ꜥnḫ(Lemma ID 38530)

Verified

Hieroglyphic spelling: 𓋹𓈖𓐍


Persistent ID: 38530
Persistent URL: https://thesaurus-linguae-aegyptiae.de/lemma/38530


Lemma list: Hieroglyphic/hieratic

Word class: verb (3-rad.)


Translation

de leben
en to live; to be alive
fr vivre

Attestation in the TLA text corpus


Attestation time frame in the TLA text corpus: from 3018 BCE to 324 CE


Bibliography

  • Wb 1, 193.8-198.10


External references

Legacy TLA 38530
Projet Karnak 802 9
Digitalisiertes Zettelarchiv 38530
Vocabulaire de l’Égyptien Ancien 399

Comments

Comment 1

- jri̯ ḏi̯ ꜥnḫ: Wb. 1, 112.10-11 und 198.6-7 und 9: Die verschiedenen Konstruktionen der Formel jri̯ ḏi̯ ꜥnḫ haben zahlreiche kleinere und größere Studien sowie Notizen hervorgebracht. Sowohl die Verbalform jri̯ als auch das Syntagma ḏi̯ ꜥnḫ werden unterschiedlich interpretiert. Belegt sind die Konstruktionen von der 12. Dynastie bis in die Römerzeit. Es gibt folgende Probleme: (1) Es gibt mehrere Konstruktionen und unklar ist, ob alle inhaltlich dasselbe mitteilen möchten. (2) Die Konstruktionen sind im Verhältnis König – Gott mehrdeutig, nur im Verhältnis König – Göttin oder weiblicher König Hatschepsut/Gottesgemahlin – Gott sind Endungen und Suffixpronomina klar identifizierbar. (3) Spätestens in der 19. Dynastie gibt es eine theologische Neuinterpretation der Formeln, nicht länger mit dem König als Subjekt, sondern mit dem Gott als Subjekt, aber in der Nachfolgezeit kommen noch immer oder erneut Beispiele mit dem König als Subjekt vor, so dass fallweise beide Interpretationen möglich sind. (4) Die theologische Neuinterpretation ist vor allem an der Inversion der Hieroglyphen erkennbar, die jedoch nicht systematisch durchgehalten wird. (5) Für ḏi̯ ꜥnḫ stellt sich die theologische Frage, ob eine Gottheit immer nur Leben geben kann (aktiv), oder im Rahmen des reziproken Charakters der Ritualszenen auch mit Leben (bzw. Lebensunterhalt) beschenkt werden kann (passiv) (akzeptiert von Wilson, Ptol. Lex., 1183), bzw. ob einem König in den Ritualszenen zugleich Leben gegeben werden kann (durch die Gottheit) und (seinen Untertanen) Leben geben kann (Martin; abgelehnt von Fischer, 106). (6) Je nach grammatischer Interpretation von ḏi̯ ꜥnḫ als substantivische oder als adverbielle Konstruktion ist das Verb jri̯ transitiv mit direktem Objekt („etwas tun“) oder intransitiv-absolut mit adverbieller Erweiterung („handeln, agieren“) zu übersetzen.

Literatur:
- K. Sethe, Das ägyptische Verbum, 1899, Bd. II, 89 (§ 201), 324 (§ 746.2) und 461 (Nachtrag zu § 201)
- A.H. Gardiner, Egyptian Grammar, § 378
- G. Lefebvre, Grammaire de l’Égyptien classique, 2e éd. (BdE 12), Le Caire 1955, § 455
- B. Birkstam, Given Life Like Re Eternally – A Royal Epitheton, in: S. Brunnsaker & H.-A. Nordström (ed.), From the Gustavianum collections in Uppsala 1974 (Fs. Säve-Söderbergh) (Acta universitatis Upsaliensis BOREAS 6), 1974, 15-35 (vor allem 18, 22, 29)
- K. Martin, 𓏙𓋹 in: L. Kákosy (ed.), Recueil d’études dédiées à Vilmos Wessetzky à l’occasion de son 65e anniversaire (Studia Aegyptiaca I), Budapest 1974, 287-295
- C.F. Nims, in: JNES 34, 1975, 76
- H.G. Fischer, The Orientation of Hieroglyphs. Part I. Reversals, New York 1977, 97-106
- J. Osing, Der Tempel Sethos’ I. in Gurna (AV 20), Mainz 1977, 21, Anm. 55
- W. Schenkel, 𓏙𓋹 ḏ(j.y)-ꜥnḫ „mit Leben beschenkt“ als grammatische Konstruktion, in: MDAIK 37, 1981, 427-432
- F. Kammerzell: √rḏj + Pseudopartizip – eine unmögliche Konstruktion?, in: GM 67, 1983, 57-64
- W. Schenkel, Tübinger Einführung in die klassisch-ägyptische Sprache und Schrift (Version rot), Tübingen 1991, 237 (§ 7.5.5)
- K. Jansen-Winkeln, Texte und Sprache in der 3. Zwischenzeit (ÄAT 26), Wiesbaden 1994, 99, Anm. 1
- E. Iversen, Two Suggestions Concerning Obelisks, in: DE 33, 1995, 41-44
- H. Satzinger, Gott gibt dem König Leben, in: ZÄS 124, 1997, 142-156
- E. Teeter, The Presentation of Maat (SAOC 57), Chicago 1997, 55-69, 76-77
- P. Wilson, A Ptolemaic Lexicon (OLA 78), Leuven 1997, 1183 s.v. dı͗-ꜥnḫ “given life”
- J.P. Allen, Middle Egyptian, Cambridge 2000, 336-337, § 23.15 ( vgl. § 18.7)
- P. Beylage, Die Formel jr(j)=f d(j) ꜥnḫ in den Texten der 18. Dynastie, in: GM 181, 2001, 19-26
- S. Grallert, Bauen – Stiften – Weihen (ADAIK 18/1), Berlin 2001, 38-39
- P. Grandet & B. Mathieu, Cours d’Égyptien Hiéroglyphique, 3e éd. revue et corrigée, Paris 2003, 148 mit Anm. 3; 380 (§ 34.5.c)
- C. Peust, rḏj + Pseudopartizip – eine mögliche Konstruktion, in: GM 211, 2006, 67-70
- W. Schenkel, rč̣i̯ + Pseudopartizip – eine nach-klassische Konstruktion, in: GM 215, 2007, 109-112
- W. Waitkus, Untersuchungen zu Kult und Funktion des Luxortempels. Teil II: Übersetzungen; Tabellen; Abbildungen (Aegyptiaca Hamburgensia 2/1), Gladbeck 2008, 1-2, Anm. 1; 63, Anm. 1; 139, Anm. 1
- H. Jenni, Lehrbuch der klassisch-ägyptischen Sprache, Basel 2010, 208 § 19.2.6
- W. Schenkel, Tübinger Einführung in die klassisch-ägyptische Sprache und Schrift (Version grün), Tübingen 2012, 161 (§ 6.2.4)
- A. Paulet, Égyptien de la seconde phase et égyptien de tradition: quelques données issues des textes du temple d’Opet à Karnak in: GM 243, 2014, 43-48 (hier: 46-47)

