Sentence ID IBcDNV70BBj6TEVEvEqFgEcExHA
dann ist er so, dass seine beiden Augen in triefendem Zustand (?),
seine beiden Schläfen belastet
(und) die Wurzel seiner Zähne (d.h. das Zahnfleisch) gerötet sind,
während sein Nacken ständig am Stoßen ist.
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- nf.t: In der Überschrift des Tiermedizinischen Papyrus Kahun (Kol. 34) steht das feminine Substantiv nf.t, in der anschließenden Untersuchung (Kol. 35-36) ist sicherlich das maskuline Substantiv [nf].w zu lesen/ergänzen (allerdings mit einem unterschiedlich gezeichneten Segel und mit Pluralendung determiniert). Anzunehmen ist, dass beide Wörter mit der Wurzel nfj: "ausatmen, hauchen; pusten; anfächeln" und den Substantiven nf.t/nfy.t: "Wedel, Fächer" sowie nf: "Atem; Wind" zusammenhängen; vgl. auch nfꜣ: "ausniesen, ausschnauben". Das Determinativ des Segels spricht ebenfalls für eine Krankheit in Zusammenhang mit Luft, Wind oder Atem. Die Krankheit nf.t ist in Wb. 2, 250.14 als separates Lemma abgelegt: "eine Krankheit des Rindviehs". Wb. 2, 250 kennt noch kein Femininum nfw.t/nfy.t: "Atem; Wind", das aber in den Sargtexten belegt ist (Van der Molen, Hieroglyphic Dictionary, 221-222; Hannig, Ägyptisches Wörterbuch II/1, 1271 {15486}). Hannig, HWB, 431 und Hannig, Ägyptisches Wörterbuch II/1, 1271 {15486} gibt die Krankheitsbezeichnung nf.t als Sonderbedeutung von nf.t/nfw.t: "(1) Atem, Hauch; (2) Wind; (3) e. Krankheit des Rindes (*Blähungen)". Sowohl nf als auch nfw.t sind in pEdwin Smith als krankheitserregender Hauch belegt (pEdwin Smith 18.13 bzw. 20.1).
Es gibt mehrere medizinische Erklärungsversuche: (1) eine durch die Luft übertragene, d.h. ansteckende Erkrankung (Boessneck, Die Tierwelt des Alten Ägypten, München 1988, 71; Collier/Quirke, The UCL Lahun Papyri, 55: "airborne (?) disease" mit Fragezeichen; gefolgt von Lord, in: Fs Rosalie David, 150 ohne Fragezeichen); (2) "Schnaufen (Schupfen?)" (Griffith, pKahun and Gurob, 13: "(a) cold?"; Kosack, in: Armant 3, 1969, 176 "Schnaufen (Schnupfen?)"; gefolgt durch von den Driesch, Geschichte der Tiermedizin, 17: "Schnaufen"); (3) "Meteorismus" bzw. "Blähungen" (von Oefele, in: Prager Medizinischer Wochenschrift 24, 1899, 372 und in: ZÄS 37, 1899, 58; Hannig, HWB, 431 {15488}: "eine Krankheit des Rindes (*Blähungen)"); (4) "Glotzauge" oder "Meteorismus" (Neffgen, Der Veterinär-Papyrus von Kahun, 1904, 15); (5) Kurzatmigkeit oder Dämpfigkeit (z.B. bei Pferden) (Walker, in: The Veterinary Record 76, 1964, 199: "a respiratory symptom"; 200: "panting"; Bardinet, Papyrus médicaux, 481: "dyspnée"). -
- jḥ: Die Spuren des Kopfes der Rinderhieroglyphe (Schnauze und vorderes Horn) sind noch gerade erkennbar auf dem Papyrus (Collier/Quirke, The UCL Lahun Papyri, 54 beschränken sich auf "tr(aces)").
- [nf].w.pl: Das Wort ist sicherlich mit der nf.t-Krankheit verwandt, aber möglicherweise unterschiedlich konnotiert. Grundriß IV/2, 239 hat "nf.w-Krankheitserscheinung" versus Grundriß IV/1, 318 "nf.t-Krankheit". Kosack, in: Armant 3, 1969, 176 übersetzt "Schnupfenanfälle" versus "Schnaufen (Schnupfen ?)" für nf.t. MedWb I, 459 erkennt keinen Unterschied zwischen nf.t und nf.w und übersetzt beide mit "Hauch".
