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mnj: Eine unbekannte Droge, vielleicht Rötel?
(1) In den medizinischen Texten bislang nur in Eb 325 belegt. Stern, in: Ebers, Papyros Ebers, Bd. 2, 23 nennt als weiteren Beleg pEbers 68,10 (= Eb 490). Dieser ist jedoch zu streichen, denn das dort stehende Wort ist mnḥ: „Wachs“, vgl. explizit Harris, Minerals, 172, Anm. 7. Ein möglicher weiterer Beleg in Totenbuchspruch 64 in der Version auf dem Papyrus des Juya (pCairo CG 51189; TM 134267; Munro, Tb-Handschriften, Taf. 59, Z. 477; vgl. hier im TLA) mit leicht variierender Schreibung bringt keine zusätzlichen, für die Identifizierungen nützlichen Informationen: Er steht in der Verbindung pr-mnj: „Haus des ...“ im Zusammenhang von Epitheta, mit denen der Verstorbene sich vor Osiris rechtfertigt.
Lüring, Über die medicinischen Kenntnisse der alten Ägypter, 29, Anm. 1 vermutet in mnj eine Schreibvariante des Produkts mnnn, das bei der Balsamierung und als Bestandteil von Harzen genannt wird, und er vermutet in beidem „eines der aromatischen Harze“. Chassinat, in: Fs Champollion, 463, Anm. 8 und Chassinat, Manuscrit magique copte No 42573, 65-74, der Lürings Gleichsetzung von mnj mit mnnn folgt (und noch mit Stern Eb 490 für einen zweiten Beleg hält), bespricht die Belege für mnnn. Aufgrund der Verwendung v.a. bei der Balsamierung, die er mit der angeblichen Verwendung von Bitumen in den Berichten der klassischen Autoren vergleicht, sowie aufgrund der in den Texten genannten schwarzen Farbe und der festen Konsistenz kommt er zu dem Ergebnis, dass es sich dabei um Bitumen handeln könnte. Auf dieser Gleichsetzung von mnj mit mnnn beruht Ebbells Übersetzung (Ebbell, Papyrus Ebers, 132) von mnj mit „bitumen?“, die Iversen, Paints and Pigments, 40, Anm. 2 für „very doubtful“ hält. Aber auch die Vorschläge im Grundriß der Medizin IV/1, 166 („mnj-Harz (?)“) und im DrogWb, 239 („mnj ist unbekannt. Vielleicht ist es ein Harz“), Bardinet, Papyrus médicaux, 300 („résine-men“) und Aufrère, L’univers mineral, 657 gehen letztlich hierauf zurück.
Harris, Minerals, 173 und 234 zweifelt die Bedeutung „Bitumen“ für mnnn jedoch an, weil in der vorpersischen Zeit kein Bitumen bei der Mumifizierung verwendet wurde und mnnn in vorpersischen Belegen daher etwas anderes bezeichnen muss. Er vermutet eher Holzteer oder ein Koniferenharz (Aussage leicht modifiziert, aber nicht grundlegend geändert im Nachtrag S. 234). Die Gleichsetzung mit dem mnj des pEbers schließt er implizit aus, was man daran erkennt, dass er dieses an anderer Stelle diskutiert.
(2) Ein Wort mn.y, geschrieben wie in Eb 325, nur mit doppeltem Schilfblatt anstelle der doppelten diagonalen Linie (Gardiner, Sign-list Z 4), ist im Liebeslied Nr. 43, pChester Beatty I, Recto 17,3, belegt. Gardiner, pChester Beatty I, 37, Anm. 1 verbindet es explizit mit dem mnj des pEbers. Der Beleg steht im Kontext der Brandmarkung von Rindern und parallel zu ḫtm: „Siegel“; Gardiner vermutet die Bedeutung „ruddle“. Fox, Love Songs, 73 emendiert dagegen zu mn.tj: „die beiden Beine“, was Mathieu, Poésie, 50, Anm. 134 wiederum ablehnt, weil der Klassifikator und die verwendete Possessivkonstruktion pꜣy=f mn.y gegen einen Körperteil sprächen; man würde dann mn〈.tj〉=f erwarten. Als weiteren Beleg für dieses Wort führt Caminos, Literary Fragments, 34 die Geschichte vom „Sporting King“, Zl. C2,2, an; der Beleg ist mit Gardiner Z 4 geschrieben und mit den gekreuzten Linien (Gardiner Z 9) klassifiziert.
