ḫꜣs.yt(Lemma-ID 114330)
Hieroglyphische Schreibung: 𓆼𓄿𓋴𓇋𓇋𓏏𓆰𓏥
Persistente ID:
114330
Persistente URL:
https://thesaurus-linguae-aegyptiae.de/lemma/114330
Lemma-Liste: Hieroglyphisch/Hieratisch
Wortklasse: Substantiv (fem.)
Übersetzung
Bezeugung im TLA-Textkorpus
51
Belegzeitraum im TLA-Textkorpus:
von
1939 v.Chr.
bis
301 v.Chr.
Schreibungen im TLA-Textkorpus:
Bibliographie
-
Wb 3, 234.3-5
-
FCD 185
-
FCD 193
-
DrogWb 391 f.
-
Germer, Arzneimittelpflanzen, 288
- Germer, Handbuch, 98 ff.
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(Vollzitation)"ḫꜣs.yt" (Lemma-ID 114330) <https://thesaurus-linguae-aegyptiae.de/lemma/114330>, ediert von Altägyptisches Wörterbuch, unter Mitarbeit von Simon D. Schweitzer, Annik Wüthrich, Amr El Hawary, in: Thesaurus Linguae Aegyptiae, Korpus-Ausgabe 19, Web-App-Version 2.2.0, 5.11.2024, hrsg. von Tonio Sebastian Richter & Daniel A. Werning im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften und Hans-Werner Fischer-Elfert & Peter Dils im Auftrag der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig (Zugriff am: xx.xx.20xx)(Kurzzitation)
https://thesaurus-linguae-aegyptiae.de/lemma/114330, in: Thesaurus Linguae Aegyptiae (Zugriff am: xx.xx.20xx)
ḫꜣs.yt: Dawson, in: JEA 20, 1934, 45 vermutet aufgrund der Verwendungsweise und der Erwähnung von Ranken die Zaunrübe (Bryonia). Diese Identifizierung wird von Germer, Arzneimittelpflanzen, 291-292 abgelehnt, weil die genannten Anwendungsgebiete von ḫꜣs.yt zu allgemein sind, um es mit Bryonia zu vergleichen bzw. sich gerade die zu erwartenden Bestandteile bzw. Wirkungen von Bryonia kaum bis gar nicht in den Verwendungsbereichen von ḫꜣs.yt widerspiegeln. Dementsprechend lässt auch Westendorf, Handbuch Medizin, 550 die Übersetzung offen. Bardinet, Papyrus médicaux, 253 bleibt bei „bryone“, versieht es aber mit einem Fragezeichen.
L. Popko, 06. November 2019.
ḫsꜣy.t: Essbare, rankenbildende Pflanze, für die der Verstorbene seinen Mund in einem Opferritual einer Totenliturgie des Neuen Reiches öffnet. Unmittelbar zuvor wird die zꜣr.t-Pflanze genannt, die in einem ḥzp-Garten/Beet wächst. Der Name der Pflanze wird ḫzꜣy.t (Papyrus BM EA 10819, unpubliziert; oBM EA 5639, Z. 2 als ⸢ḫ⸣[z]ꜣy[.t] erhalten) und ḫz.t (TT 93, Grab des Qenamun, Zeit Amenhotep II.: N. de Garis Davies, Tomb of Ḳen-Amūn at Thebes (PMMA. Egyptian Expedition), New York 1930, I, 55-56 und Taf. 55,B; unzuverlässige Textsynopse bei Hari, 48) geschrieben. Die Kombination der ḫzꜣy.t-Pflanze und der zꜣr.t-Pflanze findet sich auf einer Statue des Sennefer (Zeit Hatschepsut/Thutmosis III.), im Anschluss an einen Kranz von ḥḏw-Zwiebeln/Knoblauch beim Sokarfest (Urk. IV, 548.2).
Während Wb. 3, 332.13-14 s.v. ḫzꜣy.t nur auf ḫꜣsy.t verweist, das in den medizinischen Papyri mit ḫzꜣy.t und ẖsꜣ.yt verwechselt und auch ḫsy.t geschrieben wird, nimmt man heute an, dass auch die ḫnzꜣy.t/ḫnsy.t-Pflanze ein weiterer Name für jeweils dieselbe Pflanze ist. Die Identifikation der ḫzꜣy.t/ḫꜣsy.t/ḫnzꜣy.t-Pflanze wird dadurch erschwert, dass es auch die Balsam- oder Harzbezeichung ẖsꜣy.t gibt. Einmal wird die Balsam- oder Harzbezeichung ẖsꜣy.t auch ḫꜣsy.t geschrieben (Rezept pEbers Eb 655 = pHearst H 124). Alliot, in: RdE 5, 1946, 66 Anm. 5 trennt nicht zwischen der Pflanze und der Balsam- oder Harzbezeichnung: „Les divers déterminatifs M2, D3, N33 montrent qu’il s’agit d’une plante fraîche ou séchée (apportée de loin en Égypte), ou d’un produit végétal en grains, tiré de cette plante (gomme, résine, extrait gras?), conservé aussi dans des vases à fards (ẖzꜣy.t n.t mḏꜣw), venant du pays Mḏꜣ.“ Zumindest die Balsam- oder Harzbezeichung ẖsꜣy.t ist jedoch etwas anderes, denn ẖsꜣy.t und ḫꜣsy.t kommen gemeinsam in Rezept Eb 614 vor (DrogWb 391-393 s.v. ḫꜣsj.t und 417-418 s.v. ẖsꜣj.t).