- wnn=f jr.tj=f: Westendorf, Grammatik, 126, § 174 erkennt Pseudopartizipsätze als adverbielle Erweiterungen von wnn=f: "er ist, indem seine Augen ..." und er hält eine Emendation zu wnn{=f} für überflüssig, weil es im Pap. Berlin Med. (Bln 154) eine ähnliche Situation gibt. Vgl. aber auch Kol. 59-60, wo wnn=f dgm.y jr.tj=f qny steht; es ist also auch denkbar, dass nach wnn=f ein Pseudopartizip ausgefallen ist.
- sṯp: Dasselbe Verb steht zweimal im Tiermedizinischen Papyrus Kahun, in Kol. 36 und erneut in Kol. 64, beide Male im Zusammenhang mit den Augen. Wb. 1, 357.15 kennt nur diese beiden Belegstellen und übersetzt: "triefen o.ä. (von den Augen eines kranken Rindes)", zweifellos wegen des Determinativs "schlechtes Paket mit Ausfluss" (Signlist Aa3). In den Sargtexten findet sich ein Substantiv stp mit demselben Determinativ (van der Molen, Hieroglyphic Dictionary, 573: "fluid"; Hannig, Ägyptisches Wörterbuch II/2, 2385 {31299}: "Speichel"; Osing, Nominalbildung, 821, Anm. 1093: "Sperma"). MedWb II, 822 gibt keine Übersetzung für das Verb, meint aber, dass das Determinativ auf "triefen" o.ä. schließen lässt. Grundriß IV/1, 318 hat entsprechend "Es sind seine beiden Augen triefend (?)". Hannig, HWB, 851 übernimmt diese Übersetzung "*triefen (Auge e. kranken Rindes)". Faulkner, CDME, 256 übersetzt mit "(to) discharge" und verweist ebenso nur auf diese Textstelle. Westendorf, Handbuch Medizin, 452 hat "indem seine beiden Augen tränen". Osing, Nominalbildung, 821-822, Anm. 1093 erkennt in sṯp eine Hyperkorrektur / pseudohistorische Schreibung der Wurzel stp: "Flüssigkeit absondern", die offenbar selbst eine Bedeutungsentwicklung der Wurzel stp: "(Fleischstücke) auslösen; auswählen" ist. Von den Driesch, Geschichte der Tiermedizin, 17 übersetzt mit "seine Augen sind tiefliegend" trotz des Verweises auf Kosack (in: Armant 3, 1969, 176: "seine Augen sind triefend").
- mꜣꜥ.wj=f wdn: Griffith, pKahun and Gurob, Tf. VII.rechts zeichnet das tränende Auge (mit Fragezeichen!), aber (S. 13) er erwägt schon zweimal den Reiherkopf H2 als Alternative und übersetzt entsprechend "his forehead ? uden (wrinkled ?)". Collier/Quirke, The UCL Lahun Papyri, 54-55 übernehmen ebenfalls das tränende Auge (allerdings mit rm.f (?) als Transkription und "tears (?)" als Übersetzung). Wreszinski, in: OLZ 29, 1926, 729 und Grundriß V, 548 haben hingegen das Substantiv "Schläfen" bzw. zweimal das Zeichen H2 (Reiherkopf mit 2 Federn). Tatsächlich passen die Spuren gut zu mindestens einem Vogelkopf. Außerdem steht derselbe Satz in Kol. 64, diesmal sogar zusätzlich mit phonetischen Zeichen versehen, so dass die Lesung mꜣꜥ.wj: "die beiden Schläfen" sicher ist (für die Verwendung von H1 statt H2 für die hieroglyphische Umschrift aus dem Hieratischen – hier kursiven Hieroglyphen – siehe Gardiner, Egyptian Grammar, 473, Nr. H1). Deshalb sind Übersetzungen mit "Tränen" abzulehnen (z.B. Walker: "his tears are thick"; Collier/Quirke: "its tears (?) heavy"), ebenso die darauf aufbauenden Erklärungen wie "the bull is suffering from eyes running probably with thick mucal discharge" (Lord, in: Corbelli e.a. (Hgg.), Current Research in Egyptology 2009, 103).