(3) Einen weiteren möglichen Beleg für Nr. 2 findet Janssen, Prices, 309-310 auf oDeM 579, Zl. 16. Die Bedeutung „ruddle“ lehnt er allerdings ab und vermutet ein Metall-, konkret: Schmuckobjekt, weil das Wort innerhalb einer Aufzählung von Metallobjekten steht und mit der Quantität „1“ sowie einem Preis von einem Deben gelistet ist. Ob er die Bedeutung „Rötel“ nur für das Lemma dieses Ostrakons ablehnt oder generell, wird nicht klar. Im Kontext von Liebeslied Nr. 43 würde ein Metallobjekt weniger gut passen; ganz auszuschließen ist es allerdings nicht.
(4) Mathieu, Poésie, erwähnt noch einen angeblichen weiteren Beleg auf oBM EA 5631 Recto, Zl. 7 (vgl. Černý/Gardiner, Hier. Ostraca, Taf. 88). Dort steht aber nicht mn.y, sondern die Gewichtseinheit mnn: „Mine“, vgl. Hoch, Sem. Words, 127, Nr. 162. -
ꜣw.t-jb: In den medizinischen Rezepten nur einmal, in Eb 325, erwähnt. Stern, in: Ebers, Papyros Ebers, Bd. 2, 13a, der das erste Zeichen noch fu liest (wie auch Brugsch, Wb II, 540), gibt als wörtliche Übersetzung „anime solatium“, d.h. „Beruhigung des Geistes/Verstandes“, unterlässt aber einen Identifikationsvorschlag und bleibt bei einem allgemeinen „n[omen] granorum quorundam“: „eine Art von (Samen)körnern“. Mit dieser allgemeinen Bedeutung ist es verwendet in der Übersetzung von Joachim, Papyros Ebers, 79 (als „fut-ȧb-Korn“; übernommen von Bryan, Papyrus Ebers, 52 als „fut-ab-grain“) und wurde aufgenommen bei Brugsch, Wb VI, 516 (dort mit der Lesung āu.t-ȧb, d.h. ꜥw.t-jb). Auch für Lüring, Über die medicinischen Kenntnisse der alten Ägypter, 29 ist die Droge noch unidentifiziert – in Anm. 1 vermutet er aber in mnj, das in Eb 325 unmittelbar auf ꜣw.t-jb folgt, ein aromatisches Harz (s. den Kommentar dort), und „vielleicht hat die erstere [d.h. ꜣw.t-jb] eine ähnliche Bedeutung“. Daressy, in: ASAE 16, 1916, 233 verweist auf das Vorkommen von ꜣw.t-jb in einer Opferliste aus der 30. Dynastie (a.a.O., 223, Nr. III.12, und 225, Nr. VII.3). In Nr. VII.3 wird ꜣw.t-jb mit einem Wort qny, gleichgesetzt, das Daressy dort und 233 mit „beurre“ übersetzt (er wird vielleicht an das Wort qnw aus pBoulaq 3 gedacht haben, das Brugsch, Wb VII, 1255 als eigenes Lemma mit der Bedeutung „Butter“ aufgenommen hat, und das DZA 50.160.630 als „Fett“ versteht; zu einer neuen Bearbeitung dieser Stelle s. Töpfer, Balsamierungsritual, 178, pBoulaq 3, x+9,8-9). Daher vermutet Daressy in ꜣw.t-jb ein Produkt, das zusammen mit Öl oder Fett in Brandopfern Anwendung findet, und er erwägt die Bedeutung Salz oder ein „encens spécial“; in seinen Übersetzungen von III.12 und VII.3 legt er sich konkret auf die Option „sel(?) au-ab“ fest. Wenn Wb 1, 5.1 diese Droge mit „Art Myrrhe o.ä.“ übersetzt, wird das wohl auf Daressys Erwägungen zurückgehen; zumindest bilden Daressys Listen zwei der nur vier Wb-Belege für dieses Sublemma.
Etwas apodiktisch schlägt Ebbell, Papyrus Ebers, 131 die Übersetzung „realgar or orpiment“ vor. Einen Grund dafür gibt er nicht an. Man kann allenfalls spekulieren, ob die Aufnahme von pChester Beatty V, Vso., 8,13 durch das Berliner Wb-Team als Beleg für ꜣw.t-jb (DZA 20.030.650) Ebbell zumindest in die Richtung Pigment gelenkt hat. Denn dort erscheint diese Substanz – wenn auch in unvollständiger/fehlerhafter(?) Schreibung als ꜣw – in einer Pigmentliste (NB: Gardiner, HPBM III, Text, 49 gibt das Wort in der Übersetzung der Stelle nur als ꜣw wieder und ohne Übersetzung, hat also nicht zu ꜣw.t-jb ergänzt). In derselben Liste erscheint auch qnj(.t), mit dem ꜣw.t-jb in Daressys Opferliste gleichgesetzt wird, und das schon Brugsch, Wb VII, 1254 als gelbe Farbe erkannt hat).
