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während es sein Maul aufreißt
und seine Zahnreihen(?) entblößt (wörtl.: aufmacht),
(so) wird er/es(?) auf diesen Augapfel(?) aus Gold, ((Fayence)), Quarz (und) Karneol blicken,
indem es auf den Augen der Majestät des Ptah gewachsen ist.
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dgi̯=s (...) dgi̯=f (...): Roccati, Papiro Ieratico N. 54003, 31 geht hier von zwei präsentischen unabhängigen Verbalsätzen aus; als Subjekte vermutet er die in der vorigen Kolumne genannte Wn.t für =s und den Wr für =f. Ritner, Mechanics, 95 schließt beides an den vorigen Satz an: Das erste dgi̯ fasst er konsekutiv und das zweite adverbial untergeordnet auf; das =s bezieht er auf Hathor, das =f wohl auf das Reptil: „that she might look at the red [...]-animal(?) when he opens the mouth, when he opens his jaws(?), when he looks at that pupil“. Gräßler, Konzepte des Auges, 54 übersetzt nur den Satz mit dgi̯=f, den sie wie Roccati als präsentischen Verbalsatz versteht. Das Bezugswort von =f erachtet sie als ungeklärt (Anm. 328).
Die verbale Auffassung von Roccati ist ohne vordere Erweiterungen klassisch mittelägyptisch nicht möglich. Ritner löst zwar dieses Problem, indem er beide dgi̯ als untergeordnet versteht, muss dafür aber in Kauf nehmen, dass sie trotz der parallelen Syntax im übergeordneten Satz unterschiedliche syntaktische Positionen einnehmen.
Aufgrund ihrer parallelen Syntax wird hier ein Wechselsatz vorgeschlagen; fehlende Geminierung und fehlendes Infix lassen aber nur einen futurischen Wechselsatz zu, vgl. Schenkel, Einführung 2012, 317-318, was einen nicht ganz unproblematischen Bruch zur Zeitlage des folgenden Satzes mit sich bringt. Weiterhin schwierig zu beantworten bleibt die Frage nach den Bezugsworten der Suffixpronomina. Wenn man mit Roccati Wn.t und Wr vermutet, könnte man spekulieren, dass hier ein Götter- oder Personenpaar einerseits den krankheitsauslösenden Dämon (?) und andererseits das krankheitsheilende Amulett betrachtet, also mit ihrem Blick gleichsam Krankheit und Heilung einfängt. Wenn man mit Ritner die Pronomen auf Hathor und das Reptil bezieht, könnte gemeint sein, dass Hathor durch ihren Blick den Dämon bannt und dieser seinerseits durch seinen (fixierenden?) Blick auf das Amulett irgendwie unschädlich gemacht wird. Ritner äußert sich zu dieser Frage nicht.
ṯ[_].w: Ein unbekanntes Tier. Der Klassifikator ist teilweise zerstört, lässt sich aber noch mit großer Sicherheit als Eidechse, Gardiner Sign-list I1, identifizieren. Vom ersten Konsonanten ist noch der linke Teil des hieratischen ṯ-Seils erkennbar. Über dem Klassifikator sind noch Zeichenreste erkennbar, die Roccati recht plausibel zu einem Wachtelküken ergänzt. Der mittlere Teil ist nicht mehr rekonstruierbar. Der ägyptische Wortschatz zu Echsen (nach moderner Taxonomie) ist im Gegensatz zu dem der Schlangen, Schildkröten und Krokodile kaum ausgeprägt oder kaum bekannt. Eine Identifizierung des Tieres von pTurin CGT 54003 ist daher nicht möglich. Nach dem Text zu schließen, kann dieses Tier rot (dšr) sein, kann aber wohl auch andere Färbungen besitzen, weil andernfalls die explizite Nennung der Farbe tautologisch wäre. Das Demonstrativpronomen pw scheint darauf hinzudeuten, dass während des Rituals, zu dem der Spruch gehört, ein physisches Exemplar des Tieres verwendet wurde; keinesfalls ist es ein Rückbezug auf eine frühere Stelle im Text, weil dafür nichts infrage kommt. Das Reptil wird beschrieben als eines, das ḥbḏ rʾ=f: „sein Maul aufreißt“ – eine sehr seltene Phrase, die in Tb 149 als Dämonenbezeichnung vorkommt. In den Vignetten zu diesem Spruch im neureichszeitlichen pBM EA 10477 (Totenbuchprojekt Bonn, TM 134299, http://totenbuch.awk.nrw.de/objekt/tm134299) ist dieser Dämon in derselben Ikonographie wie die Göttin Thoëris dargestellt, d.h. mit Krokodilskopf, -rücken und schwanz, Nilpferdkörper und Löwenbeinen. Diese Vignette hilft allerdings nicht bei der Identifizierung des Tieres von pTurin CGT 54003. Denn zum einen weist der Dämon von Tb 149 zwar reptilische Bestandteile auf, aber eben von einem Krokodil, das von den Ägyptern in eine andere Tierkategorie eingeordnet wurde als Echsen. Ferner ist auch eines der Wesen in der Vignette zum benachbarten Textteil in derselben Weise dargestellt, so dass sie nicht einmal textintern spezifisch für den Dämon ḥbḏ-rʾ=f ist.