Die ausführlichste Diskussion der verschiedenen Konstruktionen und der verschiedenen grammatischen Interpretationen findet sich bei Teeter, die sich auf das Neue Reich konzentriert und den Artikel von Satzinger noch nicht kannte.

Für die griechisch-römische Zeit sind zumindest folgende Konstruktionen belegt (konzentriert auf Ritualformeln zugunsten von Göttinnen):
- Infinitiv + Ritual n mw.t=f jri̯=f ḏi̯ ꜥnḫ (z.B. E I, 153.10, 167.12, 174.10, 184.4, 190.11, 307.17, 309.16, 311.19, 313.10, 315.8, 317.14, 523.4, 528.4; Philae I, 152.1-2; Philae II, 413.11; du Bourguet, Deir al-Médîna, 174.1, 176.1; Tôd II, Nr. 270.1; Opet 12; Opet 132; GKO I, Nr. 137.1);
- Infinitiv + Ritual n mw.t=f jri̯.n=f (oder jri̯(.t) n=f) ḏi̯ ꜥnḫ (z.B. D 1, 15.10 und 19.3; D2, 185.3; D 3, 41.3 und 43.3; D 7, 1.12, 2.2, 2.13, 3.2, 5.11, 8.12, 137.12; D 12, 132.3, 211.8, 230.12, 235.15, 246.4, 255.18, 283.17, 285.18; D 9, 76.9, 102.11, 106.5, 107.2, 110.10, 114.3, 117.15, 118.10, 239.10-11, 240.8-9, 242.5, 245.6, 253.13; D 11, 66.12, 81.12, 85.9, 98.4, 101.14, 105.6, 110.5, 116.3, 119.3, 156.3, 175.3; D 13, 56.12, 72.4, 148.12; D 14, 69.12, 208.10; D 15, 121.11, 130.7, 146.7, 357.2; D Isis 161.8, 170.5, 181.3, 196.10, 260.4, 277.15, 288.10, 305.15; D Porte Isis 53.9; Philae II, 149.1; Philae III, Nr. 57.1; Opet 63; Opet 86; Bîgeh 8, 9, 10, 11; Dakke 101, 146, 159, 166, 168, 198?);
- Infinitiv + Ritual n mw.t=f jri̯=s ḏi̯ ꜥnḫ (z.B. Philae I, 209.8; 214.1; 214.8; Tôd II, Nr. 225.1; Opet 7; GKO I, Nr. 233.1, 240.1, 362.2?; E Mammisi 29.14; E 5, 331.13, 335.4, 335.14, 335.20, 389.8 [fehlerhaft als jri̯=f in der Publikation, lies jri̯=s laut Kurth, Edfou V. Übersetzung, 838], 391.6; D Isis 18.7; D Mammisis, 39.10);
- Infinitiv + Ritual n mw.t=f jri̯.n=s (oder jri̯ n=s) ḏi̯ ꜥnḫ (Bîgeh 5 und Taf. V; D 15, 139.6);
- Infinitiv + Ritual n jt=f jri̯ ḏi̯ ꜥnḫ (Philae III, Nr. 75) bzw. n mw.t=f jri̯ ḏi̯ ꜥnḫ (Philae III, Nr. 104 und 105; D7, 7.3; D 9, 194.12) (sicherlich jeweils ein Fehler für n jt=f jri̯=f ḏi̯ ꜥnḫ, denn vgl. Philae III, Nr. 74 mit 75 bzw. in Dendara für n mw.t=f jri̯.n=f ḏi̯ ꜥnḫ);
- Infinitiv + Ritual n jt=f rḏi̯.n=f ḏi̯ ꜥnḫ (D 12, 247.8: ein Fehler?);
- Infinitiv + Ritual n pꜣw.tjw jri̯=f ḏi̯ ꜥnḫ ḏ.t (E 1, 288.15);
- Infinitiv + Ritual n nṯr.w nṯr.wt ḏi̯ ꜥnḫ ḏ.t (D 15, 85.6: fehlerhafte Auslassung von jri̯.n=f);
- Infinitiv + Ritual n jt=f jri̯.n=f (oder jri̯ n=f) ḏi̯ ꜥnḫ nb mj Rꜥw ḏ.t (Cauville, Chapelle de Thot-Ibis, in: BIFAO 89, 1989, 59 und 60)
- Infinitiv + Ritual jri̯=f ḏi̯ ꜥnḫ (mit Auslassung von n jt=f: E 1, 124.16, 127.17, 163.4, 244.15, 260.10; E 2, 5.10; E 5, 129.13);
- NB: jri̯=f mit phonet. Kompl. r (einmal in E 5, 129.13); jri̯.n=f mit phonet. Kompl. r und j (Z4) (einmal in D 9, 253.13).

