sj dḥr=s m jwf=f), wo diese Form nach jw=s stehen kann und entweder diese gesamte Form jw=s wr sj oder nur das wr sj allein parallel zu dḥr=s steht (Letzteres unter Annahme von Gapping: jw=s wr sj ∅ dḥr=s$, vgl. Schenkel, Einführung 2012, 297). -
rḏi̯ qrf.t tn m šb.t hrw 1 dd.tw=s m ḫ.t§: Grundriss der Medizin IV/1, 163 übersetzt mit: „werde dieser Beutel gegeben in eine Maische am Tage, an dem sie ins Feuer gegeben wird“. Ebenso Bardinet, Papyrus médicaux, 299: „ce sachet sera placé dans de la chebet le jour où celle-ci est mise au feu.“ Syntaktisch müsste man wohl davon ausgehen, dass dd.tw=s in dem Fall ein substantivisches sḏm=f als Nomen rectum einer Genitivverbindung ist, vgl. dazu B. Gunn, in: JEA 35, 1949, 21-24 und Schenkel, Einführung (grün), 296. (Eine Relativform, an die man zunächst auch denken könnte, scheidet als Erklärung aus, weil das dafür notwendige resumptive Element fehlt; es wäre dann *dd.tw=s m ḫ.t jm=f o.ä. zu erwarten.) Westendorf, Handbuch Medizin, 605 schlägt stattdessen vor: „werde dieser Beutel in Maische (šb.t) gegeben einen Tag lang (?) (...), man möge ihn ins Feuer geben“. In der zugehörigen Anmerkung 81 spricht er sich explizit gegen die Übersetzung des Grundrisses aus.
Nach Grundriß der Medizin und Bardinet wäre also die Information, dass etwas im Feuer erhitzt wurde, eine Hintergrundinformation und nähere Beschreibung der šb.t-Maische; nach Westendorf, Handbuch Medizin wäre dies ein Detailvorgang der eigentlichen Drogenbereitung und damit Vordergrundinformation. Welche der beiden Lösungen die bessere ist, ist schwer zu entscheiden. Die von Westendorf, Handbuch Medizin genannten Referenzen Westendorf, Grammatik, §§ 150,2 und 224,2 sprechen jedenfalls nicht gegen den Vorschlag des Grundrisses (in § 150,2, Anm. 2 hält er die Interpretation des Grundrisses noch für eine Alternative und in § 227.3 sogar für die bessere Lösung). Die Schreibung spricht weder für die eine noch für die andere Lösung. Das Wort hrw ist mit der Sonnenscheibe abgekürzt. Danach steht ein senkrechter Strich, der nach der Auffassung des Grundrisses als Logogrammstrich, nach derjenigen von Westendorf, Handbuch Medizin als Zahlzeichen zu verstehen ist. Im pEbers sind für hrw beide Schreibungen belegt, sowohl mit der Sonnenscheibe allein als auch mit Sonnenscheibe + Logogrammstrich, s. MedWb 2, 568. Ein klarer Fall, in dem hrw mit Sonnenscheibe und Logogrammstrich geschrieben ist und in einer Genitivkonstruktion mit einem geminierten Verb als Nomen rectum steht – also genau die Konstruktion, die nach dem Grundriß der Medizin auch in Eb 311 steht –, findet sich in pEbers 97,13: hrw mss.tw=f: „Tag seines Geboren-Werdens“.
Andererseits ist im folgenden Satz davon die Rede, dass der ꜣḥ-Brei „herausgenommen“ (šdi̯) werden solle. Der Satz ist stark verkürzt, so dass nicht ganz sicher ist, woraus der Brei genommen werden soll. Theoretisch infrage kämen der qrf.t-Beutel und das Feuer. Wenn das Verb im Zusammenhang mit der Drogenzubereitung vorkommt, benennt es aber in der Mehrzahl der Fälle das Herausnehmen aus dem Feuer, MedWb 2, 874-875. Wenn man das auch für Eb 311 annimmt, wäre der im vorigen Satz genannte Vorgang „werde ins Feuer gelegt“ Teil der eigentlichen Drogenzubereitung und Vordergrundinformation. Dies spräche für Westendorfs Lösung.
Die insgesamt in Eb 311 beschriebene Prozedur ist inhaltlich schwer zu durchdringen. Zu betonen ist, dass die Maische nicht zu den zerstoßenen Dattelstückchen (?, zur Bedeutung s. den Kommentar zum Wort unter https://thesaurus-linguae-aegyptiae.de/lemma/26930, in: Thesaurus Linguae Aegyptiae (Zugriff am: 15.11.2023)) *in* den Beutel hineingefüllt, sondern umgekehrt der Beutel in die Maische gelegt werden soll. Darauf folgt ein Erhitzungsvorgang, bei dem der Beutel aber nicht verbrannt oder anderweitig zerstört wird, weil er sich danach noch entleeren lässt. Man muss daher wohl voraussetzen, dass die Maische am Beutel haften bleibt und im Feuer gebacken wird. Oder wird die Maische inklusive dem Beutel mit Dattelstückchen doch noch in ein Gefäß gefüllt und dieser Vorgang nur deswegen nicht genannt, weil er selbstverständlich ist? In jedem Fall impliziert die Beschreibung, dass der ꜣḥ-Brei, der durch den Prozess zu entstehen scheint, allein aus den erhitzten und zerkleinerten Datteln besteht (so wohl auch das Verständnis von DrogWb, 6). Anders DZA 20.064.350: Dort wird bezüglich des übernächsten Satzes vermutet, sich die ꜣḥ-Droge „beim Kochen oben absetzt“, was implizieren würde, dass sich noch etwas Anderes, Ungenanntes, im Beutel befindet, *worauf* sich das ꜣḥ absetzen kann.
