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ꜥš jri̯.n NP: Die Konstruktion ist unsicher. Sie erinnert einerseits an die mittelägyptische Konstruktion sḏm pw jri̯.n=f, die aber vorrangig bei Verben der Bewegung vorkommt, sowie andererseits an die neuägyptische Konstruktion pꜣ sḏm jri̯(.n)=f, bei der aber normalerweise der Artikel pꜣ vor dem Infinitv steht und die für sich allein keinen Satz bildet, sondern nur eine Nominalphrase ist. Hier kann der Artikel gelegentlich fehlen – laut CGG, 481-482 (mit dem Bsp. Wenamun [pMoskau 120] 1,1) und 491 in solchen Fällen, wenn die Konstruktion sich auf einen konkreten Zeitpunkt bezieht: (Datum) hrw n wḏi̯ j:jri̯ ... Wn-Jmn: „(Datum,) der Tag des Abreisens, das ... Wenamun machte“ (auch zititert von Neveu, Langue de Ramsès, 47, laut dessen Anm. 4 diese Konstruktion der neuägyptische Nachfolger des mittelägyptischen sḏm pw jri̯.n=f ist).
Weitere Beispiele für diese Erweiterung einer Datumsangabe sind:
- oCairo 25530, 1-3 (KRI V, 542.10-11): (Datum) hrw pn n zni̯ jri̯.n tꜣ jz.t: „(Datum,) dieser Tag des Vorbeigehens/Passierens, das die Arbeitertruppe machte“;
- Graffito KRI III, 148.4: (Datum) jyi̯ jri̯.n zẖꜣ.w pr-ḥḏ NN: „(Datum,) das Kommen, das der Schatzhausschreiber NN machte“;
- pSallier IV, Verso 13a,7: (Datum) pꜣ hrw n šmi̯ j:jri̯=f: „(Datum,) der Tag des Gehens, das er machte“;
- pAnastasi III = pBM EA 10246, Verso 6,4: (Datum) spr jri̯.n nꜣ ḥr.(j)w-pḏ.t: „(Datum,) das Ankommen, das die Truppenobersten machten“;
- pBerlin 9784, Zeile 2: (Datum) hrw (n) spr jri̯.n Nb-mḥy: „(Datum,) Tag des Ankommens, das Neb-mehy machte“ (weiter unten im Text finden sich weitere Beispiele, s. die Übersetzung im TLA).
Außerhalb von Datumsformeln, aber ebenfalls zur Determinierung von Zeitangaben, findet sich diese Konstruktion etwa in:
- Wenamun 1,3: hrw n spr j:jri̯=j r Ḏꜥn.t: „Tag des Ankommens in Tanis, das ich machte“;
- Verwunschener Prinz (pHarris 500 Verso) 7,9: [pꜣ hr]w n [jyi̯.t jri̯].n [pꜣ ẖrd]: „[der Ta]g des [Kommens, das der Prinz macht]e”;
- oBerlin III 39: hrw pn n jyi̯.t jri̯.n NN: „der Tag des Kommens, das NN machte” (s. ENG, § 415);
- Im Prinzip gehört auch die Stelle aus der Amarna-Grenzstele S hierher: m zp dp.j n gmi̯.ṱ=s jri̯.n ḥm=f: „beim ersten Mal des Ihn-Findens, was Seine Majestät machte“ (ENG, § 419, Anm.).
Contra CGC findet sich die Konstruktion aber nicht nur bei Zeitangaben, sondern auch bei Ortsangaben, vgl.:
- Horus und Seth (pChester Beatty I, Recto) 8,13: tꜣ s.t (n) hrp j:jri̯ Ḥr.w ḥnꜥ Stẖ: „die Stelle des Untertauchens, was Horus und Seth machten”;
- pAnastasi V = pBM EA 10244, 13,2-3: tꜣ s.t n wꜣḥ j:jri̯{.t} pꜣy=k šrj pꜣ kꜣ: „die Stelle des Lassens des Rindes, was dein Bruder tat“.
Die Konstruktion ist auch noch im Demotischen im Gebrauch, auch hier in Zeit- und Ortsangaben, s. Blackman, in: JEA 19, 1933, 201 mit Verweis auf Spiegelberg, Demot. Gramm., § 552.