Das Subjekt/Agens der Konstruktion in der griechisch-römischen Zeit: H.G. Fischer hat nachgewiesen, dass das Suffixpronomen in jri̯=f sich in der 18. Dynastie auf den König bezieht, dass aber ab der 19. Dynastie mit jri̯=f/=s die Gottheit gemeint ist oder gemeint sein kann (ein Beleg für jri̯=s ḏi̯ ꜥnḫ schon in der 18. Dyn.: Hatschepsut: Grallert Hat/Wf019). Laut Jansen-Winkeln ist letzteres (fast) immer der Fall in der Dritten Zwischenzeit. In den Beispielen aus der griechisch-römischen Zeit ist die Konstruktion jedoch überwiegend #Infinitiv + Ritual n mw.t=f jri̯=f ḏi̯ ꜥnḫ#, einmal auch #Infinitiv + Ritual n pꜣw.tjw jri̯=f ḏi̯ ꜥnḫ# (Götter im Plural: E I, 288.15), so dass hier jri̯=f der König sein muss. Trotzdem gibt es Fälle, wo man zweifeln kann bzw. anders entscheiden muss. Auffällig sind z.B. Schreibungen, in denen der Teil jri̯=f ḏi̯ ꜥnḫ der Formel dieselbe Orientierung wie die Gottheit hat, als ob doch die Gottheit Subjekt ist (z.B. Philae III, Nr. 74.1; Nr. 75.1; du Bourguet, Deir al-Médîna, 24.1 und 33.1; Tôd II, Nr. 175.1, 297.1, 326.1; GKO I, Nr. 243.1, 245.1, 272.1, 284.1, 371.1; CKO II, Nr. 429.1, 430.1, 432.1, 433.1, 447.1, 454.1, 509.1, 510.1; Opet 111; E I, 241.8, 242.7, 243.4, 256.3, 263.5; D Isis 6.3 [mit jri̯.n=f]). Es gibt sogar einmal die Formulierung jri̯=f ḏi̯ snb mit dieser Orientierung der Hieroglyphen, die auf die Gottheit als Subjekt von jri̯=f hinweist (Tôd II, Nr. 295.1: sꜥr mꜣꜥ.t n nb=s jri̯=f ḏi̯ snb). Aber dieselbe gleiche Orientierung der Hieroglyphen wie die Gottheit ist belegt bei Göttinnen, gefolgt von jri̯=f, und hier ist ausgeschlossen, dass die Göttin Subjekt ist (z.B. Philae I, 152.1-2; Philae II, 413.11; du Bourguet, Deir al-Médîna, 174.1, 176.1; Tôd II, Nr. 270.1; Opet 12; Opet 132). Andererseits gibt es in ptolemäischen Texten jedoch auch die Kombination „für seine Mutter, die Mächtige“ gefolgt von jri̯=s ḏi̯ ꜥnḫ: „damit sie ḏi̯ ꜥnḫ mache“. In Edfou Bd. 1 findet sich #Infinitiv + Ritual n it=f/mw.t=f jri̯=f ḏi̯ ꜥnḫ#, wo jri̯=f also der König sein muss, aber in Edfou Bd. 5 wird zwischen #Infinitiv + Ritual n it=f jri̯=f ḏi̯ ꜥnḫ# und #Infinitiv + Ritual n mw.t=f jri̯=s ḏi̯ ꜥnḫ# unterschieden und ist die Gottheit das Subjekt von jri̯=f/=s. In Dendara findet sich fast nie jri̯=f/=s, sondern fast immer #Infinitiv + Ritual n it=f/mw.t=f jri̯.n=f ḏi̯ ꜥnḫ# (oder jri̯ n=f) und daher ist dort n=f der König.

