Satz ID IBkCMVYJt4K6K0vytneVlc4RPg0
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Die Konstruktion mj ḥr tꜣ, eine typische Formulierung magischer Texte, ist wohl eine Verkürzung von mj pri̯ ḥr tꜣ: „Komm, geh heraus auf den Erdboden!“ Der Befehl: „Komm auf den Erdboden“ ist zunächst wörtlich gemeint, wie sich auch an der – wenn auch seltenen – Parallelkonstruktion mj hꜣi̯.y r pꜣ jwtn: „Komm, gehe ab auf den Erdboden!“ (https://thesaurus-linguae-aegyptiae.de/sentence/IBcCJyio8DbrQ0u8tBUadwC5FBw, in: Thesaurus Linguae Aegyptiae (Zugriff am: 12.9.2024)) zeigt. Auch in den medizinischen Texten ist das Abgehen auf den Boden ein häufiger Wunsch gegenüber Krankheiten, s. MedWb 2, 932. Gemeint ist, dass das Gift bzw. die als Giftstoff gedachte Krankheit auf den Boden fallen und damit unschädlich werden soll. Derselbe Mechanismus liegt vielleicht auch noch Mundspülungen zugrunde, die „r tꜣ gegeben werden“ sollen, bspw. https://thesaurus-linguae-aegyptiae.de/sentence/IBcBklk7lxWTQEfgtrHKHofbucg, in: Thesaurus Linguae Aegyptiae (Zugriff am: 12.9.2024). Auch hier wird noch die Idee vorliegen, zusammen mit der Mundspülung auch die damit behandelte Krankheit loszuwerden, indem man sie, wie Gift, auf den Boden spuckt. Gleichzeitig ist hier bereits ein Übergang zu einer eher metaphorischen Bedeutung spürbar, denn diese Anweisung steht im Kontrast zu den vielen anderen Medikamenten, die „gegessen“ oder „getrunken“, d.h. verschluckt, werden sollen: Anders als Letztere sollen die Mundspülungen eben nicht eingenommen, sondern ausgespuckt werden.
An anderen Stellen in den medizinischen Texten hat r/ḥr tꜣ eine eher unspezifischere Bedeutung „im Sinne von ‚unten‘“ (MedWb 2, 931): Wenn bspw. im pHearst, Rezept H8, davon die Rede ist, dass ein Zahn ḫr r tꜣ: „zu Boden fällt“ (https://thesaurus-linguae-aegyptiae.de/sentence/IBgDA0DwfiG6fUS8tS2PWDCLiTw, in: Thesaurus Linguae Aegyptiae (Zugriff am: 12.9.2024)), wird der Fokus der Aussage eher auf dem Umstand liegen, dass er ausfällt, und nicht, dass er konkret auf den Erdboden fällt. Dasselbe liegt vor im Rezept Eb 622, wo ein „abgefallener“, d.h. wörtlich: ein „zu Boden gefallener“ – Nagel behandelt werden soll, https://thesaurus-linguae-aegyptiae.de/sentence/IBcAVGUwwC8WUU0TgBza6wMJpwg, in: Thesaurus Linguae Aegyptiae (Zugriff am: 12.9.2024). Und wenn im Rezept Eb 766e ein gebrochener Finger erwähnt wird, der r tꜣ exsudiert (https://thesaurus-linguae-aegyptiae.de/sentence/IBcCBrkzXCBv801RqjnwW30H0x0, in: Thesaurus Linguae Aegyptiae (Zugriff am: 12.9.2024)), ist es im Grunde nebensächlich, dass der Ausfluss konkret auf dem Boden landet. Vielmehr gibt er etwas nach außen ab.
Auch außerhalb der medizinischen und magischen Texte kann tꜣ eine metaphorische Bedeutung bekommen. Man denke bspw. an Phrasen wie ḥr tꜣ u.ä., wo „auf Erden“ im Sinne von „Diesseits“ gemeint ist, vgl. bspw. Wb 5, 213, Abschnitt III. Bedeutungstechnisch weniger konkret ist es auch im Lebensmüden, 109, wo rḏi̯ ḥr tꜣ wohl am besten im Sinne von „wegwerfen“ zu verstehen ist (so auch https://thesaurus-linguae-aegyptiae.de/sentence/IBUBd8sr4V9bo09egDNDEc6a5oY, in: Thesaurus Linguae Aegyptiae (Zugriff am: 12.9.2024). Und im Upuaut-Hymnus der Stele BM EA 983 ist die Phrase jw wꜣḥ.n=j snḏ=j r tꜣ, wörtlich: „Ich habe meine Furcht auf den Boden gelegt“, sicherlich im Sinne von „Ich habe meine Furcht überwunden“ o.ä. gemeint. Denn als Abstraktum kann die „Furcht“– anders als Gift oder eine als Giftstoff zu denkende Krankheit – ohnehin nicht realiter „auf den Boden“ gelegt werden.