Außerhalb von Zeit- und Ortsangaben steht die Konstruktion vielleicht in:
- pBN 198.II, Verso 8 (LRL, 68.11): m-ḏr kfi̯=k wjꜣwjꜣ n wꜣḥ mdw j:jri̯ Jw=f-n-Jmn pꜣyk=k sn ꜥꜣ: „(...) wenn du die Hilflosigkeit/Schwäche des Schuld Zuweisens, was dein älterer Bruder Iuf-Amun tat, enthüllst“. Diese Stelle ist aber aus zwei Gründen diskutabel: Zum ersten vermutet Frandsen, Outline, 111, Ex. 10 in n wꜣḥ keinen Infinitiv nach der Genitiv-Nisbe, sondern einen Infinitiv nach der Präposition n; und zum anderen ergänzt er vor wꜣḥ dem Artikel pꜣ und versteht die Stelle daher als reguläre neuägyptische Konstruktion mit determiniertem Infinitiv.
- Als weiteren Beleg außerhalb von Zeit- und Ortsangaben führt Blackman, a.a.O. noch die Stelle pd’Orbiney 6,8 an, die aber zu streichen ist, weil dort dem Infinitiv, auf den sich das jri̯ bezieht, der Artikel pꜣ vorangeht: Anubis schlägt sich selbst auf die Hand n pꜣ tm.t ẖdb=f j:jri̯=f: „wegen des Versäumens, ihn (d.h. seinen Bruder Bata) zu töten, was er tat”. Hier wird die Relativform j:jri̯=f das pꜣ tm.t erweitern und nicht ẖdb=f.
Zusammenfassend bleibt daher festzuhalten, dass diese Konstruktion auf Zeit- und Ortsangaben beschränkt zu sein scheint und außerdem i.d.R. in Genitivkonstruktionen vorkommt, in denen der Infinitiv das Nomen rectum bildet. Vor diesem Hintergrund wird sie contra Neveu kaum der Nachfolger des mittelägyptischen sḏm pw jri̯.n=f sein. Ähnlich vermutet auch Westendorf, Grammatik, 216, § 291.3 mit Anm. 1 in der Konstruktion mit determiniertem Infinitiv pꜣ sḏm jri̯(.n)=f einen Nachfolger des mittelägyptischen sḏm pw jri̯.n=f, in dem er (in: ZÄS 84, 1959, 153-154, Sethe folgend) keinen dreigliedrigen pw-Satz „Hören war es, was er tat“, sondern einen zweigliedrigen pw-Satz „Das Hören, das er machte, war es“ sieht. (NB: Bei den von ihm anschließend postulierten emphatischen Sätzen des Musters #NP pw AP#, unter Verweis auf Erman, ÄG, § 478a, handelt es sich eher um pw-Sätze mit substantivischer Einbettung der Pseudoverbalen Konstruktion; siehe, mit denselben Beispielen wie Erman, Schenkel, Einführung 2012, 324.)
Statt eines Nachfolgers des mittelägyptischen sḏm pw jri̯.n=f wird es wohl eher ein Überrest oder Nachfolger des alt- und mittelägyptischen Gebrauchs des Infinitivs als Nomen rectum eines indirekten Genitivs NP n(.j) sḏm (EAG, § 705, GEG, § 305) sein, obwohl dieser üblicherweise gerade dann Anwendung findet, wenn das semantische Subjekt nicht ausgedrückt wird. (NB: Soll das semantische Subjekt mit ausgedrück werden, wird der indirekte Genitiv NP n sḏm(.n)=f oder der direkte Genitiv NP sḏm(.n)=f gebraucht, auch dies häufig bei Zeit- und Ortsangaben, GEG, §§ 191-192.) Diese im Grunde mittelägyptische Konstruktion wird wohl auch unten in Verso 3,5 vorliegen: grḥ n psḥ=f: „(...) (in der) Nacht des Ihn-Beißens > (in der) Nacht, da er gebissen wurde“.
