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ein Mann, der nicht gehen kann,
Blüte von Schilfrohr, nḏf-gemacht,
sw.t-Wildweizen einer Müllerin, geknetet/zerkleinert (?),
⟨… der (?)⟩ Neith,
Vogel mit lauter Stimme in der Nacht.
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Auf der Parallele oBerlin P. 14291, rto 2 sind die „Augenbrauen eines Mädchens“ ausgefallen, s. Fischer-Elfert, in: Fs Blumenthal, 109, Abb. 4. Außerdem fährt das Ostrakon hinter gꜣš mit einem anderen Text fort, s. dazu Fischer-Elfert, a.a.O., 99-100.
qꜣš nḏf: Zur Schreibung qꜣš für gꜣš s. Fischer-Elfert, a.a.O., 97, Anm. p. Das anschließende Wort gibt Posener, oDeM 1001-1108, Taf. 32 als nḏf wieder. Dem folgt Fischer-Elfert, aber „es entzieht sich hartnäckig einer semantischen Bestimmung“ (a.a.O., 97, Anm. q). Fischer-Elfert überlegt, ob es etymologisch mit dem Gaunamen Nḏf.t zusammenhängen könnte, und verweist zudem auf ein Wort ḏf: „separér“ (Meeks, AL, 78.4915 = CT VI, 404r) als denkbares Simplex zu einem präfigierten *n:ḏf. Dieses Verb aus den Coffin Texts steht parallel zu wḏꜥ: „trennen“, was sicher der Grund für Meeks’ Übersetzungsvorschlag ist. Dagegen verweist FECT II, 301, Anm. 20 auf ein Verb ḏfy bei Breasted, pEdwin Smith, Vol. 1, 337 = pEdwin Smith 11,8 (https://thesaurus-linguae-aegyptiae.de/sentence/IBYCeLZRrughWU8fq8RqSxKLwk4, in: Thesaurus Linguae Aegyptiae (Zugriff am: 3.12.2024) = Wb 5, 569.4-6), das seinerseits parallel zu ꜥq verwendet würde, weswegen Breasted für den pEdwin Smith und, ihm folgend, Faulkner für CT VI, das Verb als „to penetrate“ übersetzen.
An dieser Stelle könnte man der Vollständigkeit halber noch auf ein Verb ḏf in einem Besuchergraffito in Meidum verweisen, wo man lesen kann: (…) ḥwi̯ p.t m ꜥnt.w wꜣḏ ḏf=s m snṯr ḥr tp(.t) n.t ḥw.t-nṯr n.t Ḥr.w 𓍹Snfr.w𓍺: „Der Himmel regnet mit frischer Myrrhe und er … mit Weihrauch auf das Dach den Tempels des Horus Snofru.“ Hier übersetzt Spiegelberg, in: ZÄS 53, 1917, 99 das fragliche Verb aufgrund der Parallelität mit ḥwi̯ durch „tröpfeln“. Diese Vermutung wird bestätigt durch ein lückenhaftes Graffito in Beni Hassan, wo ḏfḏf statt ḏf steht, s. DZA 31.631.160.
Für das n-Präfix verweist Fischer-Elfert, a.a.O. auf Derchain-Urtel, in: GM 6, 1973, 39-54. Diese schreibt den damit erweiterten Verben eine Bedeutung zu, die in etwa der Diathese des indoeuropäische Mediums entspricht und die im Prinzip dasselbe wie das Simplex meint, nur mit dem Unterschied, dass diese Verben ihre „Handlung an sich selbst und im eigenen Interesse“ ausdrücken (a.a.O., 43).
Zieht man all dies in Betracht, ließe sich noch am ehesten die erstgenannte Wurzel mit der von Meeks vorgeschlagenenen Bedeutung „separér“ zur Erklärung von oDeM 1059 heranziehen: Es wäre dann von irgendwie abgetrennten Blüten die Rede. So auch Fischer-Elfert, a.a.O., 96, der als Übersetzung vorschlägt: „werden gepflückt/zerrieben“. (NB: Fischer-Elfert übersetzt es als subjektloses Passiv; in den medizinischen Texten steht an diesen Stellen ein Partizip oder ein Stativ.) Zugegebenermaßen verleiht dies den Blüten keine sonderlich aussagekräftige Zusatzinformation. Denn wie, wenn nicht in irgendeiner Weise abgetrennt, sind sie als Einzelsubstanz aufzufassen?
Eine weitere Option wäre schließlich noch, das Hieratische nicht nḏf, sondern sḏf zu lesen (mit 𓊃 geschrieben). Dieses könnte ebenfalls von einer der beiden hier genannten Simplex-Formen abgeleitet sein, nur eben als s-Kausativum statt als n-präfigiertes Verb. Oder es wäre ein weiterer Beleg für das Verb sḏf: „anketten, binden, einfangen“ o.ä., https://thesaurus-linguae-aegyptiae.de/lemma/855653, in: Thesaurus Linguae Aegyptiae (Zugriff am: 3.12.2024). Doch auch eine solche Etymologie erhellt kaum die Bedeutung.