- wdn: Das Verb bedeutet "schwer sein, lasten" (Wb. 1, 390.1-15). Wb. 1, 390.19 hat das Verb im Tiermedizinischen Papyrus jedoch separat eingetragen: "intrans. Verbum: Krankhafte Erscheinung bei Tieren". Es ist unklar, was gemeint ist, wenn die Schläfen "schwer sind, lasten". Griffith, pKahun and Gurob, 13 übersetzt zuerst "uden (wrinkled?)", später ändert er die Übersetzung zu "heavy, inert" (Griffith, pKahun and Gurob, 101), wobei er der Übersetzung von Maspero, in: Journal des Savants 1899, 216: "dont les bajoues sont lourdes" folgt. Wreszinski, in: OLZ 29, 1926, 729 übersetzt mit "geschwollen". Grundriß IV/1, 318 hat "belastet" und MedWb I, 235 versteht "schwer sein; lasten" im Sinne von "benommen sein", weil im nächsten Fall, in dem auch das Lasten der Schläfe belegt ist (in Kol. 64), das Verb dgm: "benommen sein" verwendet wird (in Kol. 59). Westendorf, Grammatik, 277, § 395.dd spricht von Druck auf den Schläfen, den er als Ausdruck von Benommenheit verstehen möchte. Ähnliches findet sich bei Bardinet, Papyrus médicaux, 481: "ses tempes sont lourdes (= hébétude)". Westendorf, Handbuch Medizin, 452 übersetzt Kol. 37 "seine beiden Schläfen sind belastet/benommen". Allerdings ist dgm.y: "benommen" ein Symptom bei der ersten Untersuchung von einem Rind, das an der wšꜥ-Fresskrankheit leidet (Kol. 59), während die lastenden Schläfen als Symptom erst in der zweiten Untersuchung stehen (Kol. 64).
- jw nḥb.t=f ḥr twn: Griffith, pKahun and Gurob, 13: "his neck swollen (or raised?)". Maspero, in: Journal des Savants 1899, 216: "lui tenant le cou dressé". Wreszinski, in: OLZ 29, 1926, 729 und Anm. 10 übersetzt "sein Nacken (ist) erhoben", was er versuchsweise erklärt als "geschwollen?" (mit Fragezeichen!). Collier/Quirke, The UCL Lahun Papyri, 55 übersetzen "its neck taut (?)" (deshalb spricht Lord, in: Fs Rosalie David, 151 von "swollen neck"). Lord, in: Corbelli e.a. (Hgg.), Current Research in Egyptology 2009, 103 erklärt "it's neck taut" mit dem Symptom von "swollen lymph nodes" (vgl. Walker, in: The Veterinary Record 76, 1964, 199: "his neck having on it lumps"). Alle diese Übersetzungen lassen aber die von den vorherigen Sätzen abweichende grammatische Konstruktion mit ḥr + Infinitiv unberücksichtigt. Grundriß IV/1, 318 hat "sein Nacken ist beim Stoßen"; Bardinet, Papyrus médicaux, 481 hat "son cou tape (= oscille?)"; Kosack, in: Armant 3, 1969, 176: "Sein Nacken aber stösst dauernd nach vorn"; Westendorf, Handbuch Medizin, 452: "Sein Nacken ist ständig beim Stoßen."
Persistent ID:
IBcDNV70BBj6TEVEvEqFgEcExHA
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https://thesaurus-linguae-aegyptiae.de/sentence/IBcDNV70BBj6TEVEvEqFgEcExHA
Please cite as:
(Full citation)Peter Dils, with contributions by Altägyptisches Wörterbuch, Lutz Popko, Daniel A. Werning, Sentence ID IBcDNV70BBj6TEVEvEqFgEcExHA <https://thesaurus-linguae-aegyptiae.de/sentence/IBcDNV70BBj6TEVEvEqFgEcExHA>, in: Thesaurus Linguae Aegyptiae, Corpus issue 19, Web app version 2.2.0, 11/5/2024, ed. by Tonio Sebastian Richter & Daniel A. Werning on behalf of the Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften and Hans-Werner Fischer-Elfert & Peter Dils on behalf of the Sächsische Akademie der Wissenschaften zu Leipzig (accessed: xx.xx.20xx)(Short citation)
https://thesaurus-linguae-aegyptiae.de/sentence/IBcDNV70BBj6TEVEvEqFgEcExHA, in: Thesaurus Linguae Aegyptiae (accessed: xx.xx.20xx)
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