ḥzꜣ(Lemma ID 109510)

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Hieroglyphic spelling: 𓎛𓊃𓅭𓄿𓈗


Persistent ID: 109510
Persistent URL: https://thesaurus-linguae-aegyptiae.de/lemma/109510


Lemma list: Hieroglyphic/hieratic

Word class: common noun (masc.)


Translation

de Schleim; Teig (o. Ä.)
en dough; paste; mucus (med.)

Attestation in the TLA text corpus


Attestation time frame in the TLA text corpus: from 2494 BCE to 324 CE


Bibliography

  • Wb 3, 160.6-16
  • FCD 177
  • Van der Molen, Dictionary of Coffin Texts, 355 f.
  • Wilson, Ptol. Lexikon, 675
  • MedWb 632 f.
  • DrogWb 364 ff.
  • Westendorf, Handbuch Medizin, 515, Anm. 57


External references

Legacy TLA 109510
Digitalisiertes Zettelarchiv 109510

Comments

ḥzꜣ ist ein künstliches Produkt. Darauf verweist etwa eine Darstellung im Grab des Djehutihotep in Deir el-Bescheh aus dem Mittleren Reich, worin im Zusammenhang mit der Brotherstellung eine Frau abgebildet ist, der jri̯.t ḥzꜣ: „ḥzꜣ machen” beigeschrieben ist, s. Newberry, El Bersheh I, Taf. 25 [https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/newberry1895bd1/0076/image]. In Darstellungen des Alten Reiches bildet ḥzꜣ neben dwḏw-Mehl (https://thesaurus-linguae-aegyptiae.de/lemma/450193, in: Thesaurus Linguae Aegyptiae (Zugriff am: 6.11.2023)) die Hauptkomponente für den Teig des Kegelbrotes. Faltings, Keramik der Lebensmittelproduktion im Alten Reich, 43, Anm. 153 und v.a. 112-115 (mit älterer Literatur) diskutiert die Optionen Sauerteig, Hefe und Backferment (bspw. aus Mehl von Leguminosen oder Getreide) und kommt, auch unter Berücksichtigung der Belege der medizinischen Texte, zu der wahrscheinlichsten Option „Hefe(schleim)“ (S. 115), wobei sie in ihren Belegdokumenten die Übersetzung „Hefemasse“ wählt. Die „schleimige“, jedenfalls Flüssigkeit enthaltene Konsistenz ergibt sich ihrer Untersuchung zufolge aus der Tatsache, dass in der Darstellung im Grab des Chentika vor dem „Austrocknen“ (šwi̯) gewarnt wird (zur Diskussion der Stelle s. 43, Anm. 153; die Viskosität der Masse zeigt sich auch an der Klassifizierung als Flüssigkeit in den Sargtexten und vielen der medizinischen Belege). Konkret die Wortwahl „Schleim“ ist durch die Übersetzungen des Grundrisses der Medizin beeinflusst. Auch Rickert, in: Arnette, Religion et alimentation en Égypte et Orient anciens, spez. 238 denkt an eine hefehaltige viskose Masse, als französische Übersetzung schlägt sie „gruau“, „bouillie (de gruau)“ bzw., um der Hefe Rechnung zu tragen, „bouillie levurée“ vor. Eine zweimalige Verbindung von ḥzꜣ mit der Kuhgöttin Hesat in den Sargtexten erklärt sie (239-240) mit der „fonction nourricière commune“ von ḥzꜣ und Milch, dem flüssigen Charakter beider Substanzen und schließt zudem weitere Tertia comparationis, wie möglicherweise eine helle Farbe von ersterem, nicht aus. Für die gelegentlich vorgebrachte ältere Vermutung, dass ḥzꜣ neben der Hefe auch einen Teig bezeichnen könnte, sieht sie keine Belege (s. S. 258 mit Literatur).