Die Form jri̯=f wird überwiegend als
(1) Subjunktiv im Finalsatz aufgefasst. (1a) Mit dem König als Subjekt und jri̯ transitiv: „(Ritual) für seinen Vater, damit er (der König) (für ihn) ein zu leben Veranlasster sei“ (vgl. Jansen-Winkeln, Texte und Sprache, 99, Anm. 1); „in order that he/she (the ruler) may achieve ‘Given-life’“ (Nims, in: JNES 34, 1975, 76); „so that he (the pharaoh) might achieve/make ‚given life‘“ (Allen, 337: Finalsatz mit ḏi̯-ꜥnḫ als substantivierte Konstruktion mit einem Partizip Passiv); abweichend in Bezug auf ḏi̯ ꜥnḫ: „in order that he [i.e. der König] may serve as giver of life“ (Iversen, 44); „in order that it [i.e. die Opfergabe?] may serve for him [i.e. der König] as a giver of life“ (Iversen, 44); (1b) mit dem König als Subjekt und jri̯ intransitiv-absolut: „damit er bewirke, mit Leben beschenkt zu sein“ (Waitkus, Untersuchungen zu Kult und Funktion des Luxortempels, II, 1); „that he [i.e. the king] might serve (the god), being given life (by him)“ (Fischer, Orientation, 100, 106); abweichend in Bezug auf ḏi̯ ꜥnḫ: „hereby he (the donor) acts (for him [the god] who has given life“ (Teeter, 67) (Diese Interpretation ist problematisch wegen des Fehlens eines Dativ-n.). (1c) Mit der Gottheit als Subjekt und jri̯ transitiv: „(Ritual) für seine Mutter, damit sie (die Göttin) hervorbringe/bewirke einen, der zu leben veranlaßt ist“ (vgl. Jansen-Winkeln, Texte und Sprache, 99, Anm. 1); vgl. „damit sie (die Göttin) bewirke ein ‚mit Leben beschenkt zu sein‘ (des Königs)“ (Waitkus, Untersuchungen zu Kult und Funktion des Luxortempels, II, 63) und „damit er (der Gott) für ihn (den König) bewirke, mit Leben beschenkt zu sein“ (Waitkus, 139); „so that the deity may grant (to the ruler) ‘Given-life’“ (Nims, in: JNES 34, 1975, 76); abweichend in Bezug auf ḏi̯ ꜥnḫ: „damit er/sie das Geschenk des Lebens bewirke wie Re“ (Kurth, Edfou V. Übersetzung, 634 und 637); abweichend in Bezug auf ḏi̯ ꜥnḫ: „in order that he (the god) may act, (he) who has given life“ (Teeter, 67); abweichend in Bezug auf ḏi̯ ꜥnḫ: Wilson, Ptol. Lex., 1183 mit „given life“ als Zustand einer Gottheit: „a gift is offered or ritual performed in order that the father (mother etc.) of the king is ı͗r dı͗ ꜥnḫ may obtain the state ‘given life’“.
(2) Prospektiv in einem Wunschsatz, mit der Gottheit als Subjekt: „may he/she (god/goddess) effect the giving of life“ (Fischer, Orientation, 100).
(3) Relativform, mit dem König als Subjekt: „(Ritual) für seinen Vater, was er ausführt, indem ihm Leben gegeben ist“ (Osing, Der Tempel Sethos‘ I., 21, Anm. 55).
(4) Umstandsform, mit dem König als Subjekt: „(Ritual) für seinen Vater, indem er (es) ausführt, indem ihm Leben gegeben ist“ (Osing, Der Tempel Sethos’ I., 21, Anm. 55); vgl. „étant (lit. faisant) [König] pour lui [Gott] le doué-de-vie-comme-Rê-éternellement“ (Grandet & Mathieu, Cours d’Égyptien Hiéroglyphique, 2003, 380, § 34.5.c).
(5) Emphatische Form oder Hauptsatzkonstruktion, mit dem König als Subjekt: „er handelte, indem ihm Leben gegeben ist“ = „daß er (dabei wie beschrieben) handelte, ist indem ihm Leben gegeben ist“ (Satzinger, 146, 156); „Er handelt, (damit er) ‚im Zustand des ḏ(j) ꜥnḫ‘ (sei)“ = „Er handelt, damit er mit Leben begabt sei“ (Beylage, 24); vgl. jri̯=f ḏi̯ ꜥnḫ ḏ.t „Il a agit étant (ainsi) gratifié de vie éternellement.“ (in: Carlotti et al., La chapelle de barque en calcite aux noms d’Amenhotep Ier & de Thoutmosis Ier (BiGen 58), Le Caire 2019, 37).

Neben der Form jri̯=f gibt es die Form jri̯.n=f ḏi̯ ꜥnḫ. Erneut stellt sich die Frage, wer die Bezugsperson für =f ist, der König oder der Gott. Sehr selten ist die Form jri̯.n=s ḏi̯ ꜥnḫ belegt und hier muss die Göttin Subjekt des Verbs oder zumindest Bezugsperson für das Suffixpronomen =s sein. Auch für diese Konstruktion gibt es Fälle, wo die Hieroglyphen von jri̯.n=f ḏi̯ ꜥnḫ dieselbe Orientierung wie die Gottheit haben und man entsprechend den Gott als Subjekt verstehen möchte (Philae II, 123.2-3; 143.1; du Bourguet, Deir al-Médîna, 192.1, 196.1, 199.1; Opet 5). Das ist jedoch nicht möglich, wenn es sich um eine Göttin handelt (Philae II, 145.1). Außerdem ist die Kombination n mw.t=f jri̯.n=f ḏi̯ ꜥnḫ sehr gängig (vor allem in Dendara), und hier kann jri̯.n=f nur den König als Subjekt haben, es sei denn, man trennt n=f als Dativ ab.

Für die Form jri̯.n=f, die es schon im Neuen Reich gibt, finden sich unterschiedliche Interpretationen.
(1) Mit dem König als Subjekt: Es ist möglicherweise ein emphatisches sḏm.n=f mit einem Pseudopartizip ḏi̯ und einem Nomen (urspr. Verbalnomen/Infinitiv) ꜥnḫ im adverbiellen Teil, wobei jri̯ intransitiv oder absolut mit der Bedeutung „handeln; alles tun, was zu tun ist“ verwendet wird: „er hat gehandelt, indem ihm Leben gegeben ist“ (Satzinger, in: ZÄS 124, 1997, 146).
(2) Mit dem König als Subjekt: Es ist eine Hyperkorrektur für jri̯{.n}=f ḏi̯ ꜥnḫ oder ein Fehler für jri̯〈=f〉 n=f ḏi̯ ꜥnḫ (Grallert, Bauen – Stiften – Weihen, 38-39).
(3) Mit dem König als Subjekt: Es gibt in dieser festen Wendung in der griechisch-römischen Zeit keinen Unterschied mehr zwischen sḏm=f und sḏm.n=f, sie sind einfach austauschbar und sind höchstens noch als graphisches Spiel in irgendeiner Systematik über die Wand verteilt (so Paulet, in: GM 243, 2014, 46-47: „jeux d’alternance“ oder „alternance ‚ludique‘“). Sicherlich deshalb Cauville, in: BIFAO 89, 1989, 58-60: jri̯.n=f ḏi̯ ꜥnḫ „à son père, pour qu’il soit doué de vie“; Cauville, Dendara 3, OLA 95, 97 und 101 „à sa mère ..., pour être doué de vie“ bzw. „à sa mère ..., afin qu’il soit doué de vie“; Caßor-Pfeiffer, in: Cahiers de Karnak 16, 2017, 77: jri̯.n=f ḏi̯ ꜥnḫ „damit er bewirke, dass er ein mit Leben Beschenkter sei“. Tatsächlich finden sich in Opet beide Formen im gleichen Raum, während in Edfu fast nur jri̯=f und in Dendara fast nur jri̯.n=f verwendet wird.
(4) Mit dem König als Subjekt: Es ist eine Relativform oder eine Umstandsform: „(Ritual) für seine Mutter, das er ausgeführt hat, indem ihm Leben gegeben ist“ oder „(Ritual) für seine Mutter, indem er (es) ausgeführt hat, indem ihm Leben gegeben ist“ (vgl. Osing, Der Tempel Sethos‘ I., 21, Anm. 55 für jri̯=f).
(5) Es ist als jri̯ n=f aufzulösen, wobei jri̯ ein unpersönliches Passiv ist und n=f sich auf die Gottheit bezieht: „it is done for him [i.e. the god], the one who gives life“ (Fischer, Orientation, 103); „it (the offering) is done for him [i.e. the god] who has given life.“ (Teeter, 66). Fischer, 103, Anm. 283 erwähnt auch ein Beispiel mit n=s (= Gayet, Temple de Louxor, Taf. LV, Fig. 48), eine Rede der Amaunet, die für ihn als „it is done for her, the one who gives life“ zu übersetzen ist; Waitkus, Untersuchungen, II, 3 mit Anm. 9 emendiert diese Stelle zu jri̯{.n}=s ḏi̯ ꜥnḫ: „Sie möge bewirken ein ‚mit Leben beschenkt zu sein‘ (des Königs).“. Diese Interpretation kann für die häufige Konstruktion #Infinitiv + Ritual n mw.t=f jri̯.n=f (oder jri̯(.t) n=f) ḏi̯ ꜥnḫ# nicht zutreffen.
(6) Mit der Gottheit als Agens: Die Konstruktion ist als jri̯/jri̯.t n=f aufzulösen, wobei jri̯/jri̯.t ein Partizip Aktiv ist und n=f sich auf den König bezieht: „(Gottheit), die für ihn ein Mit-Leben-beschenkt-sein bewirkt“.