Nj.t: Die Bedeutung des Göttinnennamens in diesem Kontext ist unklar. Laut Posener, oDeM 1001-1108, Taf. 32 fehlt nichts am Ende von Zeile 6. Auch der Anfang von Zeile 7 wirkt vollständig. Sollte dennoch im Zeilenumbruch etwas verlorengegangen sein, so dass hier irgendein mit Neith assoziiertes Produkt vorliegt?
ꜣpd qꜣi̯ ḫrw m grḥ: Fischer-Elfert, in: Fs Blumenthal, 98, Anm. s überlegt, ob damit die Eule gemeint sein könnte. Da es bislang keine Verbindung zwischen der Göttin Neith und der Eule gibt, interpretiert er den Namen der Göttin und die Vogelbezeichnung als zwei voneinander unabhängige semantische Einheiten. Dessen ungeachtet weist er auf die späte Interpretatio Graeca hin, die Neith mit der Göttin Athene gleichsetzt, weshalb dann doch ein Link zur Eule, dem heiligen Tier der Letzteren, bestehen könnte.
Vgl. vielleicht auch die sehr späte Bezeichnung von Pfeilen im Allgemeinen und den Pfeilen der Neith im Besonderen als ꜣpd jw.tj šmi̯: „Vogel, der sich nicht bewegen kann“ und ꜣpd nn/jw.tj šw.t(=f): „Vogel, der keine Federn hat“ bei von Recklinghausen, Land von Pfeil und Bogen, 69. Der auf oDeM 1059 stehende „Vogel mit lauter Stimme in der Nacht“ evoziert jedoch ein anderes Bedeutungsspektrum.
Schließlich sei noch erwähnt, dass in pEdwin Smith vso, Spruch 6, eine Fliege (ꜥff) als ꜣpd (logographisch geschrieben) bezeichnet wird, s. Stegbauer, in: https://thesaurus-linguae-aegyptiae.de/sentence/IBUBd6mMN83W5UUWkSCmWmVjQZU, in: Thesaurus Linguae Aegyptiae (Zugriff am: 25.10.2024). Damit eröffnet sich die Option, dass das Wort ꜣpd mitunter auch weiter gefasst werden und Flugtiere allgemein inklusive Insekten bezeichnen kann. Dies passt zu Goldwasser, Wor(l)d Classification in Ancient Egypt, 19 mit Anm. 52 und Goldwasser, in: GM 170, 1999, 56, der zufolge die ägyptische Tierkategorie ꜣpd Insekten, oder zumindest einige von ihnen, einschloss – eine Ansicht, die hauptsächlich auf der Klassifizierung von Insektennamen mit Vogelklassifikator beruhte. (Skeptisch dazu allerdings Meeks, in: Fs Brovarski, 296, der in dieser Klassifizierung eine schlichte Vereinfachung der Schreibung vermutet, d.h. einen schreibtechnischen, keinem taxonomischen Hintergrund dafür sieht; vgl. ferner Meeks, in: Fs Grenier, 529-530, wonach mindestens der ḫprr-Käfer kein ꜣpd ist.) Falls auch der ꜣpd von oDeM 1059 ein Insekt ist, könnte man unter aller Vorsicht auf den Schnellkäfer, englisch „click beetle“, hinweisen, der eben durch seine Geräusche auffällt. Zu diesem Käfer und seinen Bezügen zur Neith s. Keimer, in: ASAE 31, 1931, 145-186 sowie Wilde, in: ZÄS 140, 2013, 180-182 mit weiterer Literatur.
Andererseits besteht natürlich auch überhaupt kein Zwang, Neith und den Vogel/Insekt(?) miteinander zu verbinden.
Falls dieser ꜣpd eine magische Ingredienz ist, gilt für ihn dieselbe Einschränkung wie für die sr.t ḥḏ.t in rto 9: Es wird kaum ein ganzer Vogel zum Einsatz kommen, so dass man annehmen muss, dass hier eine Quantitätsangabe fehlt oder der Vogel das Attribut einer ausgefallenen Ingredienz war (etwa „Fett“ o.ä., s. erneut die sr.t ḥḏ.t). Oder wäre die fehlende Quanti- oder Qualifierung ein weiteres Argument für die Annahme, dass ꜣpd an dieser Stelle ein Insekt meint?
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(Full citation)Lutz Popko, with contributions by Samuel Huster, Token ID ICQDNQnBdGPGY054jbtXOsbrkuQ <https://thesaurus-linguae-aegyptiae.de/sentence/token/ICQDNQnBdGPGY054jbtXOsbrkuQ>, in: Thesaurus Linguae Aegyptiae, Corpus issue 20, Web app version 2.3.2, 10/31/2025, ed. by Tonio Sebastian Richter & Daniel A. Werning on behalf of the Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften and Hans-Werner Fischer-Elfert & Peter Dils on behalf of the Sächsische Akademie der Wissenschaften zu Leipzig (accessed: xx.xx.20xx)(Short citation)
https://thesaurus-linguae-aegyptiae.de/sentence/token/ICQDNQnBdGPGY054jbtXOsbrkuQ, in: Thesaurus Linguae Aegyptiae (accessed: xx.xx.20xx)
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