Konkret in medizinischen Texten wird ḥzꜣ, wenn als Droge verwendet, meist mit „Pflanzenschleim“ (so DrogWb, 368 oder Westendorf, Handbuch Medizin, passim), „mucilage“ (Bardinet, Papyrus médicaux, passim) u.ä. übersetzt – möglicherweise unter dem Eindruck zwei Stellen im Veterinärmedizinischen Papyrus, wo ḥzꜣ als Ausscheidung eines kranken Tieres genannt wird. Diese Übersetzung ist aber unter Umständen fehlleitend, weil „Pflanzenschleim“ auch zähflüssige Pflanzenbestandteile oder -absonderungen bezeichnen kann, wohingegen auch die Droge ḥzꜣ ein künstliches Produkt ist:
– Im Rezept Eb 199b soll eine Mischung aus mjmj-Getreide und Dattelkernen gemischt und dann „m ḥzꜣ ṯꜣ.y ausgepresst“ werden. Wenn man die Präposition m als „(werde gemacht) zu“ versteht (so Westendorf, a.a.O., 582; diese Verwendung der Präposition kommt in den medizinischen Texten sehr oft vor, v.a. in der Formel jri̯ m: „Werde verarbeitet zu“), dann kann man daraus schließen, dass zumindest „männliches“ ḥzꜣ ein künstliches Produkt ist. (NB: Die Geschlechtsdifferenzierung auch von – nach modernen Definitionen – unbelebten Rohstoffen, wie Mineralien u.ä., bedürfte noch weiterer Untersuchung. In den medizinischen Texten kommt sie in unterschiedlicher syntaktischer Ausprägung vor; die Beifügung eines attributiven ṯꜣ.y: „männlich“ ist nur eine von mehreren Möglichkeiten. Vgl. einstweilen die kurzen Bemerkungen von DrogWb, 290 und Westendorf, a.a.O. 515, Anm. 57. In Eb 592 wird „Mehl/Pulver“ von „männlichem“ ḥzꜣ verwendet, so dass es unter bestimmten Umständen ganz oder zum Teil fest sein muss.)
– In Eb 696 wird ḥzꜣ n jt: „Gersten-ḥzꜣ“ genannt, was dann vielleicht, Eb 199b vergleichbar, einen ähnlich produzierten Brei aus Gerste meint. In diesem Rezept Eb 696 soll das ḥzꜣ geknetet und vergoren (ꜥwꜣ) werden – es liegt auf der Hand, dass die mehrfach genannte Droge ḥzꜣ (n) ꜥwꜣ.yt das Produkt dieses Prozesses ist (so auch DrogWb, 368).
– Was mit dem „ḥzꜣ des pzn-Brotes“ und dem „ḥzꜣ des šꜥ.yt-Kuchens“ gemeint ist, ist unsicher. DrogWb 367 führt diese beiden Drogenbezeichnungen jedenfalls zusammen mit dem „Gersten-ḥzꜣ“ unter der Rubrik E: „ḥzꜣ mit Angabe des Stoffes[,] aus dem es hergestellt wird“ an.
– Weiterhin gibt es noch das ḥzꜣ (n) šbb: „ḥzꜣ der Maische“, das DrogWb, a.a.O. eher mit dem ḥzꜣ n ꜥwꜣ.yt vergleicht, in der „Maische“ also eher einen Genitivus attributivus sieht (vgl. die Nennung beider Drogen in der gleichen Rubrik in MedWb 1, 440, s.v. nj, Gebrauch I.I). Im Buch von der Himmelskuh, Version Sethos’ I., Kol. 18 wird zerquetschte Gerste (scil.: und Wasser?) als šbb.t: „Maische“ bezeichnet; demzufolge wäre das „ḥzꜣ der Maische“ im Grunde dasselbe wie das „Gersten-ḥzꜣ“ von Eb 696. Dennoch deutet die verschiedene Benennung darauf hin, dass zwischen beiden ein Unterschied gewesen sein muss. Ob der allerdings in verschiedenen Ausgangsprodukten oder Herstellungsprozessen liegt oder nur ein Hinweis auf verschiedene Quellen mit unterschiedlicher Terminologie hinweist, ist unklar.
– Im pLouvre E 32847, vso. 23,5-7 findet sich ein „Spruch für den ḥzꜣ-Brei“, s. Bardinet, Papyrus médical Louvre E 32847, 243-244, 272-282 (mit Abb. 6 auf S. 282) sowie 396-397. Darin wird der Brei als „⸢Sohn⸣ der ḫm.y-Insekts“ bezeichnet (von Bardinet mit Trabutina mannipara Hemprich et Ehrenberg und/oder Najacoccus serpentinus var. minor Green identifiziert). Ferner wird „seine Mutter“ als „Zwiebel/Knoblauch (ḥḏ.w)“ erwähnt (nach der Abb., von Bardinet nicht gelesen). Und es wird gesagt, dass „dessen Name ‚Tamariske‘ von Ḥꜣꜥ ist“. Die Bezeichnung Ḥꜣꜥ wird von Bardinet vorschlagsweise mit dem Sinai identifiziert, die sich daraus ergebende „sinaitische Tamariske“ mit Tamarix aphylla (L. Karst.) oder Tamarix mannifera (Ehrenb.). Aufgrund dieser Verbindungen vermutet er in ḥzꜣ den Saft dieses Baumes und das „Manna“ der Bibel, und er schlägt als Übersetzung „solution aquatique de manne“ vor. (NB: Neuere Beobachtungen haben ergeben, dass dieses Manna nicht der Saft des Baumes ist. Vielmehr saugen einige Schildlausarten dessen Saft auf, verarbeiten den darin enthaltenen Stickstoff und weitere Nährstoffe und scheiden den Zuckerüberschuss wieder aus, und diese Absonderung erscheinen dann als „Mannakügelchen“, s. Riede, Laus, 2009, in: https://bibelwissenschaft.de/stichwort/24689/ (zuletzt geprüft am: 07.11.2023) und Streck, in: Zeitschrift für Assyrologie und vorderasiatische Archäologie 94 (2), 2004, 279-280 mit weiterer Literatur.) Ob dieser Spruch tatsächlich bedeutet, dass ḥzꜣ auch ein natürliches Produkt sein kann, bliebe weiteren Untersuchungen vorbehalten. Die zuvor genannten Belege schließen zumindest aus, dass es immer ein natürliches Produkt ist.

