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tpꜣ.w: Ein seltenes Krankheitsphänomen, das neben Eb 712 = H 17 nur noch in Ram III B 8-10 vorkommt. Während es im pEbers und pHearst am Kopf lokalisiert wird, gibt pRamesseum III keine weitere Lokalisierung an. Das Wort ist genauso geschrieben wie der anatomische tpꜣ.w-Bestandteil des menschlichen Kopfes und die pflanzliche tpꜣ.w-Droge, s. auch die Diskussionen zu diesen Wörtern. Im pHearst ist es statt mit dem Mineralienkorn N33 mit dem „schlechten Paket“ Aa2 klassifiziert.
Als Bedeutung des Krankheitsterminus schlägt Lüring, Die medicinischen Kenntnisse, 39 „Ausschlag, Grind“ vor: „Ein Emplastrum und das Abkratzen der schuppigen Massen des Kopfes werden zur Behandlung empfohlen“. Diese Deutung wird von Joachim, Papyros Ebers, 156 übernommen („Eczem“, „Grind, Ausschlag“; zum Verweis auf Lüring s. an falscher Stelle S. 139 mit Anm. 5). Reisner, Papyrus Hearst, 45 vermutet kommentarlos „a disease (boils?)“. Ebbell, Alt-ägyptische Krankheitsbezeichnungen, 59-60 denkt eher an „Schuppen“ (als solche dann auch in der Randbemerkung zum tpꜣ.w-Schädelteil bei Breasted, Surgical Papyrus, 186). Als Argumente dienen ihm folgende Beobachtungen: (1) Das Phänomen kommt laut pEbers auf dem Kopf und dort am Scheitel vor. Allerdings steht das Rezept nicht in der Gruppe der Haarkrankheiten (womit er sicher Eb 451-476 meint), und es geht Mitteln voran, die eher in den Bereich der Kosmetik fallen und „man behandelt ja diesen Zustand [der Schuppenbildung, L.P.] mehr aus Toilettenrücksichten, als weil er eine eigentliche Krankheit ist.“ (2) Die Klassifizierung mit dem Mineralienkorn würde gut zu einem Pulver o.ä. passen. (3) Eb 712a enthält die Anweisung tmt.w dp=f rḏi̯ whnn=f r tꜣ. Da das Rezept aber Fett enthält und explizit durch „einreiben/salben“ (wrḥ) aufgetragen werden soll, verbiete sich, tmt.w: „pudern“ u.ä. auf das Rezept zu beziehen. Der fragliche Satz sei daher wohl eher als Anweisung zu verstehen, gegebenenfalls zunächst das tpꜣ.w-Phänomen durch Vorbeugen des Kopfes zu entfernen, bevor man das Heilmittel aufträgt: „[W]enn sein Kopf stäubt (d.h. Pulver streut), soll sein Scheitel gegen die Erde gebeugt werden, ohne irgendein Heilmittel auf demselben anzubringen.“ So auch seine Übersetzung in Papyrus Ebers, 101: „(but) if the scurf comes off his head, then his crown shall be turned to the ground without applying any remedy to it.“ (Syntaktisch läge in dem Fall ein Konditionalsatz ohne jr vor.) MedWb 2, 948 zweifelt Ebbells Vorschlag „Schuppen“ an, vorrangig, weil Schuppen nicht nur am Scheitel auftreten, sondern auch andere Teile des Kopfhaares betreffen können, und weil das Rezept des pRamesseum gegen ein einzelnes tpꜣ-Phänomen angewendet werden soll, was für eine gewisse Größe spricht. MedWb erwägt eher eine bestimmte Art des Haarausfalls, da Eb 712 „unter den Schönheitsmitteln“ stehe. Eine mögliche Verbindung mit dem tpꜣ.w-Teil des Schädels wird angesprochen, aber nicht im Detail ausgeführt. Aus diesem Grund übersetzt es Grundriß der Medizin IV/1, 39 nicht, sondern transkribiert es nur. Chapman, in: JARCE 29, 1992, 35-42 diskutiert den tpꜣ.w-Teil des Schädels im pEdwin Smith und kommt zu dem