Auch die Grammatik der Konstruktion ḏi̯ ꜥnḫ ist umstritten. Das Wort ꜥnḫ ist in Wb. 1, 198.3-10 unter ꜥnḫ als Verb eingetragen. Es kann jedoch kein Pseudopartizip sein in den Fällen, in denen die Konstruktion mit nb „alle“ oder einem weiteren Substantiv erweitert wird (Peust, 68).
(1) Partizip Passiv + Substantiv/Infinitiv, mit Auslassung des resumptiven Pronomens: „der, dem Leben gegeben wurde“, „mit Leben beschenkt“ oder „der zu leben veranlasst wurde“ (Gardiner; Lefebvre; Grandet & Mathieu), als Verkürzung von ḏi̯.y n=f ꜥnḫ (mit ꜥnḫ als Subst. nach „geben“) oder ḏi̯.y ꜥnḫ=f (mit ꜥnḫ=f als subjunktivischem sḏm=f nach „veranlassen“) oder in der Konstruktion jri̯ ḏi̯-ꜥnḫ als eine Substantivierung eines Kompositverbs (Sethe, Verbum II, 461 (Nachtrag zu § 201): jri̯=f n=f ḏi̯-ꜥnḫ „damit er [der König] seinetwegen [der Gott] mit Leben beschenkt sei“; Schenkel, 428: „zu-leben-veranlaßt“ mit ꜥnḫ eher als Infinitiv denn als Substantiv); erstarrter Ausdruck mit Partizip Passiv in der adverbiellen Position eines Pseudopartizips (Beylage); als nfr-ḥr Konstruktion mit ꜥnḫ als Substantiv (Schenkel 2012, 161: „mit Leben beschenkt“ = „einer, von dem gilt: Geschenkt ist das Leben“).
(2) Partizip Passiv + Pseudopartizip (Fischer, Orientation, 97, Anm. 257; Kammerzell; gefolgt von Jansen-Winkeln, TuS, 99, Anm. 1; Grallert, 38, Anm. 6; Peust, 68 als ambige Konstruktion mit Pseudopartizip oder Substantiv; Schenkel 1991, 237 fragt sich, ob ḏi̯.t ꜥnḫ.tj bei Hatschepsut eine falsche Analogiebildung einer nicht länger verstandenen Konstruktion ist; Schenkel 2007, erklärt die Schreibung bei Hatschepsut als eine nach-klassische Bildung).
(3) Pseudopartizip + Pseudopartizip (Osing?).
(4) Pseudopartizip + Substantiv.
(5) Pseudopartizip (+ Präposition) + Verbalnomen/Infinitiv: Satzinger (ZÄS 124, 1997, 154) versteht ḏi̯ ꜥnḫ als eine versteinerte Abkürzung für etwas, das im Alten Reich als *rḏi̯.w (m) ꜥnḫ: „indem er mit Leben beschenkt ist“ konzipiert worden ist (schon im Alten Reich regelhaft mit ungeschriebener Präposition m).
(6) Eine substantivische Konstruktion oder ein Kompositum wie kopt. ⲧⲁⲛϩⲟ, das auf die Konstruktion Infinitiv + Substantiv als direktes Objekt zurückgeht: „das Geben von Leben“ > „Belebung“ (vgl. Fischer, Orientation, 100, Anm. 275; Jansen-Winkeln, Texte und Sprache, 99, Anm. 1; Kurth, Edfou V. Übersetzung, 634 und 637: „damit er/sie [die Gottheit] das Geschenk des Lebens bewirke wie Re“).
(7) Partizip Aktiv + Substantiv: jri̯=f n=f ḏi̯-ꜥnḫ „er (der König) agiert zugunsten der Gottheit, (und ist deshalb) beschenkt in Bezug auf das Leben [und zugleich] Leben gebend“ (Martin, 290-291; vgl. ablehnend Schenkel, 427, Anm. 1b: „Leben gegeben habend“ und 428 „zu leben veranlassen“); „in order that he [i.e. der König] may serve as giver of life“ (Iversen, 44); jri̯ n=f ḏi̯-ꜥnḫ „it is done for him [i.e. the god], the one who gives life“ (Fischer, Orientation, 103); „it (the offering) is done for him [i.e. the god] who has given life.“ (Teeter, 66).
(8) Substantiv + Substantiv in einer Genitivverbindung: „that he (the King) may grant the gift of life“ (Iversen, 43). Iversen verweist für die Existenz von ḏi̯(.w) als Substantiv „Gabe“ auf Edel, Altägyptische Grammatik, § 460 Anm. (und vgl. den Nachtrag zu § 459 und 460 auf S. LXXI).