Technologiegeschichtlich interessant ist, dass der Herstellungsprozess oder wenigstens der letzte Teil davon mit der Bierherstellung verglichen wird. Weitgehend basierend auf der Darstellung im Grab des Ti, beschreibt Helck, Bier, S. 30-36 die Bierherstellung folgendermaßen: (1) Emmer-Malz und Weizenmehl werden zu einem Teig vermischt; (2) dieser Teig wird in runde Klumpen, pzn genannt, aufgeteilt; (3) diese werden mit Wasser verdünnt und durch ein Sieb gestrichen: dni̯.t sṯ.t: „Verdünnen der Brotmasse / Verdünnen für die Brotform“. (4) Der so flüssiger gemachte Teig wird in sṯ.t genannte Formen gegossen und (5) darin (bzw. in Darstellungen in „Gräbern weniger hochgestellter Leute“ auch ohne jegliche Form) im Feuer angebacken. Anschließend (6) werden die Braubrote zerbröckelt und mit sgnn (Helck: Dattelsaft?) gemischt; diese Masse wird (7) ꜥtḫ: „durchgemischt/-geseiht“ und das Ergebnis zum Gären stehengelassen.
Bei der Bierherstellung kann nun auch ein ꜣḥ genanntes Produkt zum Einsatz kommen: In den Bierbrauszenen im Grab des Nianch-Chnum und Chnumhotep in Dahschur findet sich die Darstellung eines Mannes, der in einem großen Gefäß steht und dessen Beischrift lautet: zšn ꜣḥ: „Austreten des ꜣḥ“ (Moussa/Altenmüller, Nianchchnum, 70-71 und Tafel 23). Rechts von dieser Szene befindet sich die Darstellung der Bierherstellung in mehreren Subszenen. Diese Subszenen der Bierherstellung lesen Moussa/Altenmüller, 70 weitestgehend von rechts nach links, was theoretisch die Szene, in der ꜣḥ ausgetreten wird, ganz ans Ende der Bierherstellung setzen würde. Moussa/Altenmüller denken jedoch, dass es sich dabei nicht um eine weitere Subszene der Bierherstellung handelt, sondern um eine eigenständige Szene, die im Arbeitsprozess der eigentlichen Bierherstellung voranzustellen ist. Ähnlich denkt auch St. Grunert, in: GM 173, 1999, 91-94, dass hiermit der erste Arbeitsschritt der Bierherstellung, nämlich die Zerkleinerung des Rohstoffes, dargestellt sein könnte, die entweder auf einem Mahlstein oder durch Zertreten in einem Bottich erfolgte. Als Argument führt Grunert an, dass ꜣḥ mit drei Getreidekörnern und nicht als Flüssigkeit klassifiziert ist.
Es wäre aber auch eine andere Lesereihenfolge denkbar: Im Register über der Bierherstellung ist die Herstellung zweier Brotsorten dargestellt: links ḥṯꜣ-Brot und rechts pzn-Brot. Genauer gesagt sind nur zwei Szenen dargestellt, die das „Verdünnen (dni̯.t) des sṯ.t-Teiges“ sowie das „Ausgießen“ desselben zeigen. Dies ließe sich mit Helcks Reihenfolge der Bierherstellung vergleichen: In beiden Fällen wird sṯ.t-Teig dni̯-verdünnt und dann ausgegossen. St. Grunert schlägt im TLA (s. den Text unter: Sakkara, Unas-Friedhof, Mastaba des Nianch-Chnum und Chnum-hotep, Torraum, Durchgang zum Portiko, westliches Gewände, Szene 8.1-8.6) folgende Lesereihenfolge des 4. und 5. Registers vor: Formen von pzn-Brot, Erhitzen einer Backform, ṯjs-Zerkleinern des frischen Brotes, Verdünnen/Einweichen (dni̯.t) des sṯ.t-Teiges, Ausgießen (Grunert: „Umschütten“), zšn-Zerkleinern des ꜣḥ, Tragen (von Bierkrügen), Ausschmieren der Krüge mit Ton, Versiegeln der Krüge, „Abschneiden“ und ꜥtḫ-Durchseihen, Abfüllen des Bieres. Bei dieser Lesefolge befände sich der zšn ꜣḥ$ genannte Prozess zwischen dem „Ausgießen“ und den Vorbereitungen der Krüge, mithin ungefähr an der Stelle der Prozedur, in der Helck das Zerkleinern des angebackenen Braubrotes und die Zugabe von Dattelsaft vermutet.
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Bitte zitieren als:
(Vollzitation)Lutz Popko, unter Mitarbeit von Peter Dils, Altägyptisches Wörterbuch, Daniel A. Werning, Token ID IBYCOD0Wr632tUhFscY3H2dvDc0 <https://thesaurus-linguae-aegyptiae.de/sentence/token/IBYCOD0Wr632tUhFscY3H2dvDc0>, in: Thesaurus Linguae Aegyptiae, Korpus-Ausgabe 19, Web-App-Version 2.2.0, 5.11.2024, hrsg. von Tonio Sebastian Richter & Daniel A. Werning im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften und Hans-Werner Fischer-Elfert & Peter Dils im Auftrag der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig (Zugriff am: xx.xx.20xx)(Kurzzitation)
https://thesaurus-linguae-aegyptiae.de/sentence/token/IBYCOD0Wr632tUhFscY3H2dvDc0, in: Thesaurus Linguae Aegyptiae (Zugriff am: xx.xx.20xx)
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