pParis BN 238-3, OAD P5(Object ID URT7BTJO7VHY7FIFKTHXQVJEWA)


Persistent ID: URT7BTJO7VHY7FIFKTHXQVJEWA
Persistent URL: https://thesaurus-linguae-aegyptiae.de/object/URT7BTJO7VHY7FIFKTHXQVJEWA


Data type: Object


Object type: Schreibblatt


Materials: Papyrus

Dimensions (H×W(×D)): 44,5 × 4,3 cm


Production technique: Binse


Condition: vollständig

Comment on materiality

  • Der Text ist fast vollständig erhalten. Lediglich die erste Zeile und Teile der drei folgenden Zeilen sind verloren. Unglücklicherweise sind die Lücken so verteilt, dass sich weder der Name des orakelgebenden Gottes, noch derjenige der Orakelbesitzerin erhalten ist. Der erhaltene Papyrusstreifen ist mit seiner Länge von 44,5 cm und seiner Breite von 4,3 cm der kürzeste und schmalste der gesamten Gruppe. Er ist nur auf einer Seite beschrieben. Anders als bei den meisten anderen Texten, hat der Schreiber hier die Seite des Textes ausgewählt, auf der die Fasern horizontal verlaufen (Verso, transversa carta).
  • Es mag zunächst etwas irritieren, dass die Seite des Textes als „Verso“ bezeichnet wird, bei der die horizontalen Fasern oben liegen. Die Oracular Amuletic Decrees sind generell auf sehr schmalen und zum Teil enorm langen Papyrusstreifen notiert worden. Wie haben die Schreiber diese Streifen hergestellt? Die einfachste Methode ist die, einen schmalen Streifen von einer bereits vorbereiteten Rolle abzuschneiden. Edwards hat bei einer Untersuchung der Klebungen Hinweise auf genau dieses Vorgehen festgestellt (Edwards, HPBM 4, Bd. 1, xii). So konnte er bei einer Reihe von Texten, Klebungen in regelmäßigen Abständen feststellen, die auf eine vorgefertigte Rolle hindeuten. Allerdings erwähnt er auch, dass es Texte gibt, die unregelmäßige Abstände bei den Klebungen aufweisen bzw. aufzuweisen scheinen (ebd.). Daraus zieht er den Schluss, dass es für die Herstellung der OAD keine festgelegte Methode gab, sondern die Schreiber vielmehr das Material verwendeten, das sie gerade zur Hand hatten; seien es Abschnitte einer Rolle, oder anderweitige Streifen, bzw. eine Kombination aus beidem. Als Beispiel eines zusammengestückelten Papyrus führt er insbesondere Papyrus London BM EA 10320 (L4) an (ebd.). Dieser Papyrus beginnt mit einem Stück auf dem neun Zeilen des Textes erhalten sind, bei dem aber die horizontalen Fasern oben liegen Dieses Stück ist an den Streifen mit vertikalen Fasern angeklebt (Edwards, HPBM 4, Bd. 1, 27). Genau diesen Papyrus möchte ich allerdings als wichtigen Hinweis dafür benennen, dass die Schreiber in der Regel einen schmalen Streifen von einer vorbereiteten Rolle abgeschnitten haben. Das kurze Stück mit dem anderen Fasernverlauf ist doch zweifelsfrei ein sog. Schutzblatt bzw. „protocollon“ zu Beginn einer Papyrusrolle (vgl. Turner, The Terms Recto and Verso, 28–29), das in diesem Fall entgegen der allgemeinen Praxis ebenfalls beschriftet wurde. Die Klebung zeigt zudem deutlich an, dass es sich um das Recto der betreffenden Rolle handeln muss (An dieser Stelle möchte ich Nadine Quenouille für ihre papyrologische Expertise und Einschätzung sehr herzlich danken). Der Schreiber hat also den Streifen von einer neuen Rolle abgeschnitten und dann zur Beschriftung um 90 Grad gedreht. Es handelt sich also papyrologisch um ein „transversa carta“ (Turner, The Terms Recto and Verso, 29; Bülow-Jacobson, in: Oxford Handbook of Papyrology, 21–22), ähnlich wie es bei spätramessidischen Briefen zu beobachten ist (Edwards, HPBM 4, Bd. 1, xii [7] mit Verweis auf Černý, LRL, xvii-xx).


  • Finding place

    • Theben
      Certainty: probable
      Is the original place of use: Yes
      Comment on this place: Die genaue Herkunft des Papyrus ist nicht bekannt. Edwards (HPBM 4, Bd. 1, xiii) nimmt generell für diese Gruppe von Texten eine Herkunft aus Theben an. Diese Annahme wird zumeist durch die im Text genannten Götter oder gelegentlich auch durch die genannten Personennamen gestützt. In diesem Papyrus ist aber leider weder der Name des orakelgebenden Gottes, noch derjenige der antiken Besitzerin erhalten. Da der Ägyptologe Phillipe Virey, von dem der Papyrus angekauft wurde, im Jahr 1884 vornehmlich in Theben-West tätig war (Bierbrier, Who was who, 5. überarbeitete Auflage, 474), ist es zumindest wahrscheinlich, dass der Papyrus dort gefunden bzw. gekauft worden ist.


Current location

  • Bibliothèque Nationale, Cabinet des Médailles
    Inventory no(s).: BN 238-3
    Is at this location: Yes
    Comment on this place:
    Der Papyrus befand sich zunächst im Besitz von Phillipe Virey und wurde zu einem unbekannten Zeitpunkt zusammen mit zwei Amulett-Papyri (BN 238-1 u.2; zu 1 s. Derchain, Papyrus Salt, 175–176 [117]) angekauft (Edwards, HPBM 4, Bd. 1, 93; https://gallica.bnf.fr/ark:/12148/btv1b8304651f). Der französische Ägyptologe Virey (1853–1920) arbeitete 1884 vor allem in Theben-West für die „Mission permanente au Caire“, aus der später das „Institut français d’archaeologie orientale“ hervorging (Bierbrier, Who was who, 5. überarbeitete Auflage, 474).