Schluss, dass es sich dabei um die hautähnlichen Membranen der Stirnhöhlen zu handeln scheint. Bezüglich der tpꜣ.w- und der tpꜣ.wt-Droge, die als Bestandteil von Stechwacholder bzw. der Sykomore genannt ist, denkt er ebd., 42 an eine Bezeichnung für die Borke oder das Kambium des entsprechenden Baumes; eine konkretere Idee zur Identifikation des Phänomens von Eb 712 gibt er nicht. Bardinet, Papyrus médicaux, 189 vermutet als Tertium comparationis zwischen dem tpꜣ.w-Schädelteil des pEdwin Smith und dem tpꜣ.w-Phänomen von Eb 712 eine beutel- oder taschenartige Form und vermutet hinter Letzterer eine Bezeichnung für „vésicules“, „très probablement du genre ‚pustules, petites érosions circulaires‘“ (ob vielleicht partiell inspiriert von Reisners Idee „boils?“?). Auf diese Idee wird wohl Hannig, HWB, 2. Auflage, 1001, Nr. 37059 basieren: „e[ine] Krankheit (am Kopf; *Warze)“. Westendorfs zweifelnde Erwägung „Kopfgrind mit Blasen- oder Borkenbildung?“ (Handbuch Medizin, 142 und 667, Anm. 181) wirkt wie eine Zusammenfassung der verschiedenen Ideen: „Kopfgrind“ geht auf Lüring zurück; „Blasenbildung“ vielleicht auf Reisner und Bardinet, und „Borkenbildung“ auf Chapmanns Idee zur Bedeutung der tpꜣ.w-Droge. Pommerening, in: Imhausen, Pommerening (Hrsg.), Translating Writings of Early Scholars, 222-223 schlägt schließlich vor, den Schädelteil, das Krankheitsphänomen und die Droge unter dem gemeinsamen Nenner „mit Haut und Knochen umschlossene Körperausweitung“ zu vereinen (wobei im Falle der Droge „Knochen“ natürlich nur metaphorisch gemeint sein kann). Im Fall der Krankheit erwägt sie „z.B. die am Kopf bisweilen entstehenden Fettgeschwülste“. Die Bedeutung „Borke“ für die Droge lehnt sie ab, weil dieser Pflanzenteil für mehr als nur zwei Baumarten zu erwarten sei, und die Bedeutung „Kopfgrind“ für die Krankheit ebenfalls, weil dieser besonders bei Säuglingen auftritt, aber Eb 712 nicht zwischen den Rezepten für Mutter und Kind steht. Bislang in der Diskussion zur Bedeutung wenig beachtet ist der Umstand, dass das Phänomen m ḏꜣḏꜣ=f lokalisiert wird und die Präposition in diesem Kontext eher die Bedeutung „in“ als „am“ hat. Das heißt, das Phänomen könnte auch von den Ägyptern „im Kopf“ lokalisiert sein. Oder liegt hier ein Fall analog zu den „Paradoxical Figure-Ground-Relations“ vor, die D. Werning, in: Kutscher, Werning, On Ancient Grammars of Space, 240-241 für Fälle bespricht, in denen sich eine Kopfbedeckung m: (wörtl.:) „in“ dem Kopf des Trägers befindet?
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Bitte zitieren als:
(Vollzitation)Lutz Popko, unter Mitarbeit von Florence Langermann, Altägyptisches Wörterbuch, Daniel A. Werning, Token ID IBcBiCVHkKTKBEiSljb6DOrnnYg <https://thesaurus-linguae-aegyptiae.de/sentence/token/IBcBiCVHkKTKBEiSljb6DOrnnYg>, in: Thesaurus Linguae Aegyptiae, Korpus-Ausgabe 19, Web-App-Version 2.2.0, 5.11.2024, hrsg. von Tonio Sebastian Richter & Daniel A. Werning im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften und Hans-Werner Fischer-Elfert & Peter Dils im Auftrag der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig (Zugriff am: xx.xx.20xx)(Kurzzitation)
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