P. Dils, 31.03.2022

Commentary author: Strukturen und Transformationen; Data file created: 10/24/2022, latest revision: 02/23/2023

Comment 2

Zu ꜥnḫ als Attribut von tierischen, pflanzlichen und mineralischen Produkten hauptsächlich in medizinischen Texten:

In den medizinischen Texten kommt das Verb ꜥnḫ mehrfach als Attribut bei Drogennamen vor, so bei:
jwf n 𓃒𓏤 ꜥnḫ (Eb 86, H 227: das Rind ist in diesen Fällen, wie in den medizinischen Texten üblich, logographisch geschrieben; es könnte demzufolge statt der Gattungsbezeichnung jḥ: „Rind“ auch das homographe Wort jwꜣ: „Langhornrind“ oder kꜣ: „Stier“ gemeint sein, Letzteres etwa Bardinet, Papyrus médicaux, 262) neben kürzerem jwf ꜥnḫ (Eb 664, Bln 155) und jwf ḏdꜣ ꜥnḫ (Bln 153);
bnr ꜥnḫ (Eb 563);
bd.t ꜥnḫ.t (Ram III B 8; zur Schreibung s. DrogWb, 187, Anm. 1);
sw.t ꜥnḫ.t (Eb 329 = Eb 331);
gj.t ꜥnḫ.t (Eb 664) und
tpꜣ.w ꜥnḫ.w (Eb 692, Eb 670, Eb 692).
Es ist also ein Attribut von Fleisch (jwf) als auch von Pflanzen (bd.t: „Emmer“, sw.t-Binse und gj.t-Pflanze) und Pflanzenteilen bzw. -produkten (bnr: „Datteln“, tpꜣ.w-Teile). Im Allgemeinen wird hierin ein Ausdruck der Frische vermutet, s. pars pro toto MedWb 1, 144 und speziell für das Fleisch auch DrogWb, 16-17, Westendorf, Handbuch Medizin, 561 und Bardinet, Papyrus médicaux, 262. Das ist aber keineswegs sicher, weil der Zustand der Frische meist mithilfe von wꜣḏ ausgedrückt wird, so bei jwf (vgl. die zahlreichen Belege in DrogWb, 14-15: 19 Belege [ohne Parallelrezepte]) und bei bnr (DrogWb, 173-174: 23 Belege [ohne Parallelrezepte]). Es muss also einen davon zu unterscheidenden Zustand bezeichnen. Wb 1, 196.4-5 vermutet für jwf ꜥnḫ „d.h. soeben frisch geschlachtet?“ und für bnr ꜥnḫ parallel dazu „d.h. frisch gepflückte?“ Damit würde ꜥnḫ sozusagen abseits des breiten Terminus wꜣḏ den höchsten Frischegrad anzeigen.
Ein Spezialfall wäre hierbei noch die Droge jwf n 𓃒𓏤 ꜥnḫ, denn hier suggeriert die Wortstellung zunächst, dass das Fleisch von lebenden Rindern gemeint ist. Dementsprechend vermutet DZA 21.741.390 noch radikaler als später das Wb: „Fl[eisch] (von einem) lebenden (Tier)?“. Bei einer solchen Vermutung wäre u.U. die Diskussion von von Lieven, in: ZÄS 131, 2004, 168, Anm. 46 zu berücksichtigen, wo sie anmerkt, dass beim Mundöffnungsritual, zumindest nach Ausweis des Totenbuches des Hunefer, einem lebenden Kalb ein Schenkel abgetrennt wurde. Allerdings bedürfte diese Szene einer näheren Untersuchung: Neben dem Schenkel wird auch das Herz des Tieres dargebracht, was de facto darauf hinausläuft, dass das Tier geschlachtet wurde. Die Szene entspricht den Szenen 23-25 resp. 43-45 des Mundöffnungsrituals (nach der Zählung Ottos). Es bliebe zu prüfen, ob die Darstellung auf dem Papyrus des Hunefer Parallelen findet. In anderen Versionen dieser Szene ist das Rind liegend abgebildet, und ob das Abschneiden des Schenkels am noch lebenden oder schon toten Tier geschah, lässt sich aus diesen Darstellungen und den Beischriften nicht eruieren.
Allerdings scheinen die beiden Belege von bloßem jwf ꜥnḫ, also ohne n 𓃒𓏤, dafür zu sprechen, dass sich ꜥnḫ auch in jwf n 𓃒𓏤 ꜥnḫ auf jwf bezieht. Die Nachstellung des ꜥnḫ hinter das Nomen rectum des indirekten Genitivs erklärt Westendorf, Grammatik, § 165.aa.1 mit Anm. 7 damit, dass ꜥnḫ kein attributives Partizip, sondern ein Stativ ist.
Für diese Frage ist ferner auch zu berücksichtigen, dass jwf ꜥnḫ nach § 90b des sogenannten Brooklyner Schlangenpapyrus eine Bezeichnung der jṯrwt- (oder jṯrwj-)Pflanze ist, die Täckholm (non vidi) als Kapernstrauch (genauer: Capparis decidua) identifiziert, s. dazu Sauneron, Ophiologie, 120–121. Es besteht daher die Möglichkeit, dass jwf ꜥnḫ und jwf n 𓃒𓏤 ꜥnḫ zwei verschiedene Drogen bezeichnen, deren Namen zudem, trotz äußerlicher Ähnlichkeit, syntaktisch unterschiedlich konstruiert sein könnten.