Comment on dating:

  • Edwards (HPBM 4, Bd. 1, xiii–xiv) geht von einer Datierung des gesamten Korpus der Amulettpapyri mit Orakeldekreten in die 22./23. Dynastie aus. Ein einziger Text (L7: pBM EA 10730) liefert einen Hinweis auf die Datierung, denn er ist für einen Prinzen und zukünftigen General in der Armee eines Königs Osorkon geschrieben, bei dem es sich nach Edwards (HPBM 4, Bd. 1, xiv) und Ritner (The Libyan Anarchy, 74) vermutlich um Osorkon I. handeln dürfte, während Jacquet-Gordon (in: GS Sauneron I, 175, Anm. 5; Ead., in: BiOr 20, 1963, 32) und ihr folgend Verhoeven (Buchschrift, 13) von Osorkon II. ausgehen. Diese Datierung basiert auf Textparallelen im Text auf einer Statue aus Tanis (Kairo CG 1040 + CG 881 + Philadelphia E 16159: s. Jacquet-Gordon, in: JEA 46, 1960, 23), die ursprünglich für Sethos I. angefertigt und für Osorkon II. wiederverwendet und neu beschriftet wurde (Sourouzian, in: FS Gaballa, 97–105). Der Text L7 wäre also in die 22. Dynastie, oder für den Fall, dass es sich ungeachtet der Parallelen doch um einen späteren Osorkon handeln würde, spätestens in die 23. Dynastie zu datieren. Nach Koenig (in: CRIPEL 9, 1987, 31) ist aufgrund der Paläographie sowie spezifischer Schreibungen mindestens für einen Teil der Texte, den hier bearbeiteten nicht mit eingeschlossen, eine Datierung in die 21. Dynastie anzunehmen.


Description

  • Amulettpapyri wie der hier vorliegende Text wurden aufgerollt in einem kleinen Behälter, der aus Leder, Holz oder Metall gearbeitet sein konnte (vgl. Ray, in: JEA 58, 1972, 151–153; Bourriau/Ray, in: JEA 61, 1975, 257–258), um den Hals getragen und diente somit als Apotropaion (vgl. hierzu Roß, Schutz von Kindern, 40–44). Die Amulette wurden vermutlich in erster Linie für Kinder hergestellt (vgl. Roß, Schutz von Kindern, 26–36; Adderly, Personal Religion, 193; Edwards, HPBM 4, xvi), wobei es Hinweise darauf gibt, dass es sich um Säuglinge oder sehr junge Kinder gehandelt haben könnte (Roß, ebd.). Wilfong (in: JEA 99, 2013, 295–300) geht davon aus, dass die Länge des beschrifteten Papyrusstreifens mit der Größe des Kindes korreliert werden kann. Mittlerweile ist auch ein Orakeldekret für eine schwangere Frau belegt (pIFAO H40: Koenig, in: BIFAO 118, 2018, 233–239), doch ist der Text leider nur fragmentarisch erhalten, so dass keine Rückschlüsse auf die ursprüngliche Länge des Dokumentes erzielt werden können.


Owner: Privatperson


Bibliography

  • – I. E. S. Edwards. Hieratic Papyri in the British Museum. Fourth Series: Oracular Amuletic Decrees of the Late New Kingdom I. Text. London 1960, 93–94. [*Ü, *K]
  • – I. E. S. Edwards. Hieratic Papyri in the British Museum. Fourth Series: Oracular Amuletic Decrees of the Late New Kingdom II. Plates. London 1960, pl. XXXVI. [*T, *P]
  • – Ch. Ragazzoli. Les papyrus égyptiens de la Bibliothèque nationale de France: redécourverte d’une collection majeure. In: BSFE 182, 2012, 19. [Erwähnung]
  • – T. G. Wilfong. The Oracular Amuletic Decrees: A Question of Length. In: JEA 99, 2013, 295–300.
  • – A. Grams. Der Gefahrenkatalog in den Oracular Amuletic Decrees. In: SAK 46, 2017, 55–100. [K]
  • – A. Roß. Der Schutz von Kindern im alten Ägypten. Die religiösen und soziokulturellen Aspekte der Oracular Amuletic Decrees. GM Beihefte 17, Göttingen 2019. [K]


File protocol

  • Ersteingabe: Anke Blöbaum, 27. Juli 2022


Author(s): Anke Blöbaum; with contributions by: Lutz Popko
Data file created: 07/27/2022, latest revision: 10/12/2023
Editorial state: Verified

Please cite as:

(Full citation)
Anke Blöbaum, with contributions by Lutz Popko, "pParis BN 238-3" (Object ID URT7BTJO7VHY7FIFKTHXQVJEWA) <https://thesaurus-linguae-aegyptiae.de/object/URT7BTJO7VHY7FIFKTHXQVJEWA>, in: Thesaurus Linguae Aegyptiae, Corpus issue 18, Web app version 2.1.5, 7/26/2023, ed. by Tonio Sebastian Richter & Daniel A. Werning on behalf of the Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften and Hans-Werner Fischer-Elfert & Peter Dils on behalf of the Sächsische Akademie der Wissenschaften zu Leipzig (accessed: xx.xx.20xx)
(Short citation)
https://thesaurus-linguae-aegyptiae.de/object/URT7BTJO7VHY7FIFKTHXQVJEWA, in: Thesaurus Linguae Aegyptiae (accessed: xx.xx.20xx)