Der wichtigste Identifikationsvorschlag stammt von Dawson, in: JEA 20, 1934, 45 (Nr. 12). Er erkennt in ḫꜣsy.t und ḫzꜣy.t dieselbe Pflanze. Die Verwendung des „Schwanzes“ (sd) der Pflanze in medizinischen Texten lässt Dawson vermuten, dass diese Pflanze lange, dünner werdende Ranken („long tapering tendrils“; franz. „vrilles“) hat. Dieses Merkmal in Kombination mit den innerlichen und äußerlichen Anwendungen als Arzneimittel führen Dawson zum Identifikationsvorschlag als „bryony (Bryonia dioica, Jacq.)“, d.h. die „Rotfrüchtige Zaunrübe“ oder „Rote Zaunrübe“ (eng. auch „red bryony“ und „white bryony“). Faulkner, CDME, 197 übernimmt von Dawson, dass ḫzꜣy.t eine Variante von ḫꜣsy.t ist und „bryony (?)“ (d.h. „Zaunrübe“) sein könnte. Caminos, Literary Fragments, 16 sieht in Wb. 3, 234.3-5 (ḫꜣśj.t), 300.10 (ḫnśꜣj.t), 332.13-14 (ḫsꜣj.t) und 400.3-6 (ẖśꜣj.t) jeweils dieselbe Pflanze, die außerdem noch ḫnsyt geschrieben wird (Pleasures of Fishing and Fowling C 1.2), und übernimmt die Deutung von Dawson mit Fragezeichen (s. Caminos, 66: „bryony (?)“). Lefebvre, Essai sur la médecine, 1956, 130 versteht ḫꜣsy.t nach Dawson als „bryone (un genre de cucurbitacées vivaces, à tige rampante)“ (ebenso Lefebvre, Sur quelques mots égyptiens, in: Firchow, Ägyptologische Studien, VIO 29, Berlin 1955, 211). DrogWb 392-393 und Charpentier, Recueil, 506-507 § 813 übernehmen ebenfalls „Bryone: Bryonia dioica Jacq.“. Ebenso Manniche, Ancient Egyptian Herbal, 1993, 81-82.
Der Identifikationsvorschlag „rote Zaunrübe“ wird vor allem von Germer abgelehnt, weil die medizinischen Eigenschaften der Pflanze nicht in den Rezepten erkennbar sind und weil Bryonia dioica nicht in Ägypten wächst. Germer, Untersuchungen über Arzneimittelpflanzen, 1979, 288-292 akzeptiert die Interpretation von sd durch Dawson als den Pflanzenteil „Schwänzchen, Ranken“, aber sie kann in den Anwendungen der verschiedenen Zutaten keinen medizinischen Schwerpunkt erkennen, der mit der Verwendung von Bryonia dioica übereinstimmt. Deshalb lehnt sie diese Identifikation ab und hält die Pflanze für unbestimmt. ẖzꜣy.t ist für Germer, Untersuchungen über Arzneimittelpflanzen, 1979, 180-181 „ein salbiges Produkt eines Baumes, wohl ein Harzprodukt“. Laut Germer, Handbuch der altägyptischen Heilpflanzen, 98-100 ist ḫꜣsy.t/ḫnsy.t eine nicht identifizierte, Ranken bildende Pflanze (sie lehnt die Interpretation von Dawson wie schon in ihrer Untersuchung über Arzneimittelpflanzen ab und fügt als wichtiges Argument hinzu, dass Bryonia dioica bislang in der ägyptischen Flora nicht nachgewiesen sei), während ẖzꜣyt (S. 105-106) irgendein Harzprodukt oder eine harzliefernde Baumart sei. Westendorf, Handbuch, 503 hält die ḫꜣsj.t-Pflanze mit Verweis auf Germer für unidentifiziert. Hannig, HWB, 628 listet s.v. ḫꜣsyt ebenfalls ḫnsꜣyt, ḫnsyt und ḫsꜣyt, was er als „e. Pflanze (*Rote Zaunrübe, Bryonia dioica, e. Kletterpflanze)“ deutet (* = unsicher), wobei er darauf hinweist, dass die medizinische Zutat kfꜣ.w n.w ḫꜣsy.t als „*Fruchtkapseln der Chasyt-Pflanze“ entweder in Bezug auf die Bezeichung kfꜣ.w als „Fruchtkapseln“ oder in Bezug auf ḫꜣsyt als „Rote Zaunrübe“ falsch sein müsse, weil die rote Zaunrübe keine Fruchtkapseln habe.
Koemoth, in: SAK 24, 1997, 149 hält die im Opferritual einer Totenliturgie des Neuen Reiches genannten Pflanzen zꜣr.t, ḫzꜣy.t, šzp.t und šmšm.t für wahrscheinlich saisonales Gemüse, das auf Böden, die gerade von der sich zurückziehenden Überschwemmung freigegeben worden waren, kultiviert wurde.
Veraltet ist der Ansatz von Brugsch, Hierogl.-demot. Wb. 3, 1868, 1107 s.v. ḫnsꜣy.t, dass dieses Wort kopt. ϣⲉⲛⲟⲥⲓ „Tamarix“ entspricht (das bohairische ϣⲉⲛⲟⲥⲓ ist als (ⲡⲓ)ϣⲉ ⲛ ⲟⲥⲓ „das Holz der Tamariske“ zu analysieren: Crum, CD, 257a). Ebenso ist Brugsch, Hierogl.-demot. Wb. 6, 895-896 veraltet, der ḫꜣsy.t mit ḫsꜣy.t, ẖsy und ẖsꜣy.t verbindet und alle von ẖsi̯ „matt, müde werden“ ableitet, weshalb es sich seiner Meinung nach um „eine beruhigende, schlafbringende Pflanze und deren Bestandteile, die Mohnpflanze, das Opium“ handeln soll.
P. Dils, April 2022
Autor:in des Kommentars: Strukturen und Transformationen