Der einzige sonstige Beleg dieser Konstruktion außerhalb eines Genitivs dürfte sein:
- Horus und Seth (pChester Beatty I, Recto), 14,5: ḏd jri̯.n Ḏḥw.tj n Nb-r-Ḏr (...): „Sagen (war es), was Thot zum Allherrn machte: (...)”.
Vermutlich aufgrund dieser Sonderstellung wird die Passage oft anders aufgefasst: explizit etwa Broze, Les aventures d’Horus et Seth, 108 und 184, die hier explizit ḏd.jn liest, d.h. zu ḏd.{jri̯}〈j〉n emendiert. Das ꜥš jri̯.n NN des pTurin CGT 54051, auch wenn es in einem tlw. unklaren und zerstörten Kotext steht, könnte aber nun bestätigen, dass eine solche Konstruktion als Redeeinleitung vorkommen kann und in Horus und Seth keine Emendation nötig ist. Jedenfalls kommt in pTurin CGT 54051 sonst kein sḏm.jn=f vor, was eine vergleichbare Emendation zu ꜥš.{jri̯}〈j〉n ausschließt.
Eine andere Konstruktion erwähnt Erman, ÄG, § 360: „Verbindung eines Partizips mit nachgesetztem [jri̯=f]“, die er als „unerklärlich“ bezeichnet (gefolgt von EAG, § 258). Erman führt hierfür drei Beispiele an:
(1) wḏḏ jri̯=f kꜣ.w=tn: „er befiehlt (d.h. lässt geben) eure Nahrung“ aus den Hymnen auf Sesostris III. (pUC London 32157 Recto = pKahun LV.1), Zeile 3,12 (alt = Zeile 5,3 nach der Zählung von Grapow, in: MIO 1, 1953, 189-209);
(2) jmn.w jri̯=k: „du bist verborgen“ in der Stele Vatikan 127a (= DZA 50.005.540);
(3) „alles lebt, wenn sie sehen wḏ jri̯.y n=k tꜣ: dass das Land (der Chatti) dir übergeben ist“ aus den Blessings of Ptah, LD III 199.24-25 (= KRI II, 274.1-9).
(4) In § 186 listet Erman weitere Beispiele auf (mit Querverweis zu § 360, d.h. syntaktisch ebenso interpretiert), die den Rang eines eigenen (Komposit-)Substantivs bekommen haben, nämlich der sḫm-jri̯=f: „Machthaber” (Wb 4, 250.1-4), der ꜥwꜣ-jrr=f: „Räuber(?)” (Wb 1, 171.5) und der bnr-jri̯.y: „Angenehme” (Urk. IV 1183.2).
In ENG, § 562 ergänzt er diese Konstruktion ferner um zwei weitere Beispiele aus pAnastasi II:
(5) gmi̯ jri̯.y=j: „ich habe gefunden“ (pAnastasi II, 8,7);
(6) šmi̯.yt jri̯=f (pAnastasi II, 11,2).
Keines dieser Beispiele ist jedoch zweifelsfrei, weshalb diese Konstruktion als Alternativerklärung für pTurin CGT 54051 ausscheidet:
Nr. (1) steht am Beginn einer neuen Zeile, und das Ende der vorherigen ist zerstört. Daher sind andere Interpretationen der Stelle nicht ausgeschlossen, s. den Kommentar zur Stelle im TLA.
Nr. (2), jmn.w jri̯=k, könnte auch heißen: „verborgen ist, was du geschaffen hast“, vgl. die fast identische Phrase jmn.wj jri̯〈=k〉 nb: „Wie verborgen ist all das, was 〈du〉 geschaffen hast“ in TT 41 (Assmann, Sonnenhymnen, 76-77, Zeile 7 [Originaltext] = 31 [Übersetzung], ÄHG, Nr. 96, Zeile 33).
Nr. (3) ist unvollständig zitiert, denn dort steht in allen erhaltenen Kopien des Textes der Artikel pꜣ vor wḏ, es handelt sich also um die normale neuägyptische Konstruktion pꜣ sḏm jri̯(.n)=f.