Eine auf explizit geäußerten Argumenten basierende Festlegung auf die Bedeutung Realgar findet sich allerdings erst bei Iversen, Paints and Pigments, 39-42: Dieser weist darauf hin, dass ꜣw.t-jb in Opferlisten üblicherweise zusammen mit Farben und Pigmenten genannt wird und demzufolge wohl auch ein Pigment ist (zu weiteren Belegen in Pigmentlisten vgl. auch Harris, Minerals, 142), und dass es immer im Zusammenhang mit qnj.t genannt wird, einmal sogar als eine Art qnj.t bezeichnet wird (d.i. Daressys Beleg VII.3). Letzteres identifizierte Iversen, a.a.O., 34-39 mit Orpiment; hauptsächlich, weil es den Belegen nach als gelbe Farbe verwendet wurde und laut Lucas, Materials, 144-145 für Ägypten nur gelber Ocker und Orpiment als Lieferanten gelber Farbe belegt seien. Da gelber Ocker als stj bezeichnet würde, so Iversen, bleibt für qnj.t nach dem Ausschlussprinzip nur Orpiment übrig. Dass qnj.t und ꜣw.t-jb immer gemeinsam vorkommen und einmal sogar miteinander identifiziert werden, erinnert ihn an die häufige gemeinsame Nennung von Orpiment und Realgar (resp. ἀρσενικόν und σανδαράχη) in griechischen und lateinischen Quellen. Nach Harris, a.a.O., 142 sind auch im Koptischen Orpiment und Realgar als miteinander verwandt verstanden worden, da Realgar sowohl als ⲥⲁⲛⲧⲁⲣⲁⲭⲏⲥ: „Sandarak“ als auch als ⲁⲥⲥⲉⲣⲛⲏϩ ⲉⲧⲧⲟⲣϣ̄ und ⲁⲥⲥⲉⲣⲛⲏϩ ⲛ̄ⲕⲟⲕⲟⲥ: „rotes Arsenikon“ bezeichnet wurde. Die Verwendung in einem Inhalationsmittel gegen Husten in Eb 325 erinnert Iversen ferner spezifisch an eine Passage bei Dioskurides, in der σανδαράχη gegen Husten verwendet wird. Insgesamt schließt sich Harris den Argumenten von Iversen an. Er warnt aber davor, ꜣw.t-jb mit „Sandarak“ zu übersetzen, weil das Sandarak der griechischen und, davon abgeleitet, der mittelalterlichen Texte neben Realgar möglicherweise auch andere rote Mineralien bezeichnen kann. Er präferiert eine konkrete Übersetzung mit „Realgar“.
NB: Seine Warnung hat Einfluss auf Iversens Vergleich der Anwendung von ꜣw.t-jb im pEbers mit derjenigen von σανδαράχη im Rezept des Dioskurides; die anderen Argumente von Iversen und Harris bleiben aber davon unberührt.
Vor dem Hintergrund, dass Realgar giftig ist, erscheint die ägyptische Benennung als ꜣw.t-jb: „Herzensfreude“ im Übrigen anmerkenswert (vgl. auch das deutsche Synonym „Rauschrot“; vgl. allerdings Lucas, a.a.O., 145, laut dem das natürliche Mineral nicht giftig sei und wohl dieses in Ägypten als Pigment verwendet worden sei).
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Bitte zitieren als:
(Vollzitation)Lutz Popko, unter Mitarbeit von Peter Dils, Altägyptisches Wörterbuch, Daniel A. Werning, Token ID IBYCOHKda7WvWEMDgjpoEC4pLmA <https://thesaurus-linguae-aegyptiae.de/sentence/token/IBYCOHKda7WvWEMDgjpoEC4pLmA>, in: Thesaurus Linguae Aegyptiae, Korpus-Ausgabe 19, Web-App-Version 2.2.0, 5.11.2024, hrsg. von Tonio Sebastian Richter & Daniel A. Werning im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften und Hans-Werner Fischer-Elfert & Peter Dils im Auftrag der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig (Zugriff am: xx.xx.20xx)(Kurzzitation)
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