Würde man ꜥnḫ wörtlich als „lebendig“ verstehen, wie es DZA im Fall des Fleisches tut, wäre ferner zu hinterfragen, ob aus ägyptischer Perspektive Pflanzen der Kategorie „Leben“ zugeordnet wurden. Zumindest in den Texten der Amarnazeit ist das der Fall (vgl. Wb 1, 195.2); auch der demotische pCarlsberg 302 (8), der ein Fragment einer späten Kosmologie ist, führt in Zeile 2,11-12 Pflanzen (sm.w) nach einer Aufzählung von „Göttern, [Menschen], sšm.w-Tieren (das sind übernatürliche Tiere, zu denen u.a. die Greifen zählen), ꜥw.t(?)-Tieren, Fischen, Vögeln, Schlangen“ als weitere Kategorie von Wesen auf, die „leben“ und „sterben“ können, s. Smith, On the Primaeval Ocean, 105-106. Andererseits sei auf die monotheistischen Hymnen des pChester Beatty IV recto hingewiesen, wo in Zeile 10,6 in einer Auflistung von Entitäten, die dem Schöpfergott zujubeln (u.ä.), die Menschen in ꜥnḫ.w und jm.jw dwꜣ.t aufgeteilt sind: „Lebende“ und „in der Unterwelt befindliche, Tote“. In vergleichbaren Auflistungen stehen an dieser Stelle rmṯ.w: „Menschen“. Durch die Aufteilung dieser Kategorie in pChester Beatty IV rto. 10,6 wird den Menschen „une touche plus universelle, voire plus neutre“ gegeben (Meeks, in: Fs Grenier, 520). Hierdurch gelingt dem Text eine Erweiterung des göttlichen Einflussbereiches in das Jenseits hinein, wie Meeks schreibt. Allerdings wird dadurch ꜥnḫ gewissermaßen zu einer spezifisch menschlichen Eigenschaft, die in diesem Textabschnitt selbst Tiere ausschließt.

Neben dem Wb-Vorschlag „frisch geschlachtet/gepflückt“, dem die Übersetzungen der medizinischen Texte – meist verkürzt als „frisch“ u.ä. – i.d.R. folgen, lassen sich aber auch andere Optionen denken. Denn es ist nicht auszuschließen, dass das Wort ꜥnḫ in diesen Drogennamen zum Ausdruck einer anderen Qualität, vergleichbar zu anderen Kategorien der belebten Natur, dient, die ebenfalls auf – aus moderner Perspektive – unbelebte Dinge angewendet wurden. Man vergleiche etwa die Unterscheidung zwischen „männlich“ (bspw. ṯꜣ.y n msdm.t: „männlicher Bleiglanz“) und „weiblich“ (bspw. ⲃⲉⲛⲓⲡⲉ ⲛⲥϩⲓⲙⲉ: „weibliches Eisen“). (Wenn daher die sw.t-Binse in Eb 329 = 331 „lebendig“ und in Eb 800 ḥm.t: „weiblich“ sein kann, bedeutet nicht, dass die Alten Ägypter ihr den Charakter des Lebendigen sowie eine Zweihäusigkeit zugeschrieben hätten, bzw. dass sie überhaupt das moderne Konzept von der Ein- und Zweihäusigkeit bei Pflanzen gekannt hätten.)
(1) Als Alternative zum Wb-Vorschlag wäre demzufolge denkbar, dass ꜥnḫ sich auf das äußere Erscheinungsbild bezieht: Etymologisch scheint die Wurzel ꜥnḫ „binden“ zu bedeuten, und das Verb ꜥnḫ: „leben“ meint ursprünglich vielleicht: „(in die Gesellschaft) eingebunden sein“. Andere Wörter derselben Wurzel zeigen deren Bedeutung noch deutlicher, wie ꜥnḫ, das Gebinde, der Blumenstrauß, oder sqr-ꜥnḫ, der „Geschlagene und Gefesselte“, d.h. der Kriegsgefangene, s. Schenkel, Hieroglyphische Schriftlehre, 22. Eventuell bezeichnet ꜥnḫ als Attribut von Fleisch, Pflanzen und Pflanzenteilen daher also ein irgendwie besonders gebundenes, verschlungenes Aussehen.
(2) Auch eine besondere Färbung könnte erwogen werden. Hier sei an das deutsche Adjektiv „lebhaft“ erinnert, das bei Farben und Mustern eine besonders kräftige oder ins Auge springende Nuance bezeichnen kann.
(3) Ferner ist das Metall bqs-ꜥnḫ (https://thesaurus-linguae-aegyptiae.de/lemma/850480, in: Thesaurus Linguae Aegyptiae (Zugriff am: 5.9.2023) < bjꜣ-Qjs mit späteren Zusatz ꜥnḫ) in die Diskussion einzubeziehen. Devéria, in: Mélanges d’archéologie égyptienne et assyrienne 1, 1872, 2-10 diskutiert das Vorkommen von Eisen und Magnetit in Ägypten, ausgehend von Plutarch, De Iside et Osiride 62 (http://www.perseus.tufts.edu/hopper/text?doc=Perseus%3Atext%3A2008.01.0238%3Asection%3D62), wonach die Knochen des Horus aus σιδηρῖτις λίθος: „Eisen, Magnetit“ und diejenigen des Seth aus σίδηρος: „Eisen“ wären. Champollion und anderen folgend, sieht er in bjꜣ das Wort für Eisen. In bjꜣ n p.t: „bjꜣ des Himmels“, erwägt er neben Birchs Vorschlag Meteoriteneisen auch eine Übersetzung als Magneteisenerz (S. 9). Hauptsächlich weil das Logogramm für Qjs als „élément principal“ in einem der Namen von Abu Simbel vorkäme, vermutet Devéria in dem Kompositum bjꜣ-Qjs die ägyptische Entsprechung für den λίθος Αἰθιοπικὸς: „äthiopischen Stein“, den Diodor I, 91 bei der Beschreibung der Mumifizierung erwähnt, und sieht darin eine eisenhaltige Substanz, „comme la sidéritine ou fer arseniaté dont l’éclat est résineux; la sidérose ou fer spathique; l’hématite ou sanguine“ (S. 10). Bezüglich des „äthiopischen Steins“ überlegt er ferner (S. 3): „Je ne sais si, par pierre éthiopienne, on pourrait entendre l’ethiops martial des anciens alchimistes, le deutoxyde de fer noir des chimistes modernes, ou quelque autre substance ferrugineuse“.
Ebbell, Papyrus Ebers, 132 schlägt (basierend of Devéria?) für bjꜣ Qjs die Übersetzung „magnetite“ vor.
An Devérias Idee anknüpfend, weist Harris, Minerals, 168-170 darauf hin, dass laut Plinius Magnetit aus Nubien käme; und auch bqs-ꜥnḫ wird als nubisches Produkt genannt und ferner als Mineral oder Halbedelstein geführt. Diese Eigenschaften würden, so Harris, zu Magnetit passen, und das Attribut ꜥnḫ könnte sich auf die „apparently live nature of the mineral in attracting iron“ beziehen (vergleichbar vielleicht zu griech. μάγνης ζῶν = latein. ferrum vivum). Andererseits, so Harris weiter, befände sich unter den von Petrie genannten Amuletten aus Dendera, die aus (b)qs-ꜥnḫ seien, keines aus Magnetit. In demotischen magischen Papyri würde das griechische μάγνης zudem als mꜥknjs u.ä. transkribiert und sei eine von (b)qs-ꜥnḫ verschiedene Substanz. Aufgrund dessen unterlässt Harris eine konkrete Identifizierung von bqs-ꜥnḫ und legt sich lediglich darauf fest, dass es „an iron ore of attractive appearance“ sei, „regarded as a semi-precious stone in the Greek period“.