Für die Substantive von Nr. (4) gibt es auch alternative Deutungen. So vermutet Borghouts, in: LingAeg 4, 1994, 25-29 darin substantivierte Wechselsätze, bei denen das Subjekt des ersten Verbs ausgefallen ist, weil es mit dem des zweite identisch ist (Ermans Bsp. ꜥwꜣ-jrr=f ist Borghouts’ Bsp. 42). Es handelt sich also laut ihm um das Satzmuster sḏm(=f) jrr=f, was er darin begründet sieht, dass es auch Parallelbildungen gibt, die das Suffix am ersten Verb zeigen, gerade auch in Form eines sḫm=f jri̯=f. Nach dieser Erklärung wäre diese Bildung ein elliptisches Äquivalent zu dem Satznamen mrr=f-jrr=f „Will-er-so-tut-er“ für den obersten Gott (GEG, § 442.4).
Nr. (5) wird heute anders verstanden, nämlich mit gmi̯ als Passiv mit einem anschließenden substantivierten Satz jri̯.y Jmn ḫpr.w=f m ṯꜣ.tj ... als Subjekt: „Es wurde festgestellt, dass Amun seine Gestalt in die eines Wesirs geändert hat“, s. den Kommentar zur Stelle im TLA.
Bsp. (6) ist zu streichen, denn in 11,2 folgt dem šmi̯.yt kein jri̯=f. -
Die Zeichen nach wꜥ sind nicht eindeutig zu lesen:
Gardiner, DZA 50.143.740 gibt unmittelbar nach der Gruppe aus Harpune, Arm und Strich ein halbes zerstörtes Quadrat, dann einen sitzenden Mann, dann wieder eine Zerstörung und dann ein tlw. in einer Zerstörung liegendes r an, das er aber mit Fragezeichen versieht. Daneben schrieb er: „so dachte ich lesen zu können: man erwartet swtḫ [analog zum Zeilenanfang, den er noch nicht ergänzen konnte und wo er aufgrund der Bezeichnung als „Bruder des Horus“ in der vorigen Zeile an Seth dachte, L.P.] oder wꜥ n kjj [imsn]“. Das Letztere bildet dann auch die Grundlage seiner Hilfsübersetzung: „Da rief der einer [sic] zum anderen: (...)“.
Černý, Notebook, MSS 17.153 transliteriert die fraglichen Zeichen als sn: „Bruder“ sowie Schilfblatt und r. Alles setzt er in Schraffur.
Dasselbe liest auch Roccati, Magica Taurinensia, setzt aber nur noch das Schilfblatt (auf S. 75) bzw. nur noch das r (auf S. 150) in Schraffur; auf S. 150 setzt er zudem vor sn und vor jr jeweils ein Fragezeichen. Auf S. 168 übersetzt er das sn mit, wohingegen er das jr anscheinend tilgt: „Un fratello chiame (l’altro): (...)“. Das Zeichen unmittelbar nach wꜥ sieht allerdings dem sn in der Zeile darüber nicht sehr ähnlich.
Borghouts, Mag. Texts, 74 übersetzt: „Then the one called, saying: (...)“. Hat er das letzte Zeichen des Satzes vielleicht als Rest eines ḏd anstelle von Gardiners und Roccatis r gelesen? Könnte man dies zusammen mit dem senkrechten Strich davor (Roccatis Schilfblatt) vielleicht als sehr flüchtiges m-ḏd lesen? Zudem bildet möglicherweise das, was Roccati als sn las, zusammen mit dem wꜥ eigentlich das Wort wꜥ.tj: „einziger, einzigartiger“. Das könnte auch die Basis für Borghouts’ „the one“ gewesen sein.
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Bitte zitieren als:
(Vollzitation)Lutz Popko, unter Mitarbeit von Altägyptisches Wörterbuch, Florence Langermann, Daniel A. Werning, Token ID IBkCSADW6aQX9UPYiWm4wt904IE <https://thesaurus-linguae-aegyptiae.de/sentence/token/IBkCSADW6aQX9UPYiWm4wt904IE>, in: Thesaurus Linguae Aegyptiae, Korpus-Ausgabe 19, Web-App-Version 2.2.0, 5.11.2024, hrsg. von Tonio Sebastian Richter & Daniel A. Werning im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften und Hans-Werner Fischer-Elfert & Peter Dils im Auftrag der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig (Zugriff am: xx.xx.20xx)(Kurzzitation)
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