šn.wt: Mit dem Zahn klassifiziert; ein Hapax legomenon. Roccati, Papiro Ieratico N. 54003, 32, Anm. c vergleicht diese Passage mit CT I, 11a-b, wo steht: wn n=k tꜣ rʾ=f zn n=k Gb ꜥr.tj=f ...: „Die Erde öffnet dir ihren Mund, Geb macht dir seine Kieferbacken auf“ und sieht im šn.wt des pTurin CGT 54003 daher ein Wort für „mascelle“. Ähnlich Ritner, Mechanics, 95: „jaws(?)“.
Etymologisch dürfte šn.wt wohl mit šni̯: „rund sein, umkreisen“ zusammenhängen; das Benennungsmotiv könnte daher vielleicht die Form der Zahnbögen sein, die die Mundhöhle umgeben. Die Wortbildung erinnert an šn.wt: den „Hofstaat“, d.h. die personelle Umgebung des Königs. Daher vergleicht Bardinet, Dents et mâchoires, 25 dieses Wort mit der Bezeichnung ṯs.t: „Gebiss“, deren Wortbildung er wiederum mit ṯs.t: „Truppe“ gleichsetzt. Bei šn.wt läge ihm zufolge eine „idée analogue“ vor, und er gibt als Bedeutung an: „l’entourage, le cercle des dents“.
bꜣ[ꜣ] pw: Ergänzung mit Roccati, Papiro Ieratico N. 54003, Falttafel und S. 31. Zur Interpretation von bꜣꜣ als Augapfel bzw. als (sichtbarer Teil der) Sklera ohne Irisbereich s. Gräßler, Konzepte des Auges, 52-60. Konkret in pTurin 54003 Vso. 4-5 vermutet sie eine Bezeichnung einer Augeneinlage oder eines Augenamuletts. Dazu passt nicht nur, wie Gräßler schreibt, dass im folgenden Satz Isis daran leckt, sondern auch das Demonstrativum pw: Da es zuvor kein Wort gibt, auf das es zurückverweisen könnte – infrage käme nur das jr.t: „Auge“ der Hathor, aber Gräßler, a.a.O. verweist auf die Unterschiede zwischen bꜣꜣ und jr.t –, wird es ein deiktisches Element sein, das auf ein Objekt außerhalb des Textes verweist, das im Zusammenhang mit diesem Spruch Anwendung findet.
jw=f: Mit Fleischstück klassifiziert. Roccati, Papiro Ieratico N. 54003, 31 geht kommentarlos davon aus, dass hier eine Schreibung von jw=f vorliegt (diese Kolumne unter den Belegen von jw einsortiert auch im Wortindex auf S. 56). Für diese Schreibung von jw=f vgl. Wb 1, 42 und 1,70. Die so angesetzte Form jw=f rd(.w) übersetzt er untergeordnet bzw. konkret relativisch: „che crescre ...“. Dem folgt Ritner, Mechanics, 95 („which flourishes (literally ‚grows‘) ...”). Gräßler, Konzepte des Auges, 54 übersetzt nicht relativisch, bleibt aber unterordnend: „indem er ... gewachsen ist“. Die Partikel jw als Partikel zur Unterordnung ist bereits im Mittelägyptischen bekannt (Schenkel, Einführung 2012, 88: „Rang-VII-Erweiterung“, Schenkel, in: LingAeg 15, 2007, 161-201) und ist etwa für medizinische Texte nicht unplausibel (s. die Übersetzung des pEbers im TLA, contra Schenkel, der in LingAeg 15 gerade dort eher von parenthetischen Hauptsatz-jws ausgeht). In der hier vorgeschlagenen Satzstruktur steht jw=f rd(.w) im selben syntaktischen und semantischen Verhältnis zu bꜣꜣ pw wie ḥbḏ=f rʾ=f sn=f šn.wt=f zu ṯ[_]w pw.
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Please cite as:
(Full citation)Lutz Popko, with contributions by Kay Christine Klinger, Altägyptisches Wörterbuch, Daniel A. Werning, Token ID ICAAcoEwnIqi30kDhtcPV7KWjII <https://thesaurus-linguae-aegyptiae.de/sentence/token/ICAAcoEwnIqi30kDhtcPV7KWjII>, in: Thesaurus Linguae Aegyptiae, Corpus issue 19, Web app version 2.2.0, 11/5/2024, ed. by Tonio Sebastian Richter & Daniel A. Werning on behalf of the Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften and Hans-Werner Fischer-Elfert & Peter Dils on behalf of the Sächsische Akademie der Wissenschaften zu Leipzig (accessed: xx.xx.20xx)(Short citation)
https://thesaurus-linguae-aegyptiae.de/sentence/token/ICAAcoEwnIqi30kDhtcPV7KWjII, in: Thesaurus Linguae Aegyptiae (accessed: xx.xx.20xx)
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