Literatur:
– T. Bardinet, Les papyrus médicaux de l’Égypte pharaonique, Penser le médecine (Paris 1995).
– H. von Deines, W. Westendorf, Wörterbuch der medizinischen Texte. Erste Hälfte (ꜣ-r), Grundriß der Medizin der alten Ägypter VII.1 (Berlin 1961).
– T. Devéria, Le fer et l’aimant. Leur nom et leur usage dans l’ancienne Égypte, in: Mélanges d’archéologie égyptienne et assyrienne 1, 1872, 2-10.
– B. Ebbell, The Papyrus Ebers. The Greatest Egyptian Medical Document (Copenhagen, London 1937).
– H. Grapow, H. von Deines, Wörterbuch der ägyptischen Drogennamen, Grundriß der Medizin der alten Ägypter VI (Berlin 1959).
– A. von Lieven, Das Göttliche in der Natur erkennen. Tiere, Pflanzen und Phänomene der unbelebten Natur als Manifestation des Göttlichen; mit einer Edition der Baumliste P. Berlin 29027, in: Zeitschrift für ägyptische Sprache und Altertumskunde 131, 2004, 156-172.
– D. Meeks, La hiérarchie des êtres vivants selon la conception êgyptienne, in: A. Gasse – F. Servajean – C. Thiers (Hrsg.), Et in Ægypto et ad Ægyptum. Recueil d’études dédiées à Jean-Claude Grenier, Bd. 3, Cahiers „Égypte Nilotique et Méditerranéenne“ 5 (Montpellier 2012), 517-546.
– S. Sauneron, Un traité égyptien d’ophiologie. Papyrus du Brooklyn Museum No. 47.218.48 et .85, Bibliothèque générale 11 (Le Caire 1989).
– W. Schenkel, Die hieroglyphische Schriftlehre und die Realität der hieroglyphischen Graphien, Sitzungsberichte der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig, Philologisch-Historische Klasse 138.5 (Stuttgart, Leipzig 2003).
– M. Smith, The Carlsberg Papyri 5. On the Primaeval Ocean, CNI Publications 26 (Kopenhagen 2002).
– W. Westendorf, Grammatik der medizinischen Texte, Grundriß der Medizin der alten Ägypter VIII (Berlin 1962).
– W. Westendorf, Handbuch der altägyptischen Medizin, Handbuch der Orientalistik I.36 (Leiden 1999).

L. Popko, 19. März 2020, aktualisiert am 05. September 2023.

Commentary author: Strukturen und Transformationen; Data file created: 03/19/2020, latest revision: 09/06/2023


Editor(s): Altägyptisches Wörterbuch; with contributions by: Lisa Seelau, Simon D. Schweitzer
Data file created: before June 2015 (1992–2015), latest revision: 11/20/2020
Editorial state: Verified

Please cite as:

(Full citation)
"ꜥnḫ" (Lemma ID 38530) <https://thesaurus-linguae-aegyptiae.de/lemma/38530>, edited by Altägyptisches Wörterbuch, with contributions by Lisa Seelau, Simon D. Schweitzer, in: Thesaurus Linguae Aegyptiae, Corpus issue 18, Web app version 2.1.2, 11/24/2023, ed. by Tonio Sebastian Richter & Daniel A. Werning on behalf of the Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften and Hans-Werner Fischer-Elfert & Peter Dils on behalf of the Sächsische Akademie der Wissenschaften zu Leipzig (accessed: xx.xx.20xx)
(Short citation)
https://thesaurus-linguae-aegyptiae.de/lemma/38530, in: Thesaurus Linguae Aegyptiae (accessed: xx.xx.20xx)