Vielleicht noch allgemeiner ist diese adverbiale Verbindung in einem Brief des Nubcheperre Intef zu verstehen, in dem sich die Aufforderung findet: jmi̯ ḏi̯.tw=f ḥr tꜣ m ḥw.t-nṯr n.t jt=j Mnw, https://thesaurus-linguae-aegyptiae.de/sentence/IBUBd1QRgRFQcEHprIxWYJueCjM, in: Thesaurus Linguae Aegyptiae (Zugriff am: 12.9.2024). Welcher Vorgang genau gemeint ist, ist nicht ganz sicher. Aber im unmittelbar folgenden Satz ist vom „Niederwerfen r tꜣ: auf den Boden“ die Rede, und dort wird das Verb ptḫ verwendet. Der Vorgang rḏi̯ ḥr tꜣ meint demzufolge wohl etwas Anderes. Sethe, Erläuterungen, 166, Anm. zu 98,11 mit Verweis auf a.a.O., 152, Anm. zu 91,7 denkt an „heraussetzen“, und Hafemann übersetzt im TLA mit: „Werft ihn hinaus aus dem Tempels meines Vaters Min.“
Satzsyntaktisch auffällig sind zudem Formulierungen wie mj ḥr tꜣ m NP: „Komm auf die Erde aus [Körperteil NP]!“ (bspw. https://thesaurus-linguae-aegyptiae.de/sentence/ICIBgpJQEU1zykxps6cRS1yjS3A, in: Thesaurus Linguae Aegyptiae (Zugriff am: 12.9.2024)). Denn bei der Bewegungsrichtung „kommen“ erwartet man die Reihenfolge „kommen von … nach …“, nicht „kommen nach … von …“, vgl. etwa den Satz pri̯ mw m rʾ=f r tꜣ: „Wasser kam aus seinem Mund auf die Erde“, https://thesaurus-linguae-aegyptiae.de/sentence/IBUBd3KMWWvNGUxBtzc3XmqJi7A, in: Thesaurus Linguae Aegyptiae (Zugriff am: 12.9.2024). Dass in den fraglichen Beispielen eine besondere Emphase auf den Körperteilen liegt und sie aus diesem Grund nachgestellt sind, ist nicht erkennbar. Auch dies könnte demzufolge dafür sprechen, dass mj ḥr tꜣ mitunter eher idiomatisch benutzt wurde und ḥr tꜣ eher zur Verstärkung des mj dient, als dass es wörtlich das Herauskommen „auf den Boden“ meint. Die Satzgliedfolge ist identisch mit mj r-bnr m ḥꜥ.w nb (…) bspw. im Athener magischen Papyrus, Zeile x+6,9-10, https://thesaurus-linguae-aegyptiae.de/sentence/ICECMnDVrkL0sEWvofoHBR93SZk, in: Thesaurus Linguae Aegyptiae (Zugriff am: 13.9.2024). Ein zielsprachliches Übersetzungäquivalent wäre daher vielleicht „zutage treten“ oder „zutage kommen“.
Persistente ID:
IBkCMVYJt4K6K0vytneVlc4RPg0
Persistente URL:
https://thesaurus-linguae-aegyptiae.de/sentence/IBkCMVYJt4K6K0vytneVlc4RPg0
Bitte zitieren als:
(Vollzitation)Lutz Popko, unter Mitarbeit von Altägyptisches Wörterbuch, Florence Langermann, Daniel A. Werning, Satz ID IBkCMVYJt4K6K0vytneVlc4RPg0 <https://thesaurus-linguae-aegyptiae.de/sentence/IBkCMVYJt4K6K0vytneVlc4RPg0>, in: Thesaurus Linguae Aegyptiae, Korpus-Ausgabe 19, Web-App-Version 2.2.0, 5.11.2024, hrsg. von Tonio Sebastian Richter & Daniel A. Werning im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften und Hans-Werner Fischer-Elfert & Peter Dils im Auftrag der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig (Zugriff am: xx.xx.20xx)(Kurzzitation)
https://thesaurus-linguae-aegyptiae.de/sentence/IBkCMVYJt4K6K0vytneVlc4RPg0, in: Thesaurus Linguae Aegyptiae (Zugriff am: xx.xx.20xx)
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