Abschließend fragt sich, worin der Unterschied zwischen normalem und „männlichem“ ḥzꜣ gelegen haben könnte: (1) Dass das eine ein natürliches, das andere ein künstliches Produkt ist, kann wohl ausgeschlossen werden. (2) Aus dem Vergleich von Eb 199b mit Eb 696 könnte man sich fragen, ob der Unterschied zwischen normalem und „männlichem“ ḥzꜣ in der Hinzufügung von Dattelkernen liegt. (3) Eine andere Möglichkeit wäre, dass das „männliche“ ḥzꜣ der trockene bzw. noch feuchte, aber feste(re), Rest ist, der durch das in Eb 199b genannte „Auspressen“ übrigbleibt. Das heißt: Ist das „männliche ḥzꜣ“ gar nicht das, was beim Auspressen unter dem Sieb im Gefäß ankommt, sondern im Gegenteil das, was oben im Sieb zurückbleibt? Dass laut Eb 396 eine Scherbe mit ḥzꜣ „beräuchert“ (kꜣp) werden soll, heißt jedenfalls nicht, dass es brennbar und demzufolge trocken war. Vermutlich ist die Anweisung eher so zu verstehen, dass das ḥzꜣ erhitzt und die Scherbe in den dabei entstehenden Rauch oder Dampf gehalten werden soll. (4) Die für diese Frage ungenügende Aussagekraft der Quellen lässt jedoch auch andere Unterschiede zwischen normalem und „männlichem“ ḥzꜣ denkbar erscheinen, wie verschiedene Färbungen (vgl. diese Option bei „männlichem“ Bleiglanz, Popko, in: Popko/Schneider/Scholl, Papyrus Ebers,278), verschiedene Flüssigkeitsgrade oder Anderes.

[NB: Watson, in: N.A.B.U. 3, 2019, 124 will ḥzꜣ etymologisch mit ugaritisch ḥṯ: „unleavened loaf“, arabisch ḥutṯ: „bread without any seasoning“ verbinden.]

Literatur:
– T. Bardinet, Les papyrus médicaux de l’Égypte pharaonique, Penser le médecine (Paris 1995).
– T. Bardinet, Médecins et magiciens à la cour du pharaon. Une étude du papyrus médical Louvre E 32847 (Paris 2018).
– H. von Deines, W. Westendorf, Wörterbuch der medizinischen Texte. Erste Hälfte (ꜣ-r), Grundriß der Medizin der alten Ägypter VII.1 (Berlin 1961).
– D. Faltings, Die Keramik der Lebensmittelproduktion im Alten Reich. Ikonographie und Archäologie eines Gebrauchsartikels, Studien zur Archäologie und Geschichte Altägyptens 14 (Heidelberg 1998).
– H. Grapow, H. von Deines, Wörterbuch der ägyptischen Drogennamen, Grundriß der Medizin der alten Ägypter VI (Berlin 1959).
– P.E. Newberry, El Bersheh. Vol. 1. The Tomb of Tehuti-hetep, Archaeological Survey of Egypt 3 (London 1895).
– L. Popko, Anhang, in: L. Popko – U. J. Schneider – R. Scholl (Hrsg.), Papyrus Ebers. Die größte Schriftrolle zur altägyptischen Heilkunst (Darmstadt 2021), 260-298.
– A. Rickert, Levure et lapis-lazuli. Naissance et développement du génie économique Hésa, in: M.-L. Arnette (Hrsg.), Religion et alimentation en Égypte et Orient anciens 1, Recherches d’archéologie, de philologie et d’histoire 43 (Le Caire 2019), 235-273.
– P. Riede, Laus, in: https://bibelwissenschaft.de/stichwort/24689/ (zuletzt geprüft am: 07.11.2023).
– M.P. Streck, Dattelpalme und Tamariske in Mesopotamien nach dem akkadischen Streitgespräch, in: Zeitschrift für Assyrologie und vorderasiatische Archäologie 94 (2), 2004, 250-290.
– W. Watson, Another Episode on Cereal, in: Nouvelles Assyriologiques Brèves et Utilitaires 3, 2019, 123-125.
– W. Westendorf, Handbuch der altägyptischen Medizin, Handbuch der Orientalistik I.36 (Leiden 1999).

L. Popko, 02. März 2020, aktualisiert 08. November 2023.

Commentary author: Strukturen und Transformationen; Data file created: 03/02/2020, latest revision: 11/08/2023


Editor(s): Altägyptisches Wörterbuch
Data file created: before June 2015 (1992–2015), latest revision: 12/18/2019
Editorial state: Verified

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(Full citation)
"ḥzꜣ" (Lemma ID 109510) <https://thesaurus-linguae-aegyptiae.de/lemma/109510>, edited by Altägyptisches Wörterbuch, in: Thesaurus Linguae Aegyptiae, Corpus issue 18, Web app version 2.1.3, 5/16/2023, ed. by Tonio Sebastian Richter & Daniel A. Werning on behalf of the Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften and Hans-Werner Fischer-Elfert & Peter Dils on behalf of the Sächsische Akademie der Wissenschaften zu Leipzig (accessed: xx.xx.20xx)
(Short citation)
https://thesaurus-linguae-aegyptiae.de/lemma/109510, in: Thesaurus Linguae Aegyptiae (accessed: